EBE-Jazz:Kollektives Grooven

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Das Ebersberger Festival geht in die vierte Runde und strahlt mit seinem Mix aus Kultfiguren des Jazz, zeitgenössischen Fixsternen und Nachwuchstalenten weit über die Grenzen der Region hinaus.

Von Anja Blum

Ebersbergs Bürgermeister ist ein Paradebeispiel. Für jene Menschen, die das Jazzfestival "EBE-Jazz" gerne erreichen möchte: Nicht nur eingefleischte Fans nämlich, sondern auch Musikliebhaber anderer Genres. Die es schätzen, mal über den Tellerrand hinauszuhören und sich in netter Gesellschaft auszutauschen. So wie eben Uli Proske, der im Programmheft unumwunden zugibt, zwar seine Platten exzessiv und lautstark abzuspielen, von Jazz aber keine Ahnung zu haben. "Klar, ich hätte jemanden bitten können, mir ein superschlaues Jazz-Vorwort zu schreiben, mit fundiertem Insiderwissen. Aber ehrlich, ich hätte viel zu viel Angst, dass jemand bei einem Jazzabend mit mir fachsimpeln möchte und mich entlarvt." Trotzdem werde er das Festival besuchen und genießen - "live, mit einem kühlen Bier und coolem Groove!"

Ja, "Jazz für alle" - so lautet auch diesmal wieder das Motto der Macher. Es ist die bereits vierte Ausgabe eines Festivals, dessen Erfolgskurve von Anfang an steil nach oben ging. Das mit einer familiären Atmosphäre genauso punktet wie mit stilistischer Vielfalt und außergewöhnlichen Acts. Nicht ein spezielles Thema steht hier im Vordergrund, sondern der Jazz in all seinen Schattierungen. Erneut ist es dem Ebersberger Team gelungen, einen spannenden Mix zusammenzustellen - "von Legenden über Fixsterne des zeitgenössischen Jazz bis hin zu abenteuerlustigen Newcomern". Und dem Publikum obendrein ein Programm zu bieten, das die Grenzen des Genres sprengt und es auch aus ungewohnten Blickwinkeln beleuchtet: Geboten sind ein Jazz-Talk, eine Lesung mit Musik, zwei Filmabende, eine Ausstellung, Workshops und auch wieder ein Konzert für Kinder. "Uns ist es einfach sehr wichtig, mit besonderen Formaten Aufmerksamkeit zu erregen - und wir werden immer besser", sagt Frank Haschler, Sprecher der IG Jazz.

Außerdem freue man sich über die zunehmend weitreichende Resonanz: "Wir sind mittlerweile ein Pfeiler in der Jazzlandschaft, im Landkreis, in Bayern und darüber hinaus", sagt er, "das merken wir auch an den vielen Anfragen." Von Künstlern, Agenturen, Verbänden und sogar von Konkurrenten. "Andere Veranstalter wollen wissen, was wir machen, und ob man sich nicht zusammentun könnte." Ein wichtiger Partner sei auch der Bayerische Rundfunk. Dessen Klassiksender nimmt heuer drei Konzerte auf und zeichnet zudem erstmals für die Moderation eines Jazz-Talks verantwortlich.

Jetzt schon in Ebersberg zu sehen: eine neue Doku über die legendäre Sängerin Billie Holiday. (Foto: Veranstalter)

Womit wir schon beim zweiten diesjährigen Partner der IG wären: Das international profilierte Label Enja Records aus München feiert 2021 sein 50-jähriges Bestehen - unter anderem in Ebersberg. Das beschert dem Festival diverse Höhepunkte. Die beiden Label-Macher Matthias Wincklmann und Werner Aldinger geben im Gespräch Einblick in die Geschichte der Plattenfirma, es gibt eine Ausstellung mit Covern und eine Star-Night mit Enja-Musikern: Zum ersten Mal treffen das Trio der deutschen Pianistin Anke Helfrich, der Weilheimer Saxofonist Johannes Enders und der legendäre Trompeter und Flügelhornist Franco Ambrosetti aus der Schweiz in dieser Formation auf der Bühne zusammen.

