Süddeutsche Zeitung

Der Sport im Ort:Flinke Füße

Der Vaterstettener Tim Traulsen tanzt für sein Leben gerne. Seit kurzem hat er eine neue Tanzpartnerin, die Münchnerin Annalena Karaman. Zusammen gehen sie dieses Wochenende bei der bayerischen Landesmeisterschaft an den Start

Von Katharina Güntter

Aus den Boxen klingen Melodie und Rhythmus. Die Füße wippen im Takt während das Paar auf der Tanzfläche die fulminantesten Teile seiner Choreografie zeigt. Hebefiguren folgen auf schnelle Seiten- und Schrittwechsel, die Körperspannung der Tänzerin und des Tänzers reicht bis in die Finger- und Fußspitzen. Gerade einmal 15 und 14 Jahre alt sind Tim Traulsen und Annalena Karaman.

Sieht man sie auf einer Bank im Tanz- und Turnierclub München (TTC) sitzen - er lässig in T-Shirt und Turnschuhen, sie schüchtern im "Dirty Dancing"-Pulli - ist es schwer vorstellbar, dass die beiden regelmäßig bei Turnieren auf der Tanzfläche stehen, und das seitdem sie elf Jahre alt sind. Mehrfacher Bayerischer Meister und Bayernpokalsieger in Standard und Latein sind die Münchnerin und der Vaterstettener nun schon. Nachdem seine vorherige Tanzpartnerin aufgehört hatte, musste sich Traulsen vor drei Monaten nach seiner inzwischen dritten Tanzpartnerin umsehen und stieß dabei auf Karaman. "Es hat einfach sofort gepasst", sagt er mit einem Lächeln. Begegnet waren sich die beiden bis dahin noch nicht, die 14-Jährige tanzte, aufgrund des Alters ihres ehemaligen Partners, immer eine Altersklasse über Traulsen. Der 15-Jährige trainierte dagegen bis vor drei Monaten im Tanzsportclub Savoy, wechselte dann aber wegen des Trainers zu seiner neuen Tanzpartnerin in den TTC. Vergangenen Sonntag startete das Paar zum ersten Mal zusammen bei einem Wettbewerb, dieses Wochenende nehmen sie gemeinsam an der Landesmeisterschaft teil. Viermal pro Woche trainieren sie zwei bis drei Stunden lang. Zusätzlich zu den Gruppentrainings bekommen sie ein- bis zweimal pro Woche Privatstunden bei Rudi Grabon, der auch die Choreografien für die Wettkämpfe entwirft.

Karaman tanzt bereits seit sie sechs Jahre alt ist. "Meine Mutter wollte damals, dass ich mit irgendetwas anfange, wie ein Instrument zu spielen oder zu turnen. Ich habe mich fürs Tanzen entschieden und würde jetzt auch keine andere Sportart mehr wählen wollen", erzählt die Münchnerin. Sowohl die Eltern der Tänzerin als auch die Eltern des Tänzers waren in ihrer Jugend einmal das Prinzenpaar in der Garde. Auch Traulsen entdeckte durch seine Familie die Liebe zum Tanzen. Die Eltern leiten in ihrer Freizeit eine Showtanzgruppe, die zu Fasching auftritt und in der er als Kind oft mitgemacht hat. Durch eine Fernsehshow ist er auf den Turniertanz gestoßen: die Begeisterung war gleich da. Seine drei Geschwister tanzen ebenfalls, der Bruder in seinem alten Verein, dem Tanzsportclub Savoy. "Tanzen begeistert, weil man auf der einen Seite Sport macht, es einem aber auch einfach ein gutes Gefühl gibt. Das Tanzen hat jeder in sich drin, es ist sozusagen ein Urinstinkt", sagt Traulsen. Inzwischen unterrichtet der 15-Jährige manchmal selbst die Gruppe seiner Eltern. Dabei greift er oft zu den lateinischen Tänzen, beispielsweise Samba, die sonst eher selten unterrichtet werden, um der Gruppe andere Möglichkeiten zu bieten.

Als Tanztrainer zu arbeiten, kann er sich auch gut in Zukunft vorstellen, zumindest nebenberuflich. Einen Büroalltag am Schreibtisch vor dem Computer lehnen sowohl der Vaterstettener als auch die Münchnerin ab, dafür ist ihnen die Bewegung zu wichtig. Eine berufliche Zukunft als Tänzerin sieht die 14-Jährige aber nicht. "Man muss mit Herz und Seele dabei sein, das geht bei tänzerischen Berufen oft verloren", sagt ihr Tanzpartner. Momentan gehen die beiden noch zur Schule, Traulsen auf die Wirtschaftsschule Kermess und Karaman auf die Anne-Frank-Realschule. Bis sie sich für einen Beruf entscheiden müssen, haben die Tänzerin und der Tänzer noch viel vor.

Da sie sich erst seit drei Monaten kennen und die Wettkämpfe demnächst starten, trainieren sie momentan nur die Lateintänze, am meisten gefällt den beiden der Samba. Nach den Turnieren wollen sie aber auch die Standardtänze wieder einstudieren und an vielen Wettbewerben in Deutschland teilnehmen - unter anderem in Berlin, Hessen, Frankfurt und Nürnberg. Das erfordert sehr viel Arbeit, gerade vor den Wettkämpfen kommen noch ein paar extra Trainingseinheiten dazu.

Die Eltern unterstützen sie, wo sie können, fahren das Paar zu den Turnieren und feuern die beiden an. Aktuell starten sie in der B-Klasse, das bringt einige Vorteile mit sich: "Die Wettkämpfe sind meist nachmittags, was alles sehr entspannt macht, da wir nicht morgens übertrieben früh aufstehen und uns fertig machen müssen", meint Karaman. Unterstützung von den Schulfreunden bekommen die 14- und der 15-Jährige eher weniger, was sie aber nicht sonderlich stört. Umso mehr angefeuert werden sie von den Tanzklubmitgliedern, die auch bei den Wettkämpfen dabei sind. "Das ist ein tolles Gefühl, wenn alle zusammenhalten und sich unterstützen", sagt der 15-Jährige.

Zum Formationstanz zu wechseln ist für die Münchnerin und den Vaterstettener keine Option. "Ich mache lieber mein eigenes Ding, schon Gruppenarbeiten in der Schule werden mir manchmal zu viel", sagt Karaman und lacht. Obwohl Traulsen bereits gefragt wurde, ob er in einer Standardformation mittanzen möchte, bleibt auch er lieber beim Paartanz: "Dabei hat man einfach sehr viel mehr Freiheiten. Bei einer Formation ist alles vorgegeben, wir dagegen können noch eigene Ideen in die Choreo mit einbringen."

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Quelle:
SZ vom 01.02.2020
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