EbersbergBüros statt Wohnungen

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Der Landkreis will Räume für den aktuellen Zensus umnutzen

Beim Wort Volkszählung dürfte manch Älteren noch eine große gesellschaftliche Debatte zum Thema Privatsphäre einfallen. Gut vier Jahrzehnte später ist die Privatsphäre zwar längst dem digitalen Fortschritt zum Opfer gefallen - Kritik an der Volkszählung gibt es indes immer noch, wenn auch aus anderen Gründen. Im Technischen Ausschuss des Ebersberger Stadtrates gab es nun Einwände gegen ein vom Landratsamt für den sogenannten Zensus 2022 benötigtes Büro, allerdings nicht wegen der Nutzung an sich, sondern wegen jener, die dadurch verdrängt wurde.

Konkret geht es um ein Gebäude in der Dr.-Wintrich-Straße, das früher als Wohnung für den Hausmeister der Ebersberger Realschule genutzt wurde. Diese wie auch das Haus gehören dem Landkreis, und aus dem Landratsamt kam nun der Bauantrag zur Umnutzung des Obergeschosses im ehemaligen Hausmeisterhaus zu Büros. Diese - insgesamt 5,5 Arbeitsplätze sollen in der Wohnung entstehen - würden für die Abteilung für den Mikrozensus benötigt.

Laut städtischem Bauamt sei der Antrag planungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Hausmeisterhaus gilt als sogenannte "öffentliche Gemeinbedarfsfläche für Schulen", diese dürften laut Baugesetz auch in Büros umgenutzt werden. Von außen würde diese Umnutzung zudem nicht zu erkennen sein, Änderungen am Gebäude selbst sind nicht geplant. Die laut städtischer Stellplatzsatzung nötigen zwei Parkplätze sollen an der Nordseite des Gebäudes nachgewiesen werden. Da im Baurecht der Grundsatz gilt, dass zu genehmigen ist, was genehmigungsfähig ist, kann die Stadt ihr Einverständnis also nicht verweigern - ansonsten würde die Entscheidung von der Bauabteilung im Landratsamt aufgehoben.

Dass es rechtlich keine Handhabe gegen die Umnutzung gebe, sah auch die Mehrheit im Ausschuss so, Kritik gab es dennoch aus mehreren Fraktionen. Jürgen Friedrichs (Grüne) zeigte sich irritiert, dass "ausgerechnet der Landkreis", der sonst immer so auf die Notwendigkeit von Wohnungsbau hinweise, nun selbst einem "Verlust an Wohnraum" Vorschub leiste. Dies kritisierte auch Gerd Otter (Pro Ebersberg): "Der Landkreis sagt ständig ,bauen, bauen, bauen' und gibt ein Signal, dass man Wohnraum umwandeln kann." Zustimmen werde er indes trotzdem, wegen der Rechtslage, so Otter: "Aber wir sollten klarmachen, dass der Landkreis hier mit schlechtem Beispiel vorangeht."

Anders die Grünen, ihre Fraktion werde der Umnutzung die Zustimmung verweigern, sagte Susanne Schmidberger, "wir können es uns als Stadt nicht leisten, dass sozialer Wohnungsbau weniger wird". Echte Sozialwohnungen seien die Räumlichkeiten allerdings nicht, gab Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos) zu bedenken, "das ist eine Dienstwohnung des Landkreises, und das Gebäude ist auch nicht mehr im besten Zustand".

Dies bestätigt man auch im Landratsamt. Auf Nachfrage heißt es dort: Der Zustand des 1965 als Hausmeisterhaus errichteten Gebäudes sei "dem Alter entsprechend". Bewohnt sei das Haus im Übrigen bereits seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Nach der Nutzung als Hausmeisterhaus hatte das Jugendamt dort bis Juli vorigen Jahres unbegleitete minderjährige Asylbewerber untergebracht.

Der Stadt Ebersberg hatte man offenbar diese Informationen nicht zukommen lassen, zumindest regte Christoph Münch (SPD) an, eine ebensolche vom Landratsamt anzufordern: "Die haben sich sicher Gedanken darüber gemacht, ich würde gerne wissen, welche." Bis dahin könnte man den Antrag ja zurückstellen. Das sei leider nicht möglich, so der Bürgermeister, die Frist dazu sei schon vorbei.

Ohnehin handelt es sich offenbar um eine nachträgliche Genehmigung. Denn wie es im Landratsamt weiter heißt, wurde "die Wohnung zwischenzeitlich ertüchtigt und steht nun für die Erhebungsstelle zur Verfügung". Voraussichtlich bis 2023 werde die umgebaute Wohnung nun als Erhebungsstelle für den Zensus benötigt und wohl auch weiterhin ein Büro bleiben, denn: "Eine nachfolgende Änderung in Wohnraum ist derzeit nicht vorgesehen."

Die Mehrheit im Technischen Ausschuss hat auch nichts dagegen. Bei den zwei Gegenstimmen der Grünen wurde das Einvernehmen erteilt.

© SZ vom 29.09.2021 / wkb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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