Milchbauern in Ebersberg:Bei jedem Liter drauf gezahlt

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Der sinkende Preis betrifft auch viele Erzeuger im Landkreis Ebersberg. Die Zahl der Milchbauern ist in vier Jahren um fast zwölf Prozent zurückgegangen, weil das Geschäft zu wenig Gewinn abwirft

Von Max Nahrhaft, Ebersberg

"Der Lkw fährt in die falsche Richtung, da hilft auch das Auftanken nichts. Er muss umdrehen und einen anderen Weg fahren." So kommentiert Johann Fuchs den Verfall des Milchpreises. Der 47-Jährige führt seinen Milchviehbetrieb in Pollmoos nun in fünfter Generation - doch so schlecht ging es dem Hof noch nie.

Seine Lkw-Metapher ist so zu verstehen: Erst wurde die Milchquote schrittweise angehoben und vor einem Jahr ganz außer Kraft gesetzt, der Lkw fuhr also in die falsche Richtung. Mittlerweile liegt der Milchpreis unter 30 Cent pro Liter. Nun versucht die Politik durch finanzielle Unterstützung das Aussterben der Milchbauern zu verhindern. Viel wichtiger wäre aus Sicht des Pollmosser Landwirtes aber die Wiedereinführung der Quote, also das Umkehren des Lkw: "Dann dürften die Bauern nicht mehr unbegrenzt Milch produzieren, die Preise im Supermarkt würden wieder steigen und die Bauern könnten von ihrer Arbeit leben."

Im Landkreis gibt es 392 Milchviehhalter. Vor fünf Jahren waren es noch 443

Zwar sind die knapp 400 Milchbauern im Landkreis keine homogene Menge, doch die allermeisten haben mit den gleichen Problemen wie Fuchs zu kämpfen und viele stellen die selbe Forderung - aufgrund ähnlicher Befürchtungen. Seit 2011, ein Jahr, nachdem die Quote zum ersten Mal angehoben wurde, sinkt die Zahl der Milchviehhalter rapide. Waren es damals noch 443 im Landkreis, zählte man im Jahr 2015 gerade einmal noch 392 - ein Rückgang um fast zwölf Prozent. Doch auch viele der übrigen Bauern können nicht mehr von der Milchproduktion alleine leben.

"Als zweites Standbein haben wir in eine Biogasanlage investiert", erklärt Karolin Sigl. Sie ist Bäuerin auf einem Hof in Reinsdorf bei Glonn. In die Anlage haben sie und ihr Mann das gesamte Ersparte investiert und sich sogar verschuldet. Doch seitdem der Milchpreis auf ein Rekordtief gesunken ist, wissen sie nicht mehr, wie sie die Kredite abzahlen sollen. "Wir sparen an allen Ecken. Wir probieren, alles selbst zu produzieren und nichts zuzukaufen", sagt Sigl.

Bauer Johann Fuchs zahlt bei jedem Liter Milch drauf

In der gleichen Situation befindet sich Johann Fuchs. Auch er muss noch die Schulden für den neuen Kuhstall tilgen. Sein größtes Problem ist es, den Hof liquide zu halten. "Ich zahle drauf bei jedem Liter Milch, den ich verkaufe", so Fuchs. Im Moment zahlt ihm die Molkerei Meggle in Wasserburg 27 Cent pro Liter Milch. Um seine Rechnungen zu begleichen, bräuchte er aber 35 Cent. Um daran zu verdienen, müssten es sogar 45 Cent sein. Da er täglich 1 400 Liter Milch produziert, macht er 112 Euro Verlust - jeden Tag. "Das zehrt den Betrieb auf. An Modernisierung oder Investitionen darf ich gar nicht mehr denken. Alles ist auf minimalen Erhalt ausgelegt", sagt Fuchs. Auch das Familienleben leide darunter.

Ganz anders beschreibt Elisabeth Reis ihr bäuerliches Wirtschaften in Buch bei Kirchseeon. Schon vor Jahren hat sie auf Bio-Qualität umgestellt. "Angefangen habe ich aus reiner Überzeugung, doch heute würde sich die konventionelle Produktion gar nicht mehr lohnen", meint Reis. Die Molkerei Berchtesgadener Land zahlt ihr 45 Cent für den Liter Biomilch - ein gerechter Preis, wie Reis findet, von dem man auch leben könne. Seit 15 Jahren geht für die Bäuerin dieses Konzept nun auf - und ihre 60 Kühe im Stall seien auch glücklich.

Obwohl Reis persönlich nicht täglich um ihre Existenz kämpfen muss - eine fast schon komfortable Situation - ist sie trotzdem unzufrieden mit der aktuellen Lage. Als Landkreisvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) sieht sie die Schuld vor allem bei der Politik: "Der Milchgipfel ist nur Schönrederei, wir wollen keine Geldspritzen, sondern einen fairen Preis für alle Bauern." Auch die Aufhebung der Produktionsquote war in ihren Worten eine "völlige Bruchlandung": Zuvor durften die Bauern nur eine bestimmte Menge Milch erzeugen, so dass das Angebot den Markt nicht überschwemmen konnte. Als die Quote dann im vergangenen Jahr abgeschafft wurde, hätten besonders die großen Betriebe ihre Produktion gesteigert. "Der Preis ging in den Keller und die kleinen Höfe konnten nicht mehr mithalten", sagt Reis.

Allerdings sei auch der Bauernverband Teil des Problems. "Der ist wie der Wolf im Schafspelz. Er vertritt nicht uns Milcherzeuger, sondern ist ein Industrieverband", meint die BDM-Vorsitzende Reis. So sei es bezeichnend gewesen, dass in Berlin zum Milchgipfel nur der Bauernverband und nicht der BDM mit am Tisch saß. Auch die Molkereien hätten ein anderes Interesse: Diese wollten ihre Fabriken mit einem möglichst billigen Rohstoff auslasten. "Wir sitzen eben nicht alle in einem Boot", formuliert es Fuchs.

Doch keiner der Bauern will daran denken, als letzte Alternative die Milchwirtschaft ganz aufzugeben. "Wenn man einen Hof schon über Jahrzehnte in der Familie führt, kann man nicht von heute auf morgen zusperren", sagt die Glonner Bäuerin Sigl. Außerdem sei auch der Verkaufspreis einer Kuh als Zuchtvieh kaum noch rentabel. Manche befürchten langfristige Konsequenzen für die ganze Gesellschaft, wenn die Situation der Landwirte noch prekärer wird. Ein altes Sprichwort lautet: "Geht's den Bauern gut, geht's dem Land gut."

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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