Süddeutsche Zeitung

Dreharbeiten:Schlacht im Schlamm

Bei den Dreharbeiten zum Film "In our country" von Louisa Wagener mit Kabarettist Michael Altinger als Coach spielen Fußballträume und aufgeschminkter Schmutz eine wichtige Rolle

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Dass Fußballspieler von außer Rand und Band geratenen Fans mit - auch verbalem - Dreck beworfen werden, ist keine Seltenheit. Vergangenen Sonntagnachmittag, bei den Dreharbeiten zum Kurzfilm "In our country" von Louisa Wagener auf dem Rasen neben dem Ebersberger Volksfestplatz, spielt Kostümbildnerin Silke Schmelzer die Rolle der Dreckschleuder. Mit nasser Erde beschmiert sie Hemden, Waden und Schuhe der Kicker. Bald sehen die leuchtend roten Trikots mit der Aufschrift "FöFun" so aus, als müsste man sie sofort in die Waschmaschine stopfen. "Einmatschen" heißt das im Filmdeutsch.

Einige der Fußballspieler werfen sich zu Boden, ausgelassen wie Kinder, die endlich die Erlaubnis bekommen haben, im Matsch herumzutollen. Unter die Achseln der Spieler sprüht die junge Frau Wasser. Schließlich hat in der Logik des Drehbuchs die Ebersberger Jugendmannschaft soeben eine katastrophale erste Halbzeit gegen die Grafinger Konkurrenz gespielt und liegt mit Null zu Eins im Rückstand. Da darf man schon mal schmutzig und verschwitzt aus der Wäsche schauen.

Die 23-jährige Ebersbergerin Louisa Wagener, die an der Hochschule Macromedia in München Regie studiert, dreht den Spielfilm als Abschlussarbeit. Locations wie Egglburger See, Aussichtsturm, Rathaus und Kirche sind schon "im Kasten", sozusagen als "Establisher", wie Aufnahmeleiter Till Gombert Einstellungen nennt, welche die Handlung verorten. Die Szenen in der Wüste sollen auf Fuerteventura entstehen. Produziert wird "In our country" von Saskia Hahn in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk und der Firma Mingamedia Entertainment.

Erzählt wird darin die Geschichte des 17-jährigen Eritreers Teklebrahan, kurz "Tekle", der auf der Flucht nach Europa in der libyschen Wüste seinen todkranken Bruder zurücklassen muss. In Deutschland angekommen, will er den Traum des Bruders, ein Fußballstar wie Jerome Boateng zu werden, verwirklichen. Bald übt er im Ebersberger Team Pässe und Torschüsse. Er erfährt Ablehnung, aber auch Freundschaft. Bald wird ihm klar, dass er nicht zum Starfußballer geboren ist. Tekles Weg zur Selbstfindung verändert auch das Selbstverständnis anderer Spieler.

Zunächst aber muss der Drehplan für den Tag kurzfristig geändert werden, denn Hauptdarsteller Alexes Feelmo, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebt und den "Tekle", spielt, hat sich gleich am ersten Drehtag eine Muskelzerrung zugezogen. "Der muss sich jetzt schonen", sagt Till Gombert. So ganz wisse man noch nicht, wie man das Problem lösen werde.

Die Szene in der Kabine, wo sich die Kicker den "Anschiss" ihres Trainers anhören müssen, aber steht. Der Coach heißt Franz, ist 50 Jahre alt, Ebersberger von Geburt und aus Überzeugung, und hat nur eines im Sinn: Nur nicht gegen den Erzfeind Grafing verlieren. Gespielt wird er von dem Kabarettisten Michael Altinger. Der hat, anders als Franz, ein weiches Herz und warnt kurz vor der Probe die jungen Darsteller: "Nicht zusammenzucken, ich schrei jetzt gleich." Was er dann postwendend tut. "An Haufen Schlaftabletten seid's", schimpft Franz, "jetzt geht's naus und haut's es (die Grafinger) weg!"

