Der Umgang mit Mohammed-Karikaturen, die Ausbildung von deutschsprachigen Imaminnen und Imamen, der Einfluss der türkischen Regierung auf muslimische Gemeinden in Deutschland: Halil Demir, Vorsitzender der Ditib Türkisch-Islamischen Gemeinde in Markt Schwaben, und Aykan Inan, Geschäftsführer des Ditib-Landesverbands in Südbayern, sprechen im Interview darüber, wie sich aktuelle gesellschaftliche Debatten in der örtlichen Moscheegemeinde widerspiegeln, die rund 250 Gläubige zählt. Aykan Inan übersetzt hierbei teilweise für Halil Demir.
SZ: Wie erleben die Gemeindemitglieder das Zusammenleben mit den nicht-muslimischen Bewohnern der Stadt?
Halil Demir: Markt Schwaben ist ein friedlicher Ort, wo keine Zwischenfälle vorkommen. Ganz im Gegenteil: Zum Beispiel gab es bis zu diesem Jahr im Fastenmonat Ramadan immer ein Iftar-Essen, also das Fastenbrechen hier in der Moscheegemeinde, da hat man auch immer die Nachbarn hier eingeladen und man hat zusammen gegessen, getrunken, gequatscht. Die Moscheegemeinde ist froh und glücklich, in einer Stadt wie Markt Schwaben zu leben, weil es hier schön und friedlich ist. Man hat auch einen sehr guten Dialog mit den Kirchen und dem Rathaus hier und man besucht sich immer gegenseitig immer öfter.
Im Moment gibt es ausgehend von Frankreich eine internationale Debatte über Karikaturen, Pressefreiheit und Religion. Ist das auch hier in der Gemeinde ein Thema, beschäftigt das die Mitglieder?
Halil Demir: Die Leute sprechen darüber, zuhause oder in sozialen Medien, das ist eher die persönliche Ebene. In diese politischen Themen mischt sich die Moscheegemeinde nicht ein, das ist eine Ebene zu hoch. Wir können hier nur an den Respekt appellieren: Wir als Muslime respektieren alle Propheten, von Adam bis Mohammed, und wir erwarten von anderen, dass auch sie alle Propheten respektieren. Das heißt, es soll keine Beleidigungen gegenüber Propheten geben, weil es ja für uns ehrenwerte Personen sind, die das Wahre gezeigt haben und auch die Religion erklärt haben.
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Die Poinger danken allen, die das gesellschaftliche Leben in der Corona-Krise aufrechterhalten haben. Und solidarisieren sich mit einer bestimmten Gruppe.
In Frankreich wurde ein Lehrer, nachdem er Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, ermordet.
Halil Demir: Natürlich ist es schrecklich, wenn ein Mensch stirbt. Es wird dann auch immer betont, dass man keine Gewalt anwenden soll, dass man andere Leute nicht beleidigen soll, dass man andere nicht töten soll. Das steht auch im Koran: Wenn jemand einen Menschen tötet, ist es genauso schlecht, als wenn er die ganze Menschheit getötet hätte. Das ist eher die Ebene, wo wir diese Themen dann aufgreifen.
Bei der Islamkonferenz wurde über die Ausbildung von Imamen und die Sprache der Predigten debattiert. Ist das etwas, das hier in der Gemeinde diskutiert wird?
Aykan Inan: Das ist eher eine bundesweite Angelegenheit, die hier in der Gemeinde nicht viel besprochen wird. Aber ich kann es nur so sagen: Jede Gemeinde wünscht sich deutschsprachige Imame, weil wir auch nicht-türkische Mitglieder haben, die regelmäßig zur Moschee kommen, und weil unsere Kinder und Jugendlichen Deutsch viel besser als Türkisch verstehen. Deswegen wünscht man sich eigentlich schon deutschsprachige Imame, aber bisher gab es keine qualitativ hochwertige Imam-Ausbildung in Deutschland.
Welchen Weg geht die Ditib?
Aykan Inan: Eine Neuerung: Jugendliche, die in Deutschland Abitur gemacht haben und deutsche Staatsbürger sind, werden mittlerweile zum Theologiestudium in die Türkei geschickt und kommen nach fünf Jahren zurück als deutschsprachige Imame und Imaminnen. Zudem, das war Thema bei der Islamkonferenz, bietet die Ditib seit 2020 eine deutschsprachige Imam-Ausbildung an. Nach dem Theologiestudium kann man sich im Bildungswerk in Dahlem (NRW) zwei Jahre praktisch fortbilden lassen: Wie bete ich vor? Wie halte ich eine Predigt? Wie lehre ich den Koran?
Viele Imame des Ditib-Dachverbands werden vom türkischen Staat ausgebildet und finanziert - Kritiker befürchten, dass sich daraus eine politische Abhängigkeit von der türkischen Regierung ergibt. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Aykan Inan: Diese Sicht verstehen wir nicht, das ist zu kurzsichtig betrachtet. Das Vorurteil entsteht, weil es in der Türkei ein staatliches Amt für religiöse Angelegenheiten gibt, mit einem Theologen ohne parteipolitische Bindung an der Spitze. Das wird verwechselt mit einem religiösen Ministerium, das an die Regierungspartei gebunden ist. Weil es aber ein staatliches Amt ist, muss es ja irgendwo angegliedert sein im Staatsapparat. Bisher war es beim Ministerpräsidenten angebunden, aber seit diese Position abgeschafft wurde, ist das Amt für religiöse Angelegenheiten staatsrechtlich an den Präsidenten angegliedert. Daraus jetzt rückzuschließen, dass ein Staatspräsident durch sein Amt die Imame in der Türkei oder sogar in Deutschland kontrollieren kann, ist viel zu abwegig.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Aykan Inan: Die lokalen Moscheegemeinden haben ihr Eigenleben und eigene Interessen und setzen eigene Schwerpunkte. Das ist ein natürlicher Prozess, der selbstverständlich ist, wenn dutzende Familien und einzelne Menschen zusammenkommen und eine Gemeinde bilden. Den absoluten Großteil der Kosten tragen die Gemeinden selbst. So einfach kann man also Gemeinden nicht abhängig machen. Ich denke, man sollte das alles etwas nüchterner betrachten und die Geschichte der Ditib besser verstehen. Es wird vieles leider falsch interpretiert oder überspitzt. Und vieles ist wiederum in einem Reformprozess. Auf jeden Fall haben wir als Gemeinde immer etwas zu bieten und über unsere tatsächliche Arbeit vor Ort lohnt es sich zu sprechen.