Nach wie vor landen viele Menschen, die aus ihren Heimatländern vertrieben worden sind, im Landkreis Ebersberg. Etwa alle zwei Wochen kommt ein voll besetzter Bus mit Geflüchteten in der Kreisstadt an, von wo aus die Menschen auf die Unterkünfte in der Region verteilt werden. Der Zustrom sei „unverändert hoch“, heißt es aus dem Landratsamt auf SZ-Nachfrage, bei der Unterbringung hingegen seien derzeit „alle Kapazitäten ausgeschöpft“. Das ist jedoch nicht die einzige Sorge, die die Behörde beim Thema Asyl hat. Zumindest jene Menschen, die eine Bleibeperspektive in Deutschland haben, müssen früher oder später auch hier arbeiten. Als Jobvermittler soll unter anderem das Team Asyl am Landratsamt fungieren, doch das ist chronisch unterbesetzt. Die Folge sind lange Wartezeiten und viel Frust.
„Wir suchen fieberhaft nach Leuten, die dort zu den Konditionen des Tarifvertrags Öffentlicher Dienst arbeiten wollen“, sagte Brigitte Keller, Leiterin der Abteilung Zentrales und Bildung am Landratsamt, in der jüngsten Sitzung des Kreis-Sozialausschusses. Dort stellte Kämmerin Katja Witschaß die Vorplanung für den Haushalt im kommenden Jahr vor. Darin enthalten sind auch die Personalkosten für den Fachbereich Bildung, Familie und Soziales, die im Vergleich zum Vorjahr um 9,2 Prozent auf insgesamt 8,92 Millionen Euro ansteigen werden. Aus den vielen roten Zahlen sticht diese grüne deshalb besonders hervor: Etwa 143 000 Euro weniger Personalkosten als geplant wird der Landkreis 2025 in das Team Asyl stecken – dabei würde das Landratsamt dieses Geld liebend gerne ausgeben, findet aber keine Mitarbeiter.
Der Zustrom an Geflüchteten in den Landkreis Ebersberg dürfte nicht weniger werden
Obwohl sie vom Kreistag genehmigt wurden, konnten alle vier neuen Stellen in der Abteilung nicht besetzt werden. Auch der Posten der Teamleitung Asyl ist derzeit vakant, weshalb das Landratsamt nun Alarm schlägt. „Die enorme Fallzahlsteigerung hat nicht nur finanzielle Auswirkungen, sondern wird auch zu einer personellen Herausforderung. Die aktuelle Personaldecke ist bei Weitem nicht auf einen weiteren und anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen ausgelegt“, schreibt die Behörde in einer Stellungnahme. Dass jedoch schon bald weniger Menschen nach Ebersberg kommen, zeichnet sich derzeit nicht ab – im Gegenteil: „Ein Augenmerk muss weiterhin auf die Schaffung neuer Unterkünfte gelegt werden, da sich die Zugangszahlen im Bereich der Asylsuchenden weiterhin massiv erhöhen werden“, so das Landratsamt weiter.
Derzeit leben der Behörde zufolge 1483 staatlich untergebrachte Flüchtlinge in der Region, davon 375 ukrainische Kriegsflüchtlinge und 1108 Asylbewerber, die vor allem aus Afghanistan und der Türkei stammen. Nicht alle, aber viele dieser Menschen haben hier auch eine Bleibeperspektive und wollen beruflich Fuß fassen. Doch der Personalnotstand im Team Asyl sorgt hier für einen regelrechten Bearbeitungsstau – und deshalb für Frust bei Jobsuchenden und Arbeitgebern sowie für Ärger bei den Lokalpolitikern, die schließlich extra Geld dafür freigegeben hatten, um genau das zu verhindern. „Das ist eines der wichtigsten Ämter“, klagte etwa Ottilie Eberl (Grüne) in der Ausschusssitzung. Die schlechte Besetzung führe aber dazu, dass viel liegen bleibe. „Die Leute könnten viel schneller in Arbeit gebracht werden“, ist Eberl überzeugt. Das käme letztendlich auch dem Landkreis zugute, der nicht nur Kosten sparen, sondern über Steuern sogar bares Geld einnehmen könnte.
Flüchtlinge im Landkreis Ebersberg:Am Tabellenende
Bei der Unterbringung von Flüchtlingen steht der Landkreis Ebersberg oberbayernweit auf dem vorletzten Platz. Dennoch sind die Unterkünfte nahezu voll belegt.
Brigitte Keller ist sich dieser Problematik bewusst, der Behörde seien aber gewissermaßen die Hände gebunden. Otillie Eberl hatte zuvor vorgeschlagen, ob man denn nicht mit gewissen „Zuckerln“ die Leute anlocken könne, um im Bereich der Asylhilfe zu arbeiten. Das, so Keller, sei nicht möglich, denn die Bezahlung im Öffentlichen Dienst sei eben über den Tarifvertrag geregelt. Dem Landratsamt bleibt zunächst also nichts anderes übrig, als auf Bewerberinnen und Bewerber zu hoffen.
Ginge es jedoch nach AfD-Kreisrat Manfred Schmidt, könnte sich die Behörde das Warten auch gleich sparen. Er plädierte dafür, die vier Stellen im Team Asyl zu streichen beziehungsweise zwei von ihnen in die Bauverwaltung zu verlegen. Durch das geplante Gymnasium in Poing und die Berufsschule in Grafing-Bahnhof komme schließlich auch auf diese Abteilung eine Menge Arbeit zu. „Dann müssen halt die Asylbewerber auch mal ein bisschen warten“, sagte der AfD-Mann, um hinterherzuschieben: „Abgelehnte Asylbewerber brauchen ohnehin keine Beratung, die sollen abgeschoben werden.“
Die AfD will Geflüchtete als billige Sicherheitskräfte einsetzen
Der Vorschlag von Schmidts Stellenrochade fiel im Gremium aber ebenso durch wie eine weitere Idee des AfD-Politikers: Die im Foyer des Landratsamtes eingesetzte Security solle doch einfach durch Asylbewerber ersetzt werden. Weil die Auflagen für Sicherheitskräfte hoch seien, könne man diese dann als „Organisationshelfer“ titulieren. Jedenfalls, so Schmidt, könne sich der Landkreis dadurch viel Geld sparen. Recht viel mehr als das kollektive Kopfschütteln seiner Kreistagskollegen erntete der Baldhamer dafür allerdings nicht.
Diese votierten, diesmal gegen die Stimme von Manfred Schmidt, für den von Kämmerin Katja Witschaß vorgelegten Haushaltsentwurf des Fachbereichs Soziales, Familie und Bildung, der mit insgesamt rund 23,2 Millionen Euro um knapp 700 000 Euro höher liegt als das Budget des Vorjahres. Sollten sich aber doch noch Bewerber für das Team Asyl finden lassen, würde der Landkreis diese zusätzlichen Kosten wohl nur allzu gerne oben draufpacken.