Dirigent aus Zorneding:Wie ein gutes Essen

Zorneding, Kulturverein, Symphonieorchester Dirigent Andreas Pascal Heinzmann

Dirigent Andreas Pascal Heinzmann leitet das Orchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham.

(Foto: Veranstalter)

Andreas Heinzmann warnt vor einer Zerstörung des Kulturbetriebs

Von Alexandra Leuthner, Zorneding

Der Dirigent zückt seinen Kalender, um den gesuchten Termin zu finden. Das dauert ein paar Augenblicke. Nicht, weil die Seiten so voll wären mit Auftrittsdaten - der Herbst ist ja in normalen Jahren eine Hoch-Zeit für kulturelle Veranstaltungen - sondern, weil sich die Eintragung versteckt zwischen all dem Durchgestrichenen in den Zeilen. Schließlich findet er es aber doch, das Datum, um das es geht: Am ersten Adventssonntag will das Orchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham, für das er verantwortlich am Pult steht, ein Weihnachtskonzert geben, mit Mozart, Grieg, Max Bruch und passenderweise Arcangelo Corellis Weihnachtskonzert "fatto per la notte di natale". Was eigentlich fast so klingt, als wäre das Schlimmste vorbei, und wir könnten zu alten Gewohnheiten zurückkehren.

Stimmt aber nicht. "Man plant ständig, und dann muss man wieder umplanen", sagt Heinzmann. Was für den Auftritt im Alten Speicher genauso gelten kann wie für jeden anderen in diesem Jahr. Wenigstens haben die Laienmusiker vom Kulturverein im Alten Kino zumindest einen Veranstalter gefunden, der die Möglichkeit hat, auch mit kleinerem Publikum zu planen. Locker bestuhlt und mit viel Abstand zwischen den Zuhörern könnten die vielen Proben, die für so ein Konzert nötig sind, sich am Ende auszahlen, "wenn wir nicht bis dahin mit einem lokalen Ausbruch zu tun haben", schränkt Heinzmann gleich wieder ein.

Für den Musiker und Dirigenten "ging im März erst einmal alles auf Null". Heinzmann ist musikalischer Leiter der Oper in der Pasinger Fabrik, als Erster Assistent von James Conlon an der Los Angeles Opera engagiert, er leitet seit vielen Jahren das Symphonische Orchester München- Andechs und tritt als Gastdirigent mit diversen Ensembles in Europa und Kanada auf. Das Zornedinger Orchester leitet er bereits seit 2004.

Jetzt aber ist er "zernervt", wie er sagt, und zitiert mit der ungewohnten Vokabel Richard Wagner. "Man kämpft halt - und es kommt nichts bei raus." Was für ihn, aber noch mehr für viele Kollegen gelte, die trotz der staatlichen Einmalzahlung von 3000 Euro bereits jetzt keine Zukunft mehr in ihrem Beruf sähen. Eine Kollegin, Sängerin, so erzählt er, habe bereits die Konsequenzen gezogen und sitze jetzt in einer Arztpraxis am Empfang. Ein Beispiel von vielen, das er nennen könne, das belege, wie unsicher für Kulturschaffende jede Zukunftsplanung geworden ist. So müsse von staatlicher Seite viel mehr getan werden, um diese Menschen über diese Krise zu bringen. "Das sind ja keine Hilfsbedürftigen. Keiner von ihnen will Hartz IV in seinem Lebenslauf stehen haben", so der Dirigent.

Staatliche Einmalzahlungen wie zuletzt sieht Heinzmann aber nicht als Lösung, stattdessen sollten Veranstalter weiterhin Zuschüsse bekommen wie bisher. Die könnten dann den Künstlern, die sie für das laufende Jahr verpflichten wollten, Ausfallgagen bezahlen. "Das wäre der schnellere und bessere Weg und der Aufwand geringer als die Beantragung staatlicher Hilfen." Natürlich sei ihm klar, dass auch die Einnahmen, mit denen Kommunen planen müssten, im Moment Spekulation seien, aber ein Entzug oder eine Verringerung der finanziellen Unterstützung durch Kommunen - wie jetzt in Vaterstetten bei den Rathauskonzerten geschehen - drohe Kulturbetriebe auf Jahre hinaus kaputt zu machen. Das Zornedinger Orchester könne sich in dieser Hinsicht ja bislang nicht beklagen, in München aber sei die Situation viel schwieriger. "Den Arbeitgebern hilft der Staat doch auch mit seinem Kurzarbeitergeld, so muss man das auch bei den Veranstaltern machen."

Das Problem aber, sagt Heinzmann, sehe er in der Gesellschaft und der Politik. "Kultur und auch klassische Musik ist nichts, womit man seine Bildung herausstellen kann. Kultur ist ein Erlebnis, so wie gutes Essen." Das Schönste sei in diesem Sommer für ihn gewesen, dass er nach den wenigen Auftritten Mails bekommen habe, in denen sich die Besucher bedankt hätten, endlich wieder Menschen auf der Bühne gesehen zu haben. "Durch die Krise müssen wir durch, aber danach müssen wir aufstehen und weitermachen."

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