E-Bikes aus Baiern:"Wir können alles, nur nicht günstig"

E-Bikes aus Baiern: Oliver Arlt und seine Kollegen versuchen, jeden Kundenwunsch zu erfüllen. Die Teile lässt das Unternehmen möglichst in Europa produzieren.

Oliver Arlt und seine Kollegen versuchen, jeden Kundenwunsch zu erfüllen. Die Teile lässt das Unternehmen möglichst in Europa produzieren.

(Foto: © Christian Endt)

Nachhaltig, edel und hochpreisig: Die kleine Manufaktur Electrolyte produziert E-Bikes nach Maß. Das bisher teuerste Exemplar wurde für 25 000 Euro verkauft.

Von Jonas Braun, Baiern

Die Fahrradmanufaktur Electrolyte liegt inmitten von Wäldern und Wiesen in dem kleinen Örtchen Piusheim, direkt hinter dem Ortsschild. Gegenüber der großen Holztür, die ins Innere führt, plätschert ein Bach, weiter hinten grasen Ziegen und Schafe. Wenn man durch die Tür geht, steht man im Showroom. Hier sind Prototypen und Kassenschlager der Firma neben einer großen Fensterwand aufgebaut, stylisch lackierte Elektrofahrräder in den verschiedensten Ausführungen. Das ist nämlich das Erfolgsrezept von Electrolyte: individuell gestaltete, handgemachte E-Bikes, ganz nach Kundenwunsch.

"Alles begann mit diesem Prototyp", sagt Oliver Arlt, der seit 2014 bei der Firma tätig ist, und meint den sogenannten "Vorradler". Dieser wurde von Design-Studenten der TU München gemeinsam mit Firmengründer Matthias Blümel noch vor dem Boom der Elektrofahrräder entwickelt, woraus dann die Idee für das Unternehmen entstand.

Der enorme Schritt, den Elektrofahrräder in den vergangenen Jahren gemacht haben, ist nicht zu leugnen. Laut einer Studie des Energieanbieters Eon von 2020 besitzen mittlerweile mehr als 15 Prozent der Deutschen ein E-Bike. "Wir verkaufen jährlich circa 300 bis 500 Räder. Es werden aber jedes Jahr mehr", erzählt Arlt, der für Marketing und Vertrieb zuständig ist. Vier Mitarbeiter hat das Unternehmen, wenn aber große Projekte anstehen, dann können es auch mal mehr sein.

In dem großen Gebäude gibt es eine vermietbare Entwicklungswerkstatt für kleinere Fahrrad-Firmen, und auch sonst setzt Electrolyte viel auf Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. "Wir versuchen so viel wie möglich lokal und in Europa produzieren zu lassen", sagt Arlt, das funktioniere aber leider nicht immer. Die Rahmen werden bei der befreundeten Firma Duratec in Tschechien geschweißt, die Bremsen kommen aber zum Beispiel aus Japan. Er zuckt mit den Schultern: "Man muss jetzt nicht noch extra die Bremse neu erfinden. Manche Sachen muss man einfach auslagern." Da herrschen zurzeit Lieferengpässe. Die Nachfrage nach Elektrorädern ist so hoch, dass viele Kleinteilhersteller in Asien mit dem Produzieren nicht mehr hinterherkommen.

Bei Electrolyte werden dann alle Einzelteile von Hand individuell zusammengebaut. Bei jedem Kundenwunsch wird diskutiert, wie machbar die Idee ist. "Da gab es schon irre Sachen", erzählt Arlt, "Über manches darf man gar nicht reden." Ein Jachtbesitzer wollte ein klappbares Fahrrad für sein Boot, allerdings greift Salzwasser das Aluminium der Klappräder an. Deshalb musste ein anderes Material her, das ließ sich dann aber nicht mehr einklappen. Die Lösung: ein am Rahmen teilbares Rad. Ein anderer Kunde wollte ein Rad ganz ohne Antrieb und es nur als Kunstobjekt ausstellen, da er den Rahmen so schön fand. "Wir versuchen jeden Kundenwunsch möglich zu machen. Wir können eigentlich alles, nur nicht günstig", sagt der 42-Jährige.

