Ebersberg:Auf der Suche nach der Wahrheit

Ebersberg: Vera Hörauf ist im April nach Ebersberg gewechselt.

Vera Hörauf ist im April nach Ebersberg gewechselt.

(Foto: Christian Endt)

Die 32-jährige Vera Hörauf ist neue Richterin am Amtsgericht Ebersberg. Mit Schwarzfahrern beschäftigt sie sich jetzt ebenso wie mit Dealern. Eines hat sie bereits festgestellt: "Es kommt schon sehr viel an Arbeit rein"

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Den Dingen auf den Grund gehen und am Ende die Wahrheit zu finden, das ist es, was Vera Hörauf an ihrer Arbeit besonders gefällt. Die 32-Jährige ist seit April neue Richterin am Ebersberger Amtsgericht und hat damit sogar höchst offiziell die Aufgabe, unabhängig und unparteilich die Wahrheit zu finden. "Amtsermittlungsgrundsatz" heißt das in der Sprache der Juristen, "sehr interessant" nennt diese Aufgabe Richterin Hörauf, die die Nachfolge von Susanne Strubl antritt, die an die Staatsanwaltschaft München I wechselt.

Sie ist sich aber auch darüber im Klaren, dass ein Gericht keine Garantie dafür hat, am Ende eines Prozesses die Wahrheit zu finden. Schließlich gibt es immer wieder Fälle, in denen die Dinge eben nicht klar sind, es keine eindeutigen Beweise gibt, Zeugen sich nicht mehr erinnern können oder auch wollen, und die Angeklagten sind ohnehin nicht zur Wahrheit verpflichtet - wer eines Vergehens oder Verbrechens beschuldigt wird, muss sich nicht nur nicht selbst belasten, er darf vor Gericht sogar straflos lügen wie gedruckt. Für die neue Ebersberger Amtsrichterin ist das eher ein Ansporn: "Man muss sich eben bemühen."

Den Dingen auf den Grund gehen, nachbohren und tief blicken wäre für Hörauf beinahe in einem anderen Sinne zum Beruf geworden. Denn fast wäre die geborene Kemptenerin, der Familientradition folgend, Zahnärztin geworden. Doch nach nicht einmal einem Jahr Studium war klar, "das liegt mir nicht so." Ganz im Gegensatz zu Jura. Nach dem Beginn des Studiums in Augsburg "habe ich mir gleich gedacht: das ist es", sagt Hörauf. Nach dem Abschluss war sie zunächst Proberichterin am Augsburger Amtsgericht, später dann Staatsanwältin in München.

Ihr Referat war, wie sie selbst sagt, von seiner Zuständigkeit "speziell". Es umfasste nämlich Jugendstrafsachen sowie Sexualstraftaten von Erwachsenen an Erwachsenen, meist Vergewaltigungen. Keine leichte Materie, trotzdem sagt Hörauf, habe sie die Befassung damit nicht belastet. "Ich hatte als Frau jetzt nicht plötzlich mehr Angst, und die Fälle haben mich auch nicht verfolgt, insgesamt konnte ich gut damit umgehen." Ob das in jedem Fall so wäre, kann die Richterin nicht sagen, mit schwersten Gewalttaten war sie bisher nicht befasst: "Mord und Totschlag hatte ich nie." Sicher ist sie sich aber, jeder Richter oder Staatsanwalt "hat seine persönliche Hemmschwelle, was man machen kann, ohne dass man es mit nach Hause nimmt. Und das hält man auf Dauer nicht aus." An diese Grenze, dass ein Fall zu grausam oder belastend war, sei sie bisher zum Glück noch nie gekommen. Nicht selten sei es dagegen, dass es schwer falle, das Motiv eines Angeklagten zu begreifen. "Es gibt vieles, was ich nicht nachvollziehen kann", sagt Hörauf - und ist damit oft nicht die Einzige im Gerichtssaal. Denn in der Rückschau, so ihre Erfahrung, gehe es manchem Angeklagten genauso: "Hinterher ist man immer schlauer, und mancher sagt dann: Das hätte man auch anders lösen können."

Mit solchen Fällen dürfte es Hörauf wohl auch in Ebersberg zu tun bekommen, denn auf ihrem Tisch landen alle Strafsachen, mit denen das Amtsgericht befasst ist. Die Spanne ist weit, sie reicht von Schwarzfahren oder Beleidigungen über Betrügereien, Drogen- und Verkehrsdelikte bis hin zu Schlägereien mit Verletzten. Und auch ihr alter Wirkungsbereich, die Aufarbeitung von Vergewaltigungen und den Straftaten Jugendlicher, wird Hörauf in Ebersberg wieder begegnen.

Besonders das Jugendstrafrecht findet die Richterin sehr spannend. Denn zum einen ist der Spielraum des Gerichts bei Jugendlichen sehr viel weiter als bei Erwachsenen, zum anderen hat der Gesetzgeber hier aber auch einen klaren Auftrag formuliert: "Es geht nicht vorrangig um Sühne, sondern um Erziehung, darum, den Jugendlichen zu helfen." Zu welchen Mitteln ein Gericht dazu greift, "da ist man relativ frei, das muss individuell für den einzelnen Jugendlichen zugeschnitten sein, das ist immer eine Frage der Einschätzung".

Eine erste Einschätzung hat sich Hörauf auch schon von ihrem neuen Arbeitsplatz verschafft: "Ebersberg habe ich schon ein bisschen kennengelernt - es gefällt mir gut." Längere Erkundungen waren bisher aber leider noch nicht drin, woran die Landkreisbewohner nicht ganz unschuldig sind. Denn die sorgen zuverlässig für neue Fälle, wie sich an den vielen dicken Prozessakten in Höraufs Büro zeigt: "Es kommt schon sehr viel an Arbeit rein."

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