Altinger, der - beinahe - auch ein echter Ebersberger ist, kam, wie er erzählt, "über meinen Friseur" zu der Rolle. "Man spielte mir das Drehbuch zu, der Friseur gab es meinem Sohn, der sollte es mir bringen", berichtet Altinger. "Die Geschichte war mir sympathisch." Die Zusage sei ihm allein schon deshalb leicht gefallen, erzählt der Kabarettist, weil er selber sehr fußballaffin sei. "Ich bin Sechziger-Fan, habe eine aktive Karriere in der E-Jugend beim TSV Wasserburg hinter mir und habe bei den alten Hasen gespielt, ehe ich in Trainingsrückstand geriet, die Altersstarre im Körper halt!" Er lacht.

Das "Alter" hält ihn jedoch nicht davon ab, weiterhin auf den Fußballplatz zu gehen - seiner Söhne wegen. "Eiselfing (wo er wohnt) gegen Wasserburg, das ist echte Rivalität, etwa so wie Ebersberg gegen Grafing." Für die Figur des bodenständigen Coach bringt er also alle notwendigen Voraussetzungen mit. "Als Trainer im Film denke ich sehr sportlich, mir geht es vor allem darum, dass wir gegen Grafing gewinnen." Beim Üben des Textes, so Altinger, müsse er sich allerdings zusammenreißen, um nicht zu übertreiben, nicht zu komödiantisch zu wirken, wie es ihm als Kabarettist in Fleisch und Blut übergegangen ist. "Dieser Film ist schließlich eine seriöse und ernste Geschichte."

Regisseurin Louisa Wagener ist mit der Szene in der Kabine noch nicht zufrieden. "Ihr reagiert zu spät", sagt sie zu den Spielern. Zu spät, um hinreichend geknickt zu wirken. Wer so zusammengestaucht werde wie hier vom Trainer, der schaue frustriert und beschämt zu Boden. Außerdem muss noch der Matsch "drehfertig gemacht", das heißt sichtbar auf dem Boden verteilt werden. Wie ein Profi achtet sie auf jedes Detail.

Ihr zur Seite steht ein Team aus jungen Leuten, die mit Leidenschaft bei der Sache sind: Regie-Assistent Tolga Ulas, die Kamerafrau Ute Bolmer, Produktionsassistentin Lea Nöring, die gerade Plastikschüsseln mit Nudeln und Tomatensauce füllt. "Essen ist bei einem Dreh ganz wichtig", sagt sie. Auch Louisa Wageners Eltern sind dabei. Vater Christoph Wagener werde eine tragende Rolle übernehmen, wie er erzählt: als Würstchenverkäufer! Und da sind dann noch die Spieler des TSV Ebersberg, die gerade recht erfolgreich gegen Waging kickten, aber eine Pleite gegen den SC Kirchheim einfuhren.

Auch einige bekannte Schauspieler stehen neben Altinger auf der Besetzungsliste: Joseph Hannesschläger etwa, der Kriminalhauptkommissar aus den "Rosenheim-Cops", spielt den Leiter der Jugendhilfeunterkunft und Tekles Betreuer. Ferdinand Hofer, seit 2014 Dritter im Münchner Tatort-Team, mimt den Daniel, einen lustigen und lockeren Burschen vom Land. Nick Romeo Reimann, bekannt geworden durch die "Wilden Kerle", hat den Part des "Cosimo" übernommen, eines ruppigen Maulhelden. Toto Knoblauch spielt Tekles Freund Anton, auch er hat Film- und Theatererfahrung.

Oft weiß Anton sein Können und die kleinen Dinge des Lebens nicht zu schätzen, heißt es über seine Rolle im Exposé. Louisa Wagener sagt: "Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die uns helfen, die großen Probleme dieser Welt zu überstehen." Und manchmal ist es ein kleiner Film, der hilft.

Der Film "In our country" wird im Herbst ausgestrahlt. Für den Dreh des Spiels Ebersberg gegen Grafing am Wochenende, 9. und 10. April, von 9 Uhr früh an, im Waldparkstadion Ebersberg werden noch Komparsen, auch ältere, für die Tribüne gesucht. Wer Interesse hat, kann sich unter der Mail-Adresse tolga.ulas@mhmk.de anmelden.

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Quelle:
SZ vom 06.04.2016
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