Die Kunden der Firma lassen für die Räder einiges springen, bei Maßanfertigungen komme man eigentlich immer in den fünfstelligen Bereich. "Das teuerste Rad, das wir bis jetzt verkauft haben, kostete 25 000 Euro", erzählt Arlt. Die Sonderanfertigung bestand aus Titan und Carbon. "Es handelt sich hier um Liebhaberei", ergänzt er. Ab einem gewissen Preis gehe es nicht mehr darum, dass es sich lohnt, sondern, dass sich die Leute damit verwirklichen. Deswegen sei Electrolyte auch immer auf Lifestyle-Messen sehr erfolgreich. Oliver Arlt zieht den Vergleich zu einem Ferrari: "Ein ähnliches, billigeres Auto würde es ja auch tun, aber die Leute wollen dann halt doch den Ferrari."

Unten neben dem Showroom befindet sich noch eine Werkstatt, wenn man einer Treppe nach oben folgt, wird man in den Büroräumen schwanzwedelnd von Bürohund Oscar begrüßt. In den ersten Tagen der Firma wurde noch auf dem Dachboden der Oma von Matthias Blümel an den Rädern herumgeschraubt, nun besitzt Electrolyte zwei Gebäude für die Produktion und liefert in die ganze Welt. Man wolle auch nicht weg aus der Gegend, da ist sich Arlt sicher. "Das passt zu uns", sagt er, "Außerdem, wenn jemand hier ein Rad Probe fährt und dann ringsum noch die Landschaft sieht, dann kauft er das Rad auch."

Das Image der Rentner auf E-Bikes ist noch in vielen Köpfen verankert, nur 7,2 Prozent der E-Bike-Besitzer in Deutschland sind zwischen 18 und 29 Jahren alt. Dieses Bild könne man auch nicht so leicht abschütteln. "Unsere Zielgruppe ist über 50", sagt Arlt. Die Firma tue viel, die zu verjüngen, allerdings sei bei jungen Menschen meist nicht der Wille da, so viel Geld für ein Fahrrad mit Elektroantrieb zu zahlen. "Es ist nie zu früh, um mit dem Spaß anzufangen", schwärmt er, selbst besitzt er ein S-Pedelec, mit dem er zur Arbeit fährt, wenn Hund Oscar mal daheimbleibt. S-Pedelecs sind ähnlich zu herkömmlichen E-Bikes, nur fahren sie bis zu 45 Stundenkilometer und brauchen dementsprechend eine Versicherung und dürfen nicht mehr auf Radwegen fahren. Außerdem gilt eine Helmpflicht.

Für die Firma seien S-Pedelecs, trotz positiver Vorhersagen, aber kein großes Thema. "Auf der Straße macht es keinen Spaß. Man schwimmt mit dem Verkehr mit und wird oft abgedrängt", Pedelecs seien einfach noch nicht ganz angekommen. Electrolyte setzt vor allem auf Innovation. Oliver Arlt zeigt stolz die eigene Erfindung der Firma, die sogenannte Einarmschwinge. Das ist ein Akku, der das Vorderrad mit dem Lenker verbindet. Den habe sich die Firma patentieren lassen, sagt er. Auch sonst sei man immer offen, neue Sachen auszuprobieren. "Die Elektrofahrradindustrie wird in den nächsten Jahren immer mehr wachsen und die Leute werden auch immer bereiter, mehr Geld für die Räder auszugeben", davon ist Arlt überzeugt. Man müsse aber die Radinfrastruktur ausbauen, um das Fahrrad als Fortbewegungsmittel auch mehr in die Städte zu bringen. "Das Einzige, was am Fahrradfahren nervt, ist doch, dass man bei Regen nass wird", sagt er und lacht.

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Pressebilder: Salzkammergut: https://presseservice.salzkammergut.at/bilder.html?show=bilder&album=10&category=7302&parent=6739&itemsPerPage=21&sort=f_date&order=desc&view=thumbs&page=2

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