Dokumentation "Zeitreise München":Liebevoller Rückblick

Dokumentation "Zeitreise München": Self-Made-Filmer Klaus Bichlmeier erzählt im Alten Kino selbst einige Anekdoten rund um seine Dokumentation "Zeitreise München".

Self-Made-Filmer Klaus Bichlmeier erzählt im Alten Kino selbst einige Anekdoten rund um seine Dokumentation "Zeitreise München".

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Klaus Bichlmeier erfreut das Publikum im Alten Kino mit seiner etwas altmodischen, aber sehr unterhaltsamen und interessanten Dokumentation "Zeitreise München".

Von Anja Blum, Ebersberg

Im Schweinsgalopp, mit Tempo und Witz, ist es am Freitagabend bei einem "Kino spezial" in Ebersberg durch die Jahrhunderte gegangen. Zu Gast war der Münchner Filmer Klaus Bichlmeier mit seiner Dokumentation "Zeitreise München", in der die Geschichte der Landeshauptstadt, von der ersten Besiedelung durch die Bajuwaren bis zur Neuauflage der Oiden Wiesn, geschildert wird. Zur Aufführung im Alten Kino kam es auch deshalb, weil der Film, der Ende 2011 Premiere feierte, in Vaterstetten entstanden ist.

Von dort nämlich stammen zwei der Protagonisten der Doku, die Rentnerin Ursula Paus, in deren Haus sich Bichlmeier Produktionsbüro und Schneideraum eingerichtet hatte, und der Abenteuerreisende Schorsch Kirner. "Der älteste Mann, der zu Fuß sowohl am Nord- als auch am Südpol war", kündigt Bichlmeier seinen Freund an. Der Baldhamer betritt die Bühne, erzählt eine kleine Anekdote - nämlich wie er einmal beim Großmarkt um eine Übernachtung im Kühlhaus gebeten und damit für einige Verwirrung gesorgt habe - und verschwindet dann wieder im Dunkel des voll besetzten Saals. Im Film berichtet Kirner jedoch nicht von seinen Abenteuern, sondern von seiner Kindheit in der Nachkriegszeit. Etwa wie sein Vater als Totengräber sehr oft Särge hin und her transportiert habe, auffällig oft. Viel öfter, als es Beerdigungen gab. Grund war die Hungersnot, "denn da waren keine Leichen drin, sondern schwarz geschlachtete Schweine".

Solche Geschichten sind es, die Bichlmeier gesucht hat, denn er weiß, dass sie eine Dokumentation zu etwas Besonderem machen. "Man muss nur in der richtigen Wirtschaft sitzen, dann erfährt man, was wirklich passiert ist", sagt er und verspricht: "So haben Sie München noch nie gesehen." Und er behält Recht, denn bei dem Self-Made-Filmer kommt die Heimatkunde wirklich unterhaltsam und lebendig daher. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass der Film in mehrere Sequenzen unterteilt ist, und Bichlmeier zwischendrin sein Werk kommentiert und erläutert.

In großen Bögen schildert die Dokumentation die Vergangenheit, die Entstehung der Schotterebene, die Gründe für die schnell wachsende Besiedelung, die Zeit der Epidemien, den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen, das Wirtschaftswunder und die Olympischen Spiele. Doch manchmal drosselt Bichlmeier das Tempo auch: Ausführlich schildert er etwa den Sieg über die Cholera durch den "Scheißhausapostel" Max Josef von Pettenkofer, der mit der ersten Münchner Kanalisation endlich für Hygiene sorgte. "Hier sieht man ganz genau, wie eine Mutter Wasser aus einem Brunnen schöpft, das direkt neben dem Abort einer Unterkunft für etwa 40 Tagelöhner liegt", erklärt Bichlmeier vor einem Standbild stehend. "Dass das nicht gut sein kann, hat Pettenkofer geahnt." Auch der Ziegelzeit, in sich der Wandel von Holz- auf Steinbauweise vollzog, und der Sendlinger Mordweihnacht widmet der Film jeweils große Kapitel.

Garniert ist der Überblick zudem mit vielen kleinen Bonmots, witzigen Anekdoten und markanten Details. So veranschaulicht Bichlmeier den Wandel unter anderem am Beispiel des Stachus': vom Hopfenanbaugebiet vor den Toren der Stadt über einen prunkvollen Flanierplatz bis hin zum kollabierenden Verkehrsknotenpunkt. An anderer Stelle erzählt er, dass bereits die Ziegelfabriken auf Arbeiter aus Italien zurückgriffen - die zu Fuß nach Bayern kamen. Oder warum Elvis unbedingt einmal nach München wollte, und warum die Polizei solche Angst vor den Beatles hatte. Stolz ist Bichlmeier auch darauf, einen Bestechungsskandal bei der Vergabe der Olympischen Spiele aufgedeckt zu haben: Im Film erzählt Ex-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel davon.

Nicht weniger liebevoll als der Inhalt ist die Form des Films gestaltet: Wo ihm optisches Material fehlte, etwa bei geologischen Themen, hat Bichlmeier kurzerhand selbst Zeichnungen und Modelle angefertigt. Ansonsten arbeitet er viel mit aussagekräftigen historischen Gemälden und Fotos, Veränderungen werden mit Überblendungen verdeutlicht. Aktuelle Aufnahmen von Originalschauplätzen oder Interviewpartnern sind auch zu sehen, aber eher selten, computersimulierte Sequenzen fehlen gänzlich. Damit bleibt die Dokumentation weit hinter den heutigen Möglichkeiten zurück - doch ihr Unterhaltungs- und Informationswert wird dadurch nicht geschmälert. "Zeitreise München" ist auf eine höchst charmante Weise altmodisch.

Am Sonntag, 12. April, um 11 Uhr ist "Zeitreise München" im KIM-Kino in München zu sehen. Reservierung per Mail an info@a-1-filmtechnik.de. oder (089) 63 28 68 06.

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