Doch natürlich bestimmt die Pandemie auch das Programm dieses Ebersberger Festivals. "Wir haben viel mit uns gerungen", sagt Haschler, um für diese außergewöhnlichen Zeiten die passende Form zu finden. Letztlich entschied sich die IG für eine "überschaubare Planung mit minimalem Risiko": Neun Tage, sieben Locations in Ebersberg und Grafing, 17 Acts - das sind die Eckdaten von EBE-Jazz 2021. Etwas weniger von allem also. Außerdem fokussierte man sich diesmal auf Gäste aus Europa - was musikalisch nicht weniger spannend sei und zugleich Aufwand, Kosten sowie CO² gespart habe, erklärt Haschler. Einzige Ausnahmen: Die amerikanische Sängerin Sheila Jordan, aber die sei ohnehin schon auf Tournee, und der südafrikanische Bassist Schalk Joubert, der nicht nur ein Konzert, sondern auch einen Workshop geben wird. "Und der war es uns einfach wert." Seine Einreise zu ermöglichen, sei allerdings alles andere als einfach gewesen - trotz vollständiger Impfung. "Wir mussten zahllose Emails an die Botschaft in Kapstadt schreiben, alles nachweisen und sämtliche Garantien geben", so der Festivalsprecher.

Maximale Sicherheit für alle Beteiligten, das sei das Gebot der Stunde, sagt Haschler, und man habe an allen Spielstätten entsprechende Modi gefunden. Im Alten Speicher und im Alten Kino, wo die meisten Veranstaltungen über die Bühne gehen, gilt wie überall die 3-G-Regelung, darüber hinaus haben die Verantwortlichen sich entschieden, die Säle nicht voll auszulasten. Denn in diesem Fall müsste auch am Platz Mund-Nasen-Schutz getragen werden. "Wir reduzieren lieber die Zuschauer - und lassen dafür die Maske weg", erklärt Hausherr Markus Bachmeier. Mit Abständen fasse der kleinere Saal dann etwa 60, der größere rund 200 Gäste, je nach Buchungsverhalten. Wer trotzdem Angst hat, ein Livekonzert zu besuchen, dem werden drei hybride Abende mit Stream über Altes-Kino-TV geboten.

Sehr stolz sind die Festivalmacher auch darauf, - dank solider Finanzierung aus öffentlicher Förderung, treuen Sponsoren wie der Kreissparkasse und Ticketverkauf - wieder "vergleichsweise moderate Preise" anbieten zu können. Die großen Konzerte kosten 25 Euro, für Rentner/Schwerbehinderte 23 Euro und für Schüler/Studenten 17 Euro. Die zweite Kategorie kostet 22/20/17 Euro, die dritte 15/13/7 Euro. Sogar einige kostenlose Veranstaltungen gibt es. Und wer sich über Termine und Geld gar keine Gedanken machen will, der kann sich für 120 Euro einen Festivalpass zulegen. Er ermöglicht den Eintritt zu allen Veranstaltungen und ist übertragbar.

Eintritt frei heißt es auch bei den Jam-Sessions, die von Dienstag, 12. Oktober, jeden späten Abend im Artesano stattfinden. "Darüber, dass das trotz Corona möglich ist, freuen wir uns sehr", sagt Haschler, denn erstens sei die Improvisation untrennbar mit dem Wesen des Jazz verbunden, und zweitens könne man da oft eine "grandiose Vermischung" von lokalen Musikern und den Stars des Festivals erleben. Geleitet werden die Sessions von Bassist Martin Zenker, gebürtiger Kirchseeoner, aber international gefragt. Er präsentiert unter anderem die mongolische Sängerin Future (aka Buren Ireedui), die in München studiert und als neues Megatalent gilt. Und das Ziel von alldem steht jetzt schon fest: "kollektives Grooven" im Landkreis Ebersberg.

© SZ vom 25.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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