Süddeutsche Zeitung

Entwickler aus dem Kreis Ebersberg:App soll Mitfahrgelegenheiten im Umland finden

Der Emmeringer Ludwig Haimmerer hat ein Konzept für eine Mitfahrer-App entworfen, die es etwa Frauen ermöglichen soll, nur mit Frauen mitzufahren.

Von Barbara Mooser und Gerhard Wilhelm, Ebersberg

Seit vier Jahren treibt Ludwig Haimmerer eines um: Der Verkehr auf den Straßen wird immer schlimmer, Staus und Luftverschmutzung nehmen zu. Gleichzeitig bleiben in den meisten Autos Beifahrer- und Passagiersitze leer. Der Lehrer aus Emmering würde das gern ändern und hat ein Konzept für eine neue App entwickelt: "Handyhike" soll dabei helfen, schnell und überall Mitfahrgelegenheiten zu finden - nicht nur im Landkreis Ebersberg, sondern im gesamten Münchner Umland.

Einen möglichen Partner hat Haimmerer bereits im Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) aufgetan, dort ist man für eine Zusammenarbeit offen. Die Gesellschafter wollen laut einer Sprecherin untersuchen lassen, ob die Mitfahr-App in die MVV-Auskunft direkt integriert werden könnte. Demnächst ist auch ein gemeinsamer Workshop geplant, in dem das weitere Vorgehen besprochen wird.

Noch sind die Planungen zwar ganz am Anfang, auch programmiert ist die App noch nicht. "Wichtig ist aber, dass eine kritische Masse erreicht wird", erläutert Haimmerer. Viele der bestehenden Mitfahr-Apps sind nur wenigen bekannt, was zur Folge hat, dass sie ihren Nutzern auch nur wenige Fahrgelegenheiten anbieten können. Anders wäre es, wenn MVV-Nutzer, die dessen App verwenden, auch die Möglichkeit hätten, alternative Fahrtmöglichkeiten abzurufen. Ein Beispiel: Man steht in Grafing-Bahnhof, die nächste S-Bahn nach Ebersberg geht erst in 40 Minuten. Gleichzeitig fahren aber viele Autofahrer am Bahnhof vorbei, die ebenfalls in die Kreisstadt unterwegs sind und eigentlich noch genügend Plätze im Auto frei hätten. Hier könnte die App Autofahrer und mögliche Mitfahrer zusammenbringen.

Welche Voraussetzungen die App erfüllen müsste, darüber hat sich Haimmerer bereits intensiv Gedanken gemacht. "Maximale Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit" müssen seiner Überzeugung nach unbedingt gewährleistet sein. So sollen sowohl Fahrer als auch Mitfahrer wissen und steuern können, mit wem sie unterwegs sind. Im System hinterlegt würden also beispielsweise nicht nur Alter und Geschlecht der Betreffenden, sondern auch ein Profil, in dem darüber hinaus Bewertungen für Fahrer und Mitfahrer abrufbar sind.

Man kann einstellen, dass man nicht allein mit dem Fahrer im Auto ist

Nutzer könnten dann beliebig Filter in ihre Abfragen abbauen: Wenn Frauen lieber nur bei Frauen mitfahren wollen, könnten sie das entsprechend einstellen, wer nicht allein mit dem Fahrer im Auto sitzen will oder nur bei einem, der von bisherigen Mitfahrern gut bewertet wurde, ebenfalls. Je weniger Filter, desto mehr Mitfahrgelegenheiten würde das System anbieten, so die Vorstellung Haimmerers.

Ansonsten wäre die Anwendung denkbar einfach: Fahrer aktivieren die App und geben vor Antritt der Fahrt ihr Ziel ein. Auf dem Handydisplay potenzieller Mitfahrern erscheinen dann diese Fahrgelegenheiten. Die gefahrene Wegstrecke wird ebenfalls digital registriert, so ist auch eine einfache Abrechnung möglich. "Es gibt somit keine langwierigen und riskanten Telefonate am Steuer, keine umständlichen Abrechnungsprozeduren, Wartezeiten und Unsicherheiten über Personen und Treffpunkte", erläutert Haimmerer sein Konzept.

Außer den ganz offensichtlichen Vorteilen - weniger Verkehr bei größerem Angebot - gibt es nach Angaben des Emmeringer Pädagogen noch einen anderen guten Grund, auf sein System zu setzen: Die Wertschöpfung bleibt in der Region, statt an große Unternehmen wie etwa Uber zu gehen, die derzeit auch in Deutschland auf den Markt drängen. Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der auch Sprecher der MVV-Verbundlandkreise ist, hat er bereits mit seinem Konzept überzeugt, auch die anderen Landräte im MVV-Gebiet stehen der Idee positiv gegenüber und wollen in vertiefte Untersuchungen einsteigen.

Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat bereits erklärt, dass er sich vorstellen könne, sich im Rahmen eines Pilotprojekts einzubringen. Unterstützt wird das Projekt auch von der Energieagentur Ebersberg-München und der Fridays-for-Future-Bewegung im Landkreis. Für die weiteren Planungen will Haimmerer möglichst viele gesellschaftliche Gruppen mit ins Boot holen, die Kirchen und Vereine ebenso wie die Wirtschaft, eben alle, die mit der Idee "Verkehr neu denken" etwas anfangen können.

Um Unterstützung auf höherer Ebene hat Haimmerer gemeinsam mit Landrat Robert Niedergesäß und dem CSU-Landtagsabgeordneten Thomas Huber ebenfalls bereits geworben. In einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beschreiben sie die Vorteile: "Der Schlüssel für eine staufreie und damit ressourcenschonende Zukunft kann nur die Steigerung der Anzahl der Insassen pro Fahrzeug sein. Deshalb ist auch unser Konzept die Schlüsseltechnologie für eine nachhaltige, staureduzierte Mobilität", heißt es dort unter anderem. Abgeschickt haben die drei Ebersberger den Brief im April 2019. Eine Antwort haben sie bis heute nicht erhalten.

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SZ vom 09.01.2020/koei
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