Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:"Auf dem Volksfest darf ich fotografieren"

Lesezeit: 3 min

Personen sind grundsätzlich durch das Kunsturheberrecht geschützt, es gibt aber entscheidende Ausnahmen

interview Von Alexandra Leuthner

Einen Fotoapparat hat ja heutzutage so gut wie jeder fast überall dabei. Das Smartphone macht es möglich. Aber darf ich auch zu jeder Zeit alles ablichten was mir vor die Linse kommt? Die SZ hat den Münchner Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Christian Kuntze gefragt.

SZ: Habe ich grundsätzlich das Recht, im öffentlichen Raum zu fotografieren?

Kuntze: Das kommt darauf an. Bei Aufführungen wie im Circus Krone hat der Veranstalter das Hausrecht. Wenn er Aufnahmen untersagt, sind Fotos vom Bühnengeschehen verboten. Als Besucher erwerbe ich mit der Eintrittskarte nur das Recht auf Teilnahme. Bei großen Veranstaltungen, wo jeder sein Handy dabei, ist das allerdings kaum mehr zu unterbinden, da siegt die pure Macht des Faktischen.

Darf ich denn Personen fotografieren?

Grundsätzlich unterliegen Fotos von Menschen dem Kunsturheberrecht. Das Herstellen und Verbreiten von Bildern ist nur zulässig, wenn der Fotografierte - oder in einer Skulptur oder Zeichnung Dargestellte - sein Einverständnis erklärt. Wenn ich einem Kamerateam mit eingeschalteter Kamera Rede und Antwort stehe, gilt das als stillschweigende Zustimmung. Wenn ich aber fotografiert werde, ohne es zu wissen, kann ich dagegen vorgehen.

Gilt das für den privaten Fotografen ebenso wie für die Pressefotografie?

Ohne Unterschied, weil durch die Aufnahme die Voraussetzung für ihre Verbreitung, etwa über Facebook, geschaffen werden kann. Es gibt aber drei Ausnahmen.

Und die wären?

Wenn ich eine öffentliche Veranstaltung fotografiere, wie etwa das Publikum, das bei der Meisterfeier des FC Bayern vor dem Rathaus steht, darf ich das. Etwas anderes ist es, wenn ich ein Gesicht aus der Menge heraus zoome, ohne es in den Kontext einzuordnen, da wird es schwierig. Wenn ich aber, und das ist die zweite Ausnahme, ein Bergpanorama fotografiere, und ein Wanderer ist zufällig im Bild, oder den Dogenpalast mit ein paar Touristen, ist das kein Problem. Selbst wenn die Personen erkennbar sind. Entscheidend ist die Frage: Ist sie wirklich Beiwerk, oder ist sie für das Kunstwerk entscheidend?

Mit dieser Argumentation kann ich aber sehr viele Fotos rechtfertigen.

Ja, aber die wichtigste Ausnahme kommt erst. Der BGH hat vor kurzem ein Urteil gesprochen, das sehr klar macht, wohin die Reise geht. Wenn es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte handelt, überwiegt die Befriedigung des Informationsbedürfnisses. Das richtet sich zwar zunächst an die Presse, gilt aber auch allgemein. Ein Mieter hatte gegen die Veröffentlichung eines Bilds von einem Mieterfest geklagt.

Ist ein Mieterfest denn ein zeitgeschichtliches Ereignis? Oder ein Schulfest?

Wenn ein Informationsbedürfnis bejaht wird, das kann auch regional oder lokal sein, wird das als zeitgeschichtlich eingestuft, ja. Bei einer Veröffentlichung muss ich das Bild aber der Veranstaltung genau zuordnen und betexten: Also zum Beispiel: "Beim Robbie-Williams-Konzert waren alle begeistert, auch dieser Fan hier."

Und was ist, wenn ich so ein zeitgeschichtliches Bild ins Fotoalbum klebe ?

Da wird es ja nicht verbreitet.

Das gilt also auch für Schulfeste und Fotos von Kindern?

Ein Schulfest oder das Vorspiel der Musikschule ist ein zeitgeschichtliches Ereignis. Wenn ein Kind als selbständige Person Teil nimmt, und ich es auf dem Bild erkennen kann, spricht nichts dagegen, den Namen nennen. Einen besonderen Persönlichkeitsschutz genießen allerdings Kinder von Prominenten. Wenn ein Schauspielerehepaar mit seinem Nachwuchs auf die Wiesn geht, dann sind die Kinder nur Begleitperson, die darf ich nicht so einfach fotografieren. Besondere Persönlichkeitsrechte gelten auch bei Unfällen, ich darf den Unfall dokumentieren, aber nicht das entstellte Opfer.

Kann also der Veranstalter eines Volksfests das Fotografieren verbieten?

Ebenso wie beim Schulfest gilt das Hausrecht. Wenn es sich um eine geschlossene Veranstaltung handelt, dann ja. Das Hausrecht würde gegenüber der Einstufung einer Veranstaltung als zeitgeschichtliches Geschehen als der stärkere Rechtsanspruch gewertet werden. Wenn also, wie im Ebersberger Fall, der Veranstalter für Gäste Partei ergreift, hat er eigentlich das Recht als Hausherr. Ob so ein Hausrecht aber bei einem öffentlichen Volksfest greift, ist sehr fraglich. Im Fußballstadion oder einem Konzert wäre das leichter zu beantworten. Grundsätzlich ist das Volksfest eine einmalige zeitgeschichtliche Veranstaltung. Auf dem Volksfest darf ich fotografieren. Der Fotografierte kann sich nach aktueller Rechtsprechung kaum wehren. Für den Fotografen ist es eher die Frage, ob er es partout auf eine Wirtshausschlägerei ankommen lassen will.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2015
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