Ebersberg:Bedrohung aus dem Wald

Purfinger Informationsveranstaltung zeigt vor allem eins: Die Dorfbevölkerung will keinen Windpark im Forst

Karin Kampwerth

Purfing - Ein Applausometer war nicht notwendig, um die Gefühlslage der Purfinger zu messen: Tosender Beifall, sobald jemand gegen die sechs geplanten Windräder im Ebersberger Forst das Wort ergriff. Pfiffe und Zwischenrufe, wenn sich einer traute, ein positives Statement abzugeben. Vaterstettens Bürgermeister Robert Niedergesäß war die Anstrengung anzusehen, den Tonfall der Diskussion immer wieder auf eine sachliche Ebene zu führen. Etwa, als der Grünen-Gemeinderat Robert Winkler eine schnelle politische Entscheidung forderte und sich der Ansicht zeigte, dass die Gegner in erster Linie eine Nicht-vor-meiner-Haustür-Politik verfolgten. Ihm wurde Arroganz und Menschenverachtung vorgeworfen.

Mehr als 400 Purfinger und zahlreiche Gäste aus den benachbarten Gemeinden drängten sich am Mittwochabend in der alten Brennereihalle, in die Niedergesäß zur Teilbürgerversammlung eingeladen hatte. Die Münchner Firma Green City Energy, die den Windpark im angrenzenden Forst errichten will, sollte nach den Veranstaltungen in Anzing und Pöring nun auch die Purfinger über den Planungsstand der Anlage informieren. Nachdem sich vor gut zwei Wochen im Dorf die Bürgerinitiative "Gegenwind" gegründet hatte, erhielt auch diese Gelegenheit, ihre Bedenken ausführlich vorzutragen. Nicht geplant war allerdings, so merkte Niedergesäß am Ende einer vierstündigen, größtenteils emotional geführten Debatte an, dass die Bürgerinitiative gleich mehrere Redner ins Rennen schicken würde, die mit umfangreichen Referaten gegen den Nutzen von Windenergie in Bayern und im Allgemeinen zu Felde zogen.

Sichtlich betroffen von einem Sammelsurium angeblicher Fakten, Untersuchungen und Studien zeigte sich zum Schluss Jürgen Hoffmann, Bereichsleiter Wind bei Green City Energy. "Die sachliche Diskussion ist nicht geführt worden", bedauerte Hoffmann. Zugleich machte er deutlich, dass er jedes der aufgeführten Argumente entkräften und widerlegen könne. "Auf dieses Vabanquespiel wollten wir uns hier aber nicht einlassen." Man werde das im direkten Dialog mit der Bürgerinitiative nachholen, kündigte Hoffmann an.

So blieb viel Raum für eine Reihe von Purfingern, die größtenteils im Internet, aber auch mit Nachfragen bei anderen windenergiekritischen Bürgerinitiativen, mögliche negative Auswirkungen recherchiert hatten. Etwa, dass die Grenzwerte für die Anlagen der tatsächlichen Beeinträchtigung durch Lärm nicht gerecht würden. Oder dass der Infraschall, also die durch die Bewegung der Rotoren verursachten, aber mit dem menschlichen Ohr nicht mehr hörbaren Geräusche, hohen Blutdruck verursache und die Konzentrationsfähigkeit vermindere. Oder dass der Immobilienwert in der Nähe von Windkraftanlagen um bis zu 30 Prozent sinke. Aber auch, dass die Schallbewertung von Green City Energy unter falschen Berechnungsparametern durchgeführt worden sei.

Fragen nach Quellen und Aktualität der Informationen wurden nicht beantwortet. Immer wieder war auch die Behauptung zu hören, dass der Wind im Forst ohnehin nicht ausreiche, um einen Windpark wirtschaftlich betreiben zu können. Dass ein Messmast die Stromausbeute über ein Jahr untersuchen soll, blieb unbeachtet. Bürgermeister und Gemeinderäten wurde hingegen vorgeworfen, das Projekt nur voranzutreiben, um die Vorgabe zur Energiewende durch die bayerische Staatsregierung zu erfüllen.

"Angst ist ein schlechter Ratgeber", appellierte Grünen-Gemeinderat Winkler an die aufgebrachten Purfinger, "die uns wohl kaum gewählt haben und das in Zukunft auch nicht tun sollen." Winkler kritisierte einen anfangs im Namen der Bürgerinitiative von Markus Gellert gehaltenen Vortrag als streckenweise manipulativ. So hatte Gellert über eine Verstärkeranlage einen lauten Brummton einspielen lassen, um Infraschall zu simulieren.

Der Hinweis, dass dies eine grundsätzliche Demonstration sei und nicht mit den Emissionen der Windräder verglichen werden könne, ging im Entsetzen der Purfinger unter. Verärgert zeigte sich eine junge Zuhörerin auch über Gellerts dreiminütigen Einspieler eines ARD-Berichtes zu Windenergie, in dem zwei Frauen über die Belastung durch 600 Meter entfernte Rotoren klagten. "Die Sendung war 45 Minuten lang, und die beiden Frauen waren die einzigen, die sich negativ geäußert haben", erklärte sie.

Dass von den Windradgegnern mitunter Gerüchte verbreitet würden, konnte auch Bürgermeister Niedergesäß bestätigen. Ihm sei unterstellt worden, dass er im vergangenen Jahr von Vaterstetten nach Baldham und nicht nach Purfing gezogen sei, weil er seinerzeit bereits von dem geplanten Windpark gewusst habe.

Unterdessen warb Catrin Dietl von der Bürgerinitiative um Verständnis. Dass eine konzertierte Briefaktion an die Gemeinderäte vor der Versammlung von vielen Angeschriebenen als anmaßend empfunden worden war, bedauerte sie. "Sollte das so angekommen sein, war das nicht in meinem Sinn", sagte Dietl. Man habe die Gemeinderäte lediglich sensibilisieren wollen, dem Thema besondere Sorgfalt zu widmen.

Ein Wunsch, der nach Ansicht der Befürworter des Windparks von dessen Gegnern nicht immer ernst genommen wird. Darauf ließ zumindest ihr fassungsloses Kopfschütteln auf Beiträge wie diesen schließen: Ein Purfinger verglich atomare Brennelemente mit den Betonsockeln von Windrädern. Auch hier sei die Entsorgung nicht geklärt, aber keiner rege sich darüber auf. (Kommentar)

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