Klimaneutrale Unternehmen:„Eine Firma, die CO₂-neutral produziert, wird in Zukunft einen großen Wettbewerbsvorteil haben“

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Ideale Investition: Wer seine Gasheizung wie hier Johannes Rumpfinger gegen eine Pelletheizung tauscht, kann bis zu 40 Prozent CO₂-Emissionen einsparen. (Foto: Christian Endt)

Unternehmen im Bündnis „Die Klimaneutralen“ verpflichten sich, möglichst schnell klimaneutral zu wirtschaften. Der Hohenlindener Schreiner Johannes Rumpfinger ist von Beginn an Mitglied und schätzt die Unabhängigkeit, die ihm erneuerbare Energien bringen.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg/Hohenlinden

Tritt man durch die Eingangstüren der Schreinerei Rumpfinger in Hohenlinden, sieht man sich auf einmal sehr viel mehr Türen und Fenstern im Ausstellungsraum gegenüber. Moos ziert die Wände, es riecht nach Holz und Leim und Licht.

Inhaber Johannes Rumpfinger führt an den Ausstellungsstücken vorbei in einen Raum voll edler Möbel, um über sich schließende Zeitfenster zu reden und über Türen, die Unternehmern gezeigt werden, durch die sie aber selbst schreiten müssen.

Rumpfinger ist Mitglied bei den „Klimaneutralen“. Im Mai 2022 starteten 20 Unternehmen aus den Landkreisen München und Ebersberg gemeinsam mit der Energieagentur das Bündnis. Teilnehmende Unternehmer verpflichten sich, innerhalb von zehn Jahren nach ihrem Beitritt – spätestens jedoch bis 2040 – klimaneutral zu wirtschaften und bekommen dafür Unterstützung von der Energieagentur sowie den anderen teilnehmenden Firmen.

Johannes Rumpfinger stellt sowohl aus Überzeugung als auch aus wirtschaftlichen Überlegungen seinen Betrieb um. (Foto: Christian Endt)

„In der Wirtschaft gibt es einen großen Hebel, um CO₂ zu reduzieren“, erklärt Rumpfinger die Motivation seines Beitritts. 34 Prozent der Treibhausgasemissionen im Landkreis seien auf unternehmerische Tätigkeit zurückzuführen. Er wolle seinen Anteil daran leisten, dass diese Zahl schrumpft und auch anderen bei der Umsetzung der Energiewende helfen, bevor es zu spät ist.

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Doch nicht nur Idealismus motiviert Johannes Rumpfinger und die anderen Unternehmer, ihre Treibhausbilanz zu verbessern. „Eine Firma, die CO₂-neutral produziert, wird in Zukunft einen großen Wettbewerbsvorteil haben“, sagt er. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben werde der Preis für fossile Energien und damit Produktions- und Heizkosten in Zukunft weiter steigen. Außerdem würden die Kunden mehr und mehr darauf achten, wo sie ihre Produkte erwerben. „Wir spüren eine steigende Nachfrage nach hochwertigen, langlebigen, regionalen Produkten“, so Rumpfinger.

Die Unternehmen entwickeln mit der Energieagentur einen CO₂-Sparplan

Die Kombination aus Idealismus und wirtschaftlichen Überlegungen ist bei allen Unternehmen zu finden, die dem Bündnis beitreten. Das erklären die Pressesprecher der Energieagentur Andrea Geißlitz und Benjamin Hahn sowie Mitarbeiter Andreas Huber. Er ist für die CO₂-Bilanzierung zuständig, die auf ein Unternehmen beim Beitritt zukommt. „Mittels eines Fragebogens und einer Begehung vor Ort finden wir heraus, wo die größten Einsparpotenziale sind und erstellen einen Fahrplan, mit welchen Maßnahmen CO₂ reduziert werden kann“, so Huber.

Manche der Mitgliedsunternehmen hätten noch nicht viele Maßnahmen umgesetzt und könnten bis zu 70 Prozent ihres Treibhausgasausstoßes einsparen. Andere seien schon weiter, doch auch hier ließen sich meist noch 20 Prozent reduzieren.

Von Firmen verursachte Treibhausgasemissionen lassen sich in drei Bereiche, sogenannte „Scopes“, einteilen. Unter Scope 1 fallen direkt vom Unternehmen verursachte Emissionen, wie etwa eine eigene Heizung oder der Fuhrpark. Scope 2 beinhaltet Elemente wie eingekauften Strom oder Kälte. Unter Scope 3 fallen die restlichen Emissionen, wie etwa die Anreise der Mitarbeiter und weiterer indirekter Ausstoß.

„Allein mit einem Umstieg von einer Gasheizung zu einer anderen Heizform kann man 30 bis 40 Prozent einsparen“, erklärt Huber. Ansonsten seien die meisten Emissionen im Scope 3 anzutreffen, aufgrund ihrer indirekten Natur allerdings auch am schwierigsten zu reduzieren.

Während der Energiekrise freute sich Rumpfinger über seine relative Unabhängigkeit

Die Schreinerei Rumpfinger ist eines der Unternehmen, das bereits viele Maßnahmen umgesetzt hat. Die alte Holzheizung wurde durch eine Pelletheizung ersetzt, eine PV-Anlage ist natürlich auf dem Dach, daneben eine Solarthermieanlage. Das Holz für die Möbel kommt aus Europa, das Büromaterial wird – fast – ohne anfallenden Verpackungsmüll angeliefert und zumindest ein Teil der Firmenflotte ist auf E-Autos umgestellt.

Die Firmen-Pkw sind bereits elektrisch, bald sollen die Lkw ebenfalls ein "E" auf dem Nummernschild haben. (Foto: Christian Endt)

„Bald kommen E-Lkw auf den Markt, die bis zu 400 Kilometer Reichweite haben“, so Rumpfinger. Mit diesen wolle er nach und nach die alten Verbrenner ersetzen. Schließlich versucht er auch, Anreize für seine Mitarbeiter zu schaffen. Wer mehr als 50 Prozent der Tage im Jahr mit dem Jobfahrrad kommt, bekommt die Hälfte der Leasing-Kosten von der Firma erstattet.

Rumpfinger genießt schon jetzt die Vorteile, die das alles mit sich bringt. Die PV-Anlage amortisiere sich schnell, er könne guten Gewissens wirtschaften und sei bis zu einem gewissen Grad auch unabhängig. Während der Energiekrise vor zwei Wintern habe er deutlich weniger unter Teuerungen gelitten als manch andere Unternehmen.

Restemissionen werden über Klimazertifikate der Aktion Zukunft+ ausgeglichen

Doch trotz aller Maßnahmen verursacht die Schreinerei, ebenso wie alle anderen Unternehmen bei den Klimaneutralen, Restemissionen, die nur sehr schwer zu vermeiden oder gänzlich unvermeidbar sind. 53 Tonnen CO₂-Äquivalente waren es bei der Schreinerei im vergangenen Jahr, der Großteil davon ist auf Geschäftsfahrten zurückzuführen.

Um dennoch CO₂-Neutralität beanspruchen zu können, kompensieren die Unternehmen Restemissionen über das Programm Aktion Zukunft+ der Energieagentur. Für 20 Euro kann eine Tonne CO₂ kompensiert werden, die zur Hälfte durch Umweltprojekte im Landkreis, zur Hälfte durch solche im globalen Süden gebunden wird.

Ziel bei den „Klimaneutralen“ ist es dennoch, möglichst viele Emissionen einzusparen. Deswegen hoffen Andrea Geißlitz und Benjamin Hahn auf weitere Unternehmen, die sich anschließen. Derzeit sind es 25, nach dem initialen Schub kamen nur noch wenige dazu. Johannes Rumpfinger richtet ebenfalls einen Appell an seine Kolleginnen und Kollegen: „Das Bündnis ist eine sehr niedrigschwellige Anlaufstelle und das Mitmachen macht Spaß.“

Das Zögern liege zu einem großen Teil an dem zeitlichen und finanziellen Aufwand, den Unternehmen auf sich nehmen müssen, so Geißlitz und Hahn. Nicht alle hätten etwa die Mittel, sich direkt eine neue Pelletheizung zu leisten. Gleichzeitig gebe es Förderungen vom Bund und die Energieagentur könne den zeitlichen Aufwand für Förderanträge und Bilanzerstellung minimieren, so Geißlitz und Hahn.

Ohnehin sei es Teil des unternehmerischen Risikos, sich für oder gegen eine Maßnahme zu entscheiden. „Klar kann ich noch mal eine Gasheizung einbauen“, so Hahn. „Ich riskiere dann halt, dass der CO₂-Preis bald durch die Decke geht.“ Für alle Unternehmen, vor allem jedoch für kleine und mittlere, heiße es deswegen: Die Tür steht offen.

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