Süddeutsche Zeitung

Altes Kino Ebersberg:"Wir sind eins"

Die senegalesisch-deutsche Band "Black Dia bu Galsen" und der Rapper "Momo Novus" bestreiten einen gemeinsamen Auftritt vor einem begeisterten Publikum.

Von Oliver Fraenzke, Ebersberg

Allein die Formation versinnbildlicht Integration und kulturellen Zusammenhalt. Zwei Rapper in traditioneller Kleidung ihres Heimatlandes Senegal betreten die Bühne, werden dort bereits empfangen von einer dreiköpfigen Band lokalen Kolorits. Dieses Bild schon würde genügen als politisches Statement für Einheit und Gleichheit: Wir sind eins. Es manifestiert sich, wenn die fünf Musiker ihren ersten Song ansetzen und sofort einen gemeinsamen Groove finden, Elemente unterschiedlichster Musikkulturen in jedem ihrer Tracks verschmelzen und als untrennbare Einheit das Publikum mitreißen.

Die Rede ist von Black Dia bu Galsen, einer Ebersberger Gruppe bestehend aus den Rappern Abdouleye Gueye und Maka Seck mit ihrer Band um Thomas Brand, Tobias Mückenberger und Kilian Kneidl. Black Dia, das steht für Diaspora und bezeichnet ihre Gemeinschaft in einem neuen Heimatland fernab ihrer früheren Heimat. Ihre Sorgen, ihre Ängste, die Probleme in ihrem alten wie auch neuen Heimatland, aber auch ihre Hoffnungen und die Freude in einer neu gefundenen Gemeinschaft, ein Zusammenspiel der Kulturen, das thematisieren Black Dia in ihren Songs. Und trotz der allgemein heiteren Grundstimmung der Musik kann es einem doch für einen Moment kalt den Rücken herunterlaufen, wenn Gueye und Seck über den Abschied von ihren Eltern singen, die in Senegal blieben.

Im Alten Kino Ebersberg bestreiten Black Dia gewissermaßen ein Heimspiel und viele aus dem Publikum kennen die Lokalmatadore bereits, heizen von Anfang an die restlichen Hörer an. Zusätzlich holt sich die Band einen leider nicht namentlich genannten Tänzer mit auf die Bühne, der keine eingeübten Choreografien präsentiert, sondern die Songs frei nach seinem Gefühl mit jeder Faser seines Körpers ausdrückt. Pure Lebensfreude strahlt uns von der Bühne entgegen, was nicht verwundern lässt, dass zuletzt noch ein jeder aufsteht und sich zu dieser Musik bewegen muss.

Ermöglicht wird die Wiedereröffnung des Dancefloors durch die 3G-plus-Bestimmungen, die das Alte Kino für diese Veranstaltung erstmals umsetzte. So darf das Publikum die Masken absetzen und ohne Abstand den Abend genießen, sich wieder an der Bar drängen und frei im Saal bewegen. Das ist nach fast zwei Jahren tatsächlich wieder gewöhnungsbedürftig, doch auf eine äußerst positive Art und Weise.

Wir sind eins, so lautet auch ein Track von Momo Novus, einem langjährigen Wegbegleiter für Black Dia, der heute als Support das Set eröffnet. Momo Novus setzt auf Texte, die unter die Haut gehen, Probleme der Gesellschaft wie auch einzelner Individuen daraus aufgreift und seinen Hörern in ungeschöntem Realismus nahebringt. Hi-pHop nennt er in einem Song das "Sprachrohr für die Unterschicht" und geht mit Kollegen hart ins Gericht, die mit oberflächlichen Zeilen über vorzugsweise Themen wie Drogen und Prostitution kommerzielle Erfolge feiern. Denn im Rap geht es um existenzielle Aussagen, um menschliche Werte, die es zu vermitteln gilt. "Warum fühlen wir uns der Kultur nicht mehr verpflichtet?", fragt er und formuliert damit eine genre- wie kulturübergreifende Forderung nach Förderung, die wohl alle Künstler wie Konzertbesucher mit Freude unterschreiben würden. Für zwei Tracks wird Momo Novus auch zu Black Dia auf die Bühne gerufen, lebt sich schnell ein in die rascheren, auftreibenderen Grooves der Band und zeigt so wieder andere Facetten seines Raps, präsentiert vollständig unterschiedlichen Flow zu dem seiner Solotracks.

In drei Sprachen singen Abdouleye Gueye und Maka Seck von Black Dia, womit sie bewusst darauf verzichten, dass die Hörer alles verstehen. Doch es geht ihnen nicht um die Aussage des einzelnen Wortes, sondern um die Vermittlung ihrer Hauptaussagen und ihres Lebensgefühls. Und die Mischung aus purer Lebensfreude mit einem Hauch zarter Melancholie und Sehnsucht spricht unmittelbar an, erfüllt die Intention dieser Musik. Die klangliche Landschaft gestalten vornehmlich reale Instrumente - und anders als so oft beim Hip-Hop Sounds aus der Digital Audio Workstation. Drummer Kilian Kneidl bietet vielseitigen und präzise abgestimmten Rhythmus, der gerne auch ganz fernab des Standardbeats liegt; Tobias Mückenberger kreiert mit dem Bass ein voluminöses Fundament und gibt ebenfalls eine gute rhythmische Komponente in die Musik; den klanglichen Horizont steckt Thomas Brand ab, der seinen Gitarren sphärische und doch luzide Klänge entlockt. Über dieser Kulisse können sich Gueye und Seck voll austoben, mit ihrem rhythmisch erspürten Flow das Gesamtbild ergänzen. Die sympathisch-lockere Location tut ihr Übriges, einen Gute-Laune-Faktor zu garantieren. Die Musik evoziert ausgelassene Stimmung und verpackt zugleich eine ganze Reihe an Aussagen, über die nachzudenken lohnt. Im Publikum haben Menschen aus verschiedenen Nationen, unterschiedlichen Generationen und gänzlich anderer Prägung miteinander Spaß an der Musik: Wir sind eins.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2021
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