Arkadien ist freilich kein realer Ort, sondern ein künstlerischer Topos und symbolisiert als solcher die poetische Sehnsucht nach einer verlorenen oder unerreichbaren idealen Welt – eine Utopie, die zwischen Verklärung und kritischer Reflexion oszilliert. Kein Wunder also, dass es in Ebersberg alle zwei Jahre ein „Arkadien-Festival“ gibt, lassen sich unter diesem Motto doch immer wieder allerhand aktuelle Themen darstellen und verhandeln.
Diesmal allerdings hätte der Kunstverein Ebersberg den Veranstaltungsreigen vom 2. bis 31. Mai beinahe absagen müssen – wegen finanzieller Schwierigkeiten. Die Stadt habe ihren Zuschuss drastisch gekürzt, nämlich um etwa die Hälfte, und auch viele anderen Förderquellen seien leider versiegt, sagt Peter Kees, Initiator und selbst ernannter „Arkadischer Botschafter“. Überall werde gespart, und man spüre ganz deutlich ein nachlassendes Interesse, von München bis nach Berlin. „Das ist kulturpolitisch gerade echt eine Zäsur.“

2019 gab es die erste Ausgabe des Arkadien-Festivals mit 36 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern, einen Monat lang wurde Ebersberg bespielt mit einer Ausstellung und Performances in der Galerie des Kunstvereins, Skulpturen im öffentlichen Raum, Vorträgen, Diskussionsrunden, Konzert, Filmpremiere, Theater und einigem mehr. Der Etat für das ganze Festival betrug laut Initiator Kees damals etwa 25 000 Euro, finanziert habe man diese durch Fördermittel und Sponsoren.
Arkadien#2 ging 2021 über die Bühne – mitten in der Corona-Pandemie also. Doch die Macher vom Kunstverein waren mutig und verlegten das Festival größtenteils in den öffentlichen Raum. 23 Künstlerinnen und Künstler konfrontierten die Ebersberger auf der Straße mit arkadischen Interventionen, ein Streichquartett spielte im Forst. Im Moosacher Meta Theater wurde auf Abstand diskutiert und philosophiert. Der Etat lag nun schon bei knapp 50 000 Euro. Wie es zu dieser Steigerung kam? „Einerseits wegen der Corona-Förderungen, aber auch einfach deshalb, weil die erste Ausgabe so ein toller Erfolg war“, sagt Kees.
Noch größer, spektakulärer und internationaler geriet dann die dritte Ausgabe 2023: Wieder gab es diverse Interventionen im öffentlichen Raum, dazu zwei Ausstellungen, eine Performance und zwei musikalische Uraufführungen. Außerdem ermöglichte das Ebersberger Festival „Satelliten“ in Danzig, Berlin und Rijeka sowie eine Künstlerresidenz in Sofia. Knapp 80 000 Euro an Zuschüssen konnten Kees und seine Mitstreiter dafür akquirieren.

Und nun? Müssen die Festivalmacher laut eigener Aussage mit sehr, sehr viel weniger Geld auskommen als geplant. Etwa 5000 Euro kann der Kunstverein für das Projekt aufbringen. Vielleicht kommen noch zwei- oder dreitausend Euro aus einem Förderprogramm des Freistaats hinzu, eine Zusage gebe es hier aber noch nicht, sagt Kees. Was das bedeutet? Ganz einfach: Dass das diesjährige Arkadien auf Sparflamme laufen muss.
„Uns ist es gelungen, ein Festival zu etablieren, das ganz besondere Kunstformen bietet, immer wieder überregional für Furore und ein großes Medienecho sorgt“, sagt Kees. Deshalb habe man sich, nach langem Überlegen, gegen eine Absage der vierten Ausgabe entschieden – und stattdessen das bisherige Konzept modifiziert, um die Kosten erheblich zu drücken.
An einer internationalen Ausschreibung haben sich rund 260 Künstlerinnen und Künstler beteiligt
Ursprünglich geplant war, die Stadt Ebersberg und Umgebung im Mai mit vielen großen Plakaten zum Thema „War“, also Krieg, zu bestücken. Es gab bereits eine internationale Ausschreibung dafür, an der sich rund 260 Künstlerinnen und Künstler beteiligt haben, aus Ebersberg, aber auch aus New York oder dem Kongo. Eine Jury wählte 69 von ihnen aus, teils sehr renommierte Leute, sagt Kees – doch dann sei irgendwann klar geworden, dass die große Umsetzung aufgrund der veränderten Fördersituation nicht finanzierbar sein würde. Von den Plakatwänden und den Druckkosten über Werbung und eine Publikation bis zu Honoraren und Reisekosten: „Das summiert sich einfach, wir hätten rund 40 000 Euro gebraucht.“

Um mit seinen begrenzten Mitteln auszukommen, lässt der Kunstverein nun alle Plakatentwürfe lediglich als Dias produzieren. „In der Galerie wird ein großer Leuchttisch mit vielen kleinen Diabetrachtern darauf stehen, sodass sich die Besucher ganz individuell mit den Bildern beschäftigen können“, erklärt Kurator Kees. Das Thema Krieg sei dabei in ganz unterschiedlichen Techniken umgesetzt, als Malerei, Fotografie, Karikatur oder Collage. Manche Darstellungen sind freilich sehr düster, andere her bissig, absurd oder gar humorvoll. Acht der ursprünglichen ausgewählten Künstlerinnen und Künstler seien angesichts des veränderten Konzepts jedoch wieder abgesprungen, erzählt der Kurator, vor allem, weil nun keine Honorare gezahlt werden könnten.
Die Gesprächsreihe „Arcadia Talk“ soll die kulturpolitische Situation thematisieren
Außerdem habe der Kunstverein beschlossen, die kulturpolitische Situation selbst zu einem Thema des Festivals zu machen, so wie schon bei seiner „Letzten Ausstellung“ Ende 2024 geschehen. Deswegen wird es doch auch große Plakate zu sehen geben, aber eben nur drei davon: Das Wort „leer“ wird darauf jeweils in zwei Sprachen geschrieben sein, auf Deutsch und Englisch, auf Hebräisch und Arabisch sowie auf Ukrainisch und Russisch. Hinzu kommt eine Gesprächsreihe, ein „Arcadia Talk“: Peter Kees will sich an mehreren Abenden in der Galerie mit diversen Politikern und Journalisten über die aktuelle Situation der Kultur unterhalten. „Wir müssen den Finger in die Wunde legen“, sagt der Kurator. Was anderes bleibe der Kunst momentan nicht übrig.