Die Haltung des Kreistags zu Glyphosat:Nicht einmal zu einem Appell reicht es

Die Haltung des Kreistags zu Glyphosat: Die Verwendung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat ist - noch - offiziell erlaubt. Viele wünschen sich aber, dass die Landwirte freiwillig darauf verzichten.

Die Verwendung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat ist - noch - offiziell erlaubt. Viele wünschen sich aber, dass die Landwirte freiwillig darauf verzichten.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Zum Bericht "Vorbild ohne Zeigefinger" vom 2. Oktober:

Mehr Mut - Herr Landrat. Oder wird hier das Ehrenamt ausgenutzt? Wie passt das zusammen? Der Landrat ruft im großen Stil das Jahr der Biene im Landkreis aus, bedient sich aller Gruppierungen und "Ehrenämtler" und ist aber dann im Kreistag zu mutlos, sich auf die Seite "seiner" lobbylosen Biene zu stellen. Ist das nicht die ganz große Schizophrenie? Man spricht die reale Katastrophe nicht an, traut sich als Politiker nicht mal, einen Appell an diejenigen zu richten, die allzu sorglos mit Glyphosat und ähnlichen Giften das zigfach konterkarieren, was in mühseliger Kleinarbeit durch die Aktion "Biene 2018" erreicht werden könnte. Und wie gut täte ein Appell denjenigen Landwirten, die - erlaubt hin oder her - schon jetzt auf den Allestöter verzichten.

Der Herr Landrat trennt bewusst Natur-und Sachzusammenhänge; knickt ein vor den allgegenwärtigen Lobbyverbänden, wie zum Beispiel der allmächtige Bauernverband. Ein mit Steuergeldern geförderter Blühstreifen hier und hektargroße Verwüstungen dort, inklusive der totgespritzten Wegränder. Merkt er nicht, dass immer mehr Menschen es satt haben, für den Schutz ihrer Lebensgrundlagen dauernd kämpfen zu müssen. Die Frage ist, wie geht es weiter? Wenn die Politiker und andere ihre scheinbar christliche Einstellung in der Öffentlichkeit wie eine Monstranz vor sich hertragen, dann aber nicht mal mehr auf den Papst hören, der bezüglich der Natur die moralischen und christlichen Werte wie kein anderer dargestellt hat. Es ist die Enzyklika "Laudatio Si" über die Sorge für das gemeinsame Haus. Hier ist der Gesamtzusammenhang hergestellt und zum Prinzip gemacht. Die Enzyklika befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Themenbereich Umwelt- und Klimaschutz und setzt zudem Zeichen im Hinblick auf bestehende soziale Ungerechtigkeiten und auf die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Das Recht auf Leben jeder Kreatur der Schöpfung. Hege und Pflege - nicht Unterwerfung im Sinne von Ausnutzung. Das alles interessiert die offenbar nicht wirklich; stattdessen wird mit publikumswirksamen Aktionen den Menschen weiter Sand in die Augen gestreut. Wie erklärt man einem Kind, dass es tote Natur gibt? Dass die Natur plötzlich nicht mehr schön ist? Dass die Felder grau-schwarz sind? Mit dem Nitrat und Wasser ist es das gleiche, schaut man sich den Wasseratlas von Bayern und Deutschland an. Eine Sünde und ein Verbrechen an der Natur. Die Wassererzeuger bereiten den Bürger schon darauf vor, dass er bald für das bezahlen muss, was andere politisch gewollt, aus Gleichgültigkeit, Ignoranz oder schlicht aus Gier, kaputt gemacht haben. Die nächste politische Abmahnung (Wahl) wäre dazu fällig.

Durch diesen globalisierten Wahnsinn nehmen wir auch den ärmsten Ländern die Lebensgrundlagen und zwingen die Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Sie werden und müssen in größerer Anzahl irgendwo und im Zweifel hier, bei ihren Totengräbern, ankommen und sich das holen müssen, was ihnen genommen wurde. Jeder Politiker ist ein Teil dieses Systems und kann sich nicht herausreden, wenn er mitschwimmt im Karrieresystem der Mächtigen; sich nicht mahnend erhebt. Denn dann geht es so weiter, getrieben von einer Welt ohne Werte. Ethisch-moralische Instanzen stören da eher. Es ist höchste Zeit, transparent, ehrlich und ganzheitlich zu denken und zu handeln; das heißt, ein hundertprozentiges Ja zum Jahr der Biene nur bei einem gleichzeitigem Nein zu Giften gegen die Artenvielfalt der Natur; alles andere wäre wirklich "Fake". Franz Höcherl, Bund Naturschutz Ortsgruppe Pliening

Artenschwund ist Fakt

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Da konnte man sich im Kreistag tatsächlich nicht zu einem Appell an Privatpersonen und Bauern durchringen, auf das Pflanzengift Glyphosat zu verzichten. Als wäre mit so einem Appell schon irgendeine Verbindlichkeit zu befürchten. In Anbetracht dieser Zurückhaltung ist "der mündige Bürger" gut beraten, sich selbst schlau zu machen. Der enorme Artenschwund auf Grund des Pflanzengifts kann ja nicht einmal mehr abgestritten werden. Wem das nicht reicht, der könnte sich einmal mit dem Einfluss von Pestiziden auf die Fruchtbarkeit befassen - und das betrifft nicht nur die Frösche. In Südtirol, wo man massiv spritzt, um die Welt mit Äpfeln versorgen zu können, soll ein Großteil der Jungbauern bereits unfruchtbar sein. Ein Schelm, der dabei an Pflanzengifte denkt? Ich würde jedenfalls gerne an unsere Jungbauern appellieren, sich damit zu befassen - wenn sie ihren Hof noch vererben wollen. Gisela Sonnleitner, Kirchseeon

Mageres Ergebnis

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In einer Sitzung des Kreistags wurde ein Antrag der ÖDP behandelt, das chemische Spritzmittel Glyphosat auf kreiseigenen Flächen nicht zu verwenden (das tut er bereits seit Jahren) und durch Appelle auf eine Minderung der Verwendung dieses Gifts hinzuwirken. Das Ergebnis: Der Landkreis soll seine Vorbildfunktion bekannt machen aber "keine Kampagne gegen Glyphosat" und "keine Empfehlungen an Privatpersonen und Landwirte, das Gift nicht zu verwenden" aussprechen. Ein äußerst mageres Ergebnis, um es gelinde auszudrücken! Schließlich ging es in der Sitzung um das am meisten umstrittene Herbizid in der Landwirtschaft. Im Übrigen sind einige zitierte Behauptungen von den Bauern Lechner und Vodermair falsch: So ist Glyphosat in Gartencentern, Baumärkten und im Internet von Privatpersonen ohne weiteres erhältlich. Auch schädigt es das Wachstum der Nutzpflanzen (Aufnahme von Stickstoff und Mikronährstoffen wird behindert): Eine Tatsache, die vielen Landwirten nicht bekannt zu sein scheint.

Dass es immer noch nicht verboten ist, liegt vor allem an dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Eine wichtige Institution, die zuständig ist für die Risikobewertung in der EU. Das BfR sieht nach wie vor keinen Grund, der gegen eine Verlängerung der Zulassung für Glyphosat sprechen würde. Es hat dazu ein Gutachten von 4000 Seiten erstellt, in dem ganze Abschnitte wortwörtlich von der Firma Monsanto stammen. Das ist ja nicht nur ein schwerer Verstoß gegen die Prinzipien wissenschaftlicher Redlichkeit, sondern - und das ist viel schlimmer - völlig unverantwortlich, da begründeter Verdacht besteht, dass Glyphosat erbgutschädigend und krebserregend ist. Solche Stoffe sind in der EU aber nicht zulassungsfähig. Es ist davon auszugehen, dass dem Landrat und den Bauern Lechner und Vodermair diese erst unlängst aufgedeckten Fakten nicht bekannt waren. Aber sie und alle, die Glyphosat weiterhin für harmlos halten oder gar verwenden, sollten die Fakten zur Kenntnis nehmen und in den politischen Gremien und beim Bauernverband die skandalösen Machenschaften bei der Risikobewertung zur Sprache bringen.Klaus Schöffel, Kirchseeon

Spürbare Folgen

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Der Landkreis arbeitet nun daran, "seine Vorbildfunktion bei der Nichtanwendung von Glyphosat herauszustellen". Vorbild wofür? Warum eigentlich? Ist denn mit dem am meist verwendeten Breitbandherbizid irgendetwas nicht in Ordnung? Tatsache ist doch: Ich kann in jedem Gartencenter, Baumarkt und übers Internet Glyphosatprodukte kaufen und "sachgerecht" anwenden. (Herr Lechner sollte da doch einmal einkaufen gehen!) Herr Vodermair meint, wenn man Glyphosat ausbringe, sei das doch keine Umweltvergiftung, (denn Glyphosat ist doch kein Gift!). In jedem von uns Landkreisbürgern kann scheinbar Glyphosat nachgewiesen werden. Und wir leben doch gut mit dem Herbizid, oder? Die Landwirte haben sich auf Fortbildungen über Glyphosat informiert, sind doch nicht blöd und vergiften ihre Böden, außer, "wenn es nicht anders gehe". Der Kreistag sei nicht zuständig für oder gegen ein Pflanzenschutzmittel, schließlich war die Kampagne zu genmanipuliertem Saatgut damals schon zu viel...!

"Glyphosat blockiert das Enzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase (EPSPS), das zur Synthese der aromatischen Aminosäuren Phenylalanin, Tryptophan und Tyrosin über den Shikimatweg in Pflanzen, wie auch in den meisten Mikroorganismen, benötigt wird. Grund für die Blockade ist die chemische Ähnlichkeit von Glyphosat mit Phosphoenolpyruvat" (Wikipedia), das weiß doch jeder (Landwirt)! "Eine Studie aus dem Jahr 2014 fand heraus, dass nach der Behandlung mit einem glyphosathaltigen Herbizid die Mykorrhizierung der Wurzeln sowie Mykorrhiza-Strukturen im Boden (Sporen, Vesikel, Ausbreitungseinheiten) signifikant reduziert waren. Da etwa 80 Prozent aller Pflanzen mit symbiontischen Mykorrhizapilzen assoziiert sind und große Bedeutung für deren Nährstoffaufnahme haben, sind indirekte Wirkungen auf den Nährstoffhaushalt in diesen Ökosystemen zu erwarten." (Wikipedia) "In Kalifornien teilte die zuständige Behörde für Gesundheit und Umwelt (OEHHA) am 26. Juni 2017 mit, Glyphosat werde ab dem 7. Juli auf die Liste mit Chemikalien gesetzt, die krebserregend sind." (Wikipedia) Die Biodiversität sowohl der Flora als auch der Fauna nicht nur im Landkreis nimmt rapide ab. Es gibt bisher nur Schätzungen der Verluste von Arten bei 30 bis 90 Prozent und mehr. Verursacher ist offensichtlich eine agro-industrielle Landbewirtschaftung.

Vielleicht wäre eine Exkursion des Kreistages zu der "Arche" in Herrmannsdorf von Hansjörg Voth sinnvoller! Bei diesem "Denk-mal" wäre der eine oder andere vielleicht auch auf die Tatsache gestoßen, dass die Natur ohne die geringste Rücksicht auf Befindlichkeiten und demokratische Kompromisse des Menschen reagieren wird - und schon reagiert! Klaus Grünebach, Bruck

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