Diskussion in Vaterstetten:Weniger ist mehr

VAT - Bahnhofstr. 30 wg. Parkplätzen

In Vaterstetten, hier die Bahnhofstraße, ist es nicht immer einfach, einen Parkplatz zu finden. Trotzdem denkt man in der Gemeinde darüber nach, künftig eher weniger Stellplätze anzubieten, wenn dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Großgemeinde will seine Stellplatzsatzung überarbeiten, nun gibt es erste Ideen dazu. Künftig könnte bei Neubauten die Zahl der Parkplätze geringer ausfallen, zumindest unter gewissen Voraussetzungen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Den Ballungsraum, in dem die Großgemeinde liegt, merkt man besonders auf den Straßen. Hier ballt sich, was Fachleute "ruhenden Verkehr" und alle anderen "geparkte Autos" nennen. Damit diese Ballung nicht überhand nimmt, gibt es eine Stellplatzsatzung, die regelt, wie viele Parkplätze es vor Wohnhäusern und Geschäften geben muss. Und ausgerechnet deren Zahl könnte in den kommenden Jahren abnehmen, wie ein nun im Bau- und Straßenausschuss vorgelegtes Ideenpapier nahelegt.

Hintergrund ist, dass die Grundstücke in der Hochpreisgemeinde eigentlich zu teuer sind, um Autos darauf abzustellen, zudem gibt es seit 2017 eine Freiflächengestaltungssatzung, mit dem Ziel, zumindest Reste des früheren "Gartenstadtcharakters" zu erhalten. Laut aktueller Satzung sind pro Einfamilien-, Reihenhaus und Doppelhaushälfte je ein Garagen- und ein offener Parkplatz fällig. Bei Mehrfamilienhäusern braucht es einen Garagenplatz pro Wohnung plus bis, je nach Größe, bis zu zwei oberirdische Parkplätze. Konkret bedeutet das, auch wer eine Tiefgarage plant, darf dort oft nur weniger als die Hälfte der Parkplätze unterbringen. Zwar wurden in der Vergangenheit hier auch Ausnahmen genehmigt, trotzdem dominiert bei vielen Neubauten der komplettversiegelte Parkplatz. Bereits 2018 gab es daher Überlegungen, die Satzung zu überarbeiten, Ende vergangenen Jahres folgte der entsprechende Gemeinderatsbeschluss.

In einem ersten Schritt wurde der Fahrzeugbestand in Vaterstetten untersucht um daraus Ideen für mögliche Änderungen an der Satzung abzuleiten. Dies geschah im Rahmen eines Studienprojekts, Verena Quest hatte es im Rahmen ihrer Masterarbeit erledigt, und stellte das Ergebnis nun vor. Demnach liegt die Zahl der Personenwagen in Vaterstetten mit 545 Autos pro 1000 Einwohner etwas unter dem Landkreisdurchschnitt von 580. Allerdings sind die Zahlen je nach Ortsteil sehr verschieden: In Vaterstetten und Hergolding haben rund 80 Prozent der Bewohner ein Auto, in Baldham dagegen nur knapp ein Drittel. Dementsprechend ergibt sich auch die Zahl der Autos pro Haushalt: Am höchsten ist er in Vaterstetten mit 1,65, am niedrigsten in Baldham, wo statistisch ein Auto auf zwei Haushalte kommt. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass nur auf die Einwohner selbst zugelassene Wagen in der Statistik erfasst werden, nicht jedoch etwa Firmenautos. Insgesamt errechnet sich für die Gemeinde ein Durchschnitt von 1,14 Autos pro Haushalt, was zwei Parkplätze erfordern würde.

Diese Zahl solle man darum auch weiterhin für Einfamilien-, Reihenhaus und Doppelhaushälften fordern, schlägt Quest vor. Bei Mehrfamilienhäusern könnte man die Parkplatzzahl aber reduzieren, beziehungsweise feiner regeln. Statt der derzeit geltenden drei Schritte - für eine Wohnung bis 40 Quadratmeter eine Garage und ein halber oberirdischer Stellplatz, bis 120 Quadratmeter eine Garage und ein oberirdischer Stellplatz sowie bei mehr als 120 Quadratmeter eine Garage und zwei oberirdische Stellplätze - könnte man etwa alle 60 Quadratmeter einen zusätzlichen Parkplatz vorschreiben oder dies an der Zahl der Zimmer in den Wohnungen festmachen. Bei sozialem Wohnungsbau könnte man grundsätzlich nur einen Parkplatz pro Wohneinheit festsetzen. Umgekehrt soll es teurer werden, einen vorgeschriebenen Parkplatz nicht zu bauen. Aktuell kostet die Stellplatzablöse 7000 Euro in Vaterstetten und Baldham sowie 6000 Euro in den Ortschaften. Das vorgestellte Konzept empfiehlt 12 500 Euro.

Oder die Förderung von anderen Fortbewegungsmitteln. So könnten Bauwerber weniger Stellplätze errichten müssen, wenn sie eine Kooperation mit den Autoteilern eingehen, wie in Vaterstetten Nordwest. Im dortigen Neubaugebiet können die Bewohner ein spezielles Carsharing-Angebot nutzen. Auch Fahrrad-Leihstationen oder das Bereitstellen von Fahrkarten für den Nahverkehr soll Parkplätze kompensieren. Zudem könnte man in einem gewissen Radius um die Bahnhöfe weniger Parkplätze vorschreiben.

Dass trotzdem kein Park-Chaos auf den Straßen zu erwarten sei, liegt an einem Trend, den Quest in den Statistiken ausgemacht hat: Der Pkw-Bestand habe seit 2010 zwar deutlich zugenommen, in einigen Gemeindeteilen sind demnach viermal so viele Autos unterwegs. Aber der Anstieg habe sich nach 2014 abgeflacht, in den meisten Orten ist der Bestand gleichbleibend, in Baldham sogar rückläufig. Das zeige eine gewisse Sättigung, wie sie für urbane Gegenden üblich sei.

Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) lobte den Sachvortrag, "da ist einiges dabei" das sich lohne weiterzuverfolgen. Bis zu einer neuen Satzung werde aber sicher noch einige Arbeit nötig sein, "das ist ein schwieriges Thema". Dies zeigte sich auch gleich im Gremium: David Göhler (Grüne) bezweifelte, dass die Zahl der Autos wirklich so stark gestiegen sei, "das widerspricht meiner subjektiven Erfahrung". Ganz im Gegenteil zu jener von Zweiter Bürgermeisterin Maria Wirnitzer (SPD), ihrer Beobachtung nach, "hat es eklatant zugenommen", wie man ja an den zugeparkten Straßen sehen könne. Dies könnte aber auch noch andere Gründe haben, vermutete Benedikt Weber (CSU), nämlich dass die Garagen nicht zum Parken, sondern als Lagerräume genutzt würden. Dieses Problem sei bekannt, so Bauamtsleiterin Brigitte Littke, im kommenden Gemeindeblatt informiere man erneut darüber, dass dies eine Zweckentfremdung darstelle. Oft seien es aber gar nicht die Anwohner, die die Straßen vollparkten, merkte Josef Schmid (CSU) an, etwa rund um die Bahnhöfe. Und seit das Parkhaus in Vaterstetten Geld koste, meinte Weber, "ist es da leerer und die Straßen davor sind voller".

Zu beraten, wie es mit der Stellplatzsatzung weitergeht, ist in den kommenden Monaten Aufgabe einer Arbeitsgruppe des Gemeinderates. Ziel ist es, bis Ende des Jahres einen Entwurf auszuarbeiten.

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