Wenn auf die staatlichen Lernplattformen schon kein Verlass ist, dann muss man eben selbst tätig werden. Das dachte sich offenbar auch Sebastian Heininger, der für die Grundschule Baldham ein eigenes digitales Unterrichtsportal entwickelt hat. Schulleiterin Eva Hahn ist, wie sie selbst sagt, "durch die Bank weg glücklich" über die neue Lernplattform, die der Schülervater eigens für die Kommunikation zwischen Lehrern, Schülern und Eltern entworfen hat.
Von Beruf ist Sebastian Heininger Ingenieur, hat also grundsätzlich "was mit Technik am Hut", wie er sagt. Das Programmieren sei vor allem aber auch ein Hobby - und genau als solches ist das Projekt der Lernplattform für die Grundschule an der Brunnenstraße ursprünglich auch gestartet. Irgendwann sei das dann "ausgeartet", sagt Heininger. Man dürfe sich nicht dem Trugschluss hingeben, die Plattform sei einfach so über Nacht entstanden, wie Schulleiterin Eva Hahn erklärt. Die Umsetzung sei sehr aufwendig gewesen, und das gute Ergebnis sei auch dem großen Einsatz der Lehrkräfte zu verdanken. "Das war sehr viel Arbeit", sagt Hahn, "wir hatten auch am Wochenende Teamsitzungen."
Inzwischen kann man im Zusammenhang mit der Lernplattform wohl nicht mehr von einem "Hobby" sprechen, denn insgesamt sind rund 200 Stunden Arbeitszeit in die Entwicklung geflossen, so schätzt der IT-Profi - Absprachen und Problem-Besprechungen eingerechnet. Seit einer Woche sei die Plattform, die sich bereits seit März 2020 in der Entwicklung befindet, nun "fast optimiert", wie Heininger erzählt. "Kurz vor Weihnachten war noch mal ein harter Testlauf und in den letzten Wochen haben wir alles noch weiter verfeinert". Das sei ein langer Prozess gewesen, ergänzt Schulleiterin Hahn. Mit der Plattform traf Nachfrage auf Bedarf. Man könne sich das in etwa so verstellen: "Herr Heininger kam mit der Idee auf mich zu und erzählte: ,Ich hab da was' - und ich sagte natürlich sofort: ,Ich brauch sowas!'"
Denn im ersten Lockdown sei deutlich geworden, dass die bis dahin für Videokonferenzen verwendete Software der Schule, den Anforderungen nicht standhalten konnte: "Jitsi ist im Unterricht der Klasse meiner älteren Tochter immer zusammengebrochen", berichtet Heininger. Daraufhin habe er sich selbst einen Server für 20 Euro aus dem Internet angemietet und seine eigene Plattform darauf geladen. In der von Heininger konzipierten Plattform haben die Klassenleitungen nun einen eigenen Videokonferenzserver.
Für die Motivation der Schüler sei es außerdem sehr wichtig, dass sie für die Arbeitsaufträge der Lehrer auch zeitnah Rückmeldung bekommen. Für den einfachen Datenaustausch auf der neuen Plattform verwende die Schule "Next Cloud". So befänden sich alle Unterrichtsmaterialien an einer Stelle, seien leicht auffindbar und aufrufbar: "Für den einfachen Workflow", wie es Heininger beschreibt, "damit eine einfache Korrektur der Aufgaben möglich ist." Die Eltern machen einfach ein Foto oder einen Scan der Hausaufgaben ihrer Kinder und laden die Ergebnisse in das Open Source-Programm hoch. Über ein Zusatzprogramm könnten Fotos direkt in PDF-Dokumente umgewandelt werden, erläutert Heininger. Außerdem werden mit Hilfe einer Synchronisationsfunktion alle Ordner, die Dateien von Schülern enthalten, automatisch aufeinander abgestimmt. Die Eltern können dann in regelmäßigen Abständen die korrigierten Arbeiten ihrer Kinder einsehen.
Die Arbeit mit der Plattform sei dadurch sehr effizient und zudem eine enorme Arbeitserleichterung für die Lehrer, wie Eva Hahn sagt. In einem Fenster auf dem Startbildschirm der Plattform können die Lehrer PDF-Dateien zeigen oder ihren eigenen Bildschirm mit den Schülern teilen. Auch die Teilnahme der 280 Grundschüler am "virtuellen Klassenzimmer", der Videokonferenz, sei relativ gut. Ausländische Schüler, deren Eltern kaum oder gar kein Deutsch sprechen, könnten über die Notbetreuung der Grundschule auch über die Plattform unterrichtet werden, wie Hahn erzählt. Generell würden die Eltern die Plattform mittlerweile gut annehmen, weil sie mit dem Handy leicht anzuwenden sei und die Kommunikation zwischen ihnen und den Lehrern so einfach funktioniere. Natürlich gebe es gelegentlich Schwierigkeiten mit einzelnen Endgeräten oder Probleme bei Videokonferenzen wegen einer schlechten Internetverbindung oder einem veralteten Browser, berichtet Heininger, aber der Datenaustausch funktioniere gut.
Die Plattform der Grundschule läuft über einen Server, den die Grundschule über die Gemeinde Vaterstetten angemietet hat. "Was den Datenschutz angeht, sind wir in einer komfortablen Situation", sagt Heininger. Der Umgang mit den Daten sei durch den Server sehr sicher, es bestehe kein Kontakt zu fremden Firmen. Außerdem dürften keine Daten auf dem Server erstellt werden, die Plattform verzichte komplett auf die Nutzung sogenannter Cookies. Der "Datenschutzteil" sei mit das Aufwendigste an der Planung der Plattform gewesen, so Heininger. Alle Eltern hätten außerdem vorab eine Datenschutzerklärung unterschreiben und der Nutzung der Plattform zustimmen müssen.
"Ich bin sehr dankbar für die Lernplattform", sagt Schulleiterin Hahn. "Mit ihr haben wir aus einer schlimmen Lage das Beste gemacht." Trotzdem sei Distanzunterricht immer schwierig und könne den Präsenzunterricht auf Dauer nicht ersetzen. Eines kann die Lernplattform auf jeden Fall besser als die meisten: Sie gibt Lehrern, Eltern und Schülern Sicherheit: Denn das Homeschooling funktioniert immer nach demselben Prinzip, unabhängig von Mebis oder anderen Portalen. "Das ist eine runde Sache und funktioniert gut", sagt Heininger. Mit dem Grundschulprojekt ist der Hobbyprogrammierer zum jetzigen Zeitpunkt auch gut ausgelastet: So viel Aufwand könne er neben seinem Beruf nicht noch zusätzlich in weitere Projekte stecken.