Süddeutsche Zeitung

Am Samstagvormittag:Fast 100 Menschen demonstrieren in Ebersberg für Demokratie

Die Kundgebung ist eine Reaktion auf die Ereignisse in Thüringen. Mehrere Redner warnen eindringlich vor jedweder Zusammenarbeit mit Faschisten

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Die Sonne scheint zwar, doch es ist ein frostiger Wintermorgen, die Temperaturen klettern kaum über die Null-Grad-Grenze. Dennoch hat sich Fluke