Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:100 Gramm Wurst und 50 Euro auf "Rot"

Während aufgrund der Pandemie weltweit die Läden schließen müssen, fängt der Besitzer eines Lebensmittelgeschäfts aus dem Landkreis Ebersberg an, illegales Glücksspiel im Hinterzimmer seines Geschäfts zu betreiben. Dafür steht er nun vor Gericht.

Von Ulli Kuhn, Ebersberg

"Alles spricht dafür, dass dort illegal gespielt wurde", ist der Staatsanwalt überzeugt. "Es gab Stühle für die Gäste, der Raum war verdunkelt und es standen sogar Getränke bereit." Der Verteidiger hält jedoch entschieden dagegen: "Es gab vier Aufklärungsversuche der Polizei und es konnte bei keiner dieser Beobachtungen ein Spielbetrieb festgestellt werden." Es ist ein dreistündiges Tauziehen vor dem Ebersberger Amtsgericht, das sich Verteidigung und Anklage an diesem Tag liefern - ein Tauziehen, in dem sich das Glück mehrfach zu wenden scheint.

Die Automaten sollen nur als Ersatzteillager dienen, so der Angeklagte

Obwohl der Angeklagte aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg sichtlich nervös wirkt, ist seine Verteidigungslinie ist von Beginn an sehr klar: Er ist unschuldig. "Diese sieben Spielautomaten im Hinterzimmer der Fleischerei dienen lediglich als Ersatzteillager", sagt der Rechtsanwalt. So sei der 40-jährige Angeklagte ebenfalls Besitzer von mehreren Geschäften in denen legal gespielt werden könne.

Doch die Beweise der Polizei zeigen in eine ganz andere Richtung: "Alles spricht dafür, dass im Hinterzimmer dieser Fleischerei illegal gespielt wurde, dafür sprechen allein schon die Lichtbilder und Ermittlungen der Polizei", so die Staatsanwaltschaft. "Es gibt Stühle für die Gäste, der Raum ist abgedunkelt, um ungewolltes Einsehen zu verhindern und es standen sogar Getränke bereit." Besagte Bilder habe die Polizei bei einer Durchsuchung des Geschäfts im westlichen Landkreis gemacht.

Die Aussagen der Zeugen sind laut der Verteidigung ohne Belang

Auch eine ehemalige Mitarbeiterin belastet den Beschuldigten schwer. Sie arbeitete in dem besagten Lebensmittelgeschäft und habe mehrfach mitbekommen, dass nach Ladenschluss Gäste gekommen wären, um zu spielen. Die Verteidigung winkte ihre Aussage als belanglos ab. So habe sie in der Vergangenheit eine intime Beziehung mit dem Angeklagten gehabt, weshalb sie persönlich sehr befangen sei. Nur durch ihre Anklage ist die Polizei überhaupt auf den Fall gestoßen.

Der Ehemann der Mitarbeiterin, welcher direkt neben der Fleischerei arbeitet, sagte ebenfalls gegen den Angeklagten aus. Auch diese Aussage wies der Rechtsanwalt aus Gründen der Befangenheit ab. Zeugen und Angeklagter machen sich in der Folge gegenseitig verschiedene Vorwürfe. Es geht um Drohungen, Geldforderungen und andere laufende Ermittlungen. "Sie tritt nach allen Seiten", beschreibt der Angeklagte das Verhalten der Zeugin. Also doch alles nur ein schmutziger Rosenkrieg? Das Gericht sieht die Sache anders.

Es gibt deutliche Beweise - auch ohne die Zeugen

Denn die Beweise der Polizei wiegen schwer: "Alle Spielautomaten waren gemeinsam an einer Steckerleiste angeschlossen und auch über ein LAN-Kabel mit dem Internet verbunden", so der ermittelnde Polizeibeamte. In seinem Schlussplädoyer zeigt sich auch der Staatsanwalt unbeirrt: "Ich fordere sechs Monate Haft." Da der Angeklagte ein Ersttäter sei und man eine Wiederholungstat ausschließen könne, räumte er die Möglichkeit ein, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Darüber hinaus forderte er eine Geldstrafe. "Die Anzahl der Automaten lässt schließlich vermuten, dass damit auch ordentlich Geld verdient wurde", so der Staatsanwalt.

Dieser Ansicht schließt sich auch Amtsrichterin Frances Karn an: "Ich sehe das so, wie der Herr Staatsanwalt. Die Lichtbilder sind klare Beweise." Auch wären alle Automaten nachweislich spielbereit gewesen. So also das Urteil: 150 Tagessätze zu je 70 Euro. Das ergibt unterm Strich 10 500 Euro.

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