Advent im Landkreis:Auf Mission mit roter Robe und Rauschebart

Nikolaus Klaus Scheuer 60jähriges Dienstjubiläum.

In seiner Rolle als Nikolaus legt Klaus Scheuer viel Wert auf Tradition. Nur beim Fortbewegungsmittel macht er eine Ausnahme. Die beiden Engel Hannah (links) und Nelly werden es ihm danken, schließlich ist es im Auto dann doch wärmer als auf dem Schlitten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit 60 Jahren schlüpft Klaus Scheuer in die Rolle des Heiligen Mannes. Er ist alljährlich im Landkreis Ebersberg mit zwei Engeln unterwegs, aber einen Krampus würde er niemals mitnehmen.

Von Andreas Junkmann, Grafing

"Mein Weg war weit und mühevoll", sagt Klaus Scheuer im Grafinger Pfarrheim. Die Teilnehmer am Seniorentreff haben einen Stuhlkreis um ihn herum gebildet und hören ehrfürchtig zu. Scheuer steht in der Mitte, neben ihm seine beiden Engel Nelly und Hannah. Heute ist der 78-Jährige wieder einmal nicht er selbst - sondern der heilige Nikolaus. Manchmal mühevoll, vor allem aber weit war der Weg, den Scheuer in dieser Rolle zurückgelegt hat. Jahr für Jahr schlüpft der gebürtige Grafinger in seinen roten Umhang, klebt den weißen Rauschebart an und setzt sich die Bischofsmütze auf. Heuer feiert er sein 60. Jubiläum.

Sieht man Klaus Scheuer dagegen auf seinem Sofa im Wohnzimmer sitzen, erinnert er so gar nicht an den Nikolaus. Kurze graue Haare, runder Kopf und glattrasiert. Eines hat der gelernte Konditor im echten Leben aber dann doch mit dem heiligen Bischof aus Myra gemeinsam. Dieses milde und gütige Lächeln, das immer dann über sein Gesicht huscht, wenn er an die vielen Erlebnisse als Nikolaus zurückdenkt. In 60 Dienstjahren ist da einiges zusammengekommen.

"Ich hätte ein Buch darüber schreiben sollen", sagt Scheuer. Aber auch ohne Buch sprudeln die Erinnerungen nur so aus ihm heraus. Etwa wie alles angefangen hat, damals im Winter 1958. "Unsere Nachbarsfamilie hatte einen kleinen Bub. Der Papa hat mich gefragt, ob ich nicht mal den Nikolaus machen könnte", erzählt er. Also hat sich der damals 18-Jährige im benachbarten Pfarrheim ein ausrangiertes Priestergewand geholt und losgelegt. "Das hat mir so gut gefallen, dass ich dabei hängen geblieben bin."

Heute hat Klaus Scheuer längst sein eigenes handgeschneidertes Nikolausgewand und ist damit in Grafing bekannt wie ein bunter Hund. "Werbung brauche ich keine mehr machen", sagt er und schmunzelt. Inzwischen müsse er sogar Anfragen ablehnen. Etwa 30 Familien und eine Handvoll Vereine besucht Scheuer jeden Winter - ein straffes Programm für den Rentner, der sich alle Termine in einem Schulheft genau notiert. Pro Besuch sind etwa 15 Minuten eingeplant. Damit alles möglichst schnell geht, ist Scheuer seit einigen Jahren mit Chauffeur Andreas Heidenreich unterwegs. "Wir sind ein eingespieltes Team", sagt er.

Mit im Auto sitzen traditionell auch zwei Engel, die alle paar Jahre wechseln. "Sie sollen ja kindlich aussehen und nicht zu groß sein." Seine Engel sucht sich Scheuer bei den Nikolausbesuchen selbst aus. "Da schaue ich, ob jemand dabei ist, der das machen mag." Wer im Team dagegen fehlt, ist ein Krampus. "Der ist für mich tabu!" Und das hat einen Grund: Als Scheuer etwa acht Jahre alt war, haben sich Buben aus der Nachbarschaft einen makabren Scherz erlaubt und sind am Nikolausabend als Krampus und Teufel verkleidet in das Haus der Familie gestürmt. "Meine Schwester haben sie unterm Tisch rausgezogen. Wir haben wahnsinnige Angst gehabt und am ganzen Körper gezittert", erzählt Scheuer. Mit einem Krampus wolle er deshalb nichts mehr zu tun haben.

Nikolaus Klaus Scheuer 60jähriges Dienstjubiläum.

Gage verlangt Klaus Scheuer nicht. Er nimmt, was er zugesteckt bekommt.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

In seiner Zeit als Nikolaus hat Scheuer den bösen Begleiter bisher auch nicht vermisst. Die Kinder seien eigentlich alle brav und respektvoll gewesen. Und auch Scheuer selbst bezeichnet sich als "sehr milden und besinnlichen Nikolaus". Obwohl zu seinen Aufgaben natürlich auch das Tadeln gehöre, wolle er bei seinen Besuchen lieber "angenehme Sachen erzählen". Für die Erwachsenen hat Scheuer deshalb auch immer ein weihnachtliches Gedicht parat.

Wer seit 60 Jahren als Heiliger Nikolaus unterwegs ist, hat einiges erlebt. An zwei Ereignisse denkt Scheuer heute aber besonders gerne zurück. Das erste spielt im Jahr 1974, als in München kurz vor Weihnachten der Nikolausdarsteller zurückgetreten ist. "München ohne Nikolaus, das geht nicht", dachte sich dessen Grafinger Kollege und hat sich kurzerhand bei der Landeshauptstadt als Ersatz angeboten.

Mit Fackeln lief er auf den Wendelstein

Und so kam es, dass Klaus Scheuer zusammen mit dem damaligen Oberbürgermeister Georg Kronawitter den Christkindlmarkt am Marienplatz eröffnen und vier Wochen lang dort Süßigkeiten verteilen durfte. "Das war ein Erlebnis!" Auch der zweite Höhepunkt seiner Nikolauskarriere geht Scheuer sehr nahe. Ein Hundeverein hatte ihn für eine Weihnachtsfeier oben auf dem Wendelstein gebucht. "Zusammen mit meinen Engeln und den Kindern der Vereinsmitglieder sind wir dann im Fackellicht von der Wendelsteinkirche zur Wirtschaft gezogen. Das war einfach wunderschön", erzählt Scheuer. Er hat dabei Tränen in den Augen.

Für Scheuer ist der Nikolaus-Job weit mehr als eine Maskerade zur Weihnachtszeit. Es ist seine Leidenschaft, sein Leben. Deshalb hat er auch keinen festen Preis, sondern nimmt das, was ihm bei den Besuchen zugesteckt wird. "Die Leute sollen selbst entscheiden, was es ihnen wert ist." Viel komme dabei allerdings nicht zusammen.

Das kümmert Scheuer aber nicht. Sein Lohn sind die strahlenden Kinderaugen, wenn er mit roter Robe und Rauschebart in der warmen Stube steht und aus seinem goldenen Buch vorträgt. Ans Aufhören denkt er deshalb auch nach 60 Jahren noch nicht. Solange die Nachfrage da sei, wolle er weitermachen. Aber natürlich spiele auch die Gesundheit eine Rolle. Doch das hat selbst der Nikolaus nicht in der eigenen Hand. "Das", sagt Scheuer und blickt zur Zimmerdecke, "das wird von ganz oben gesteuert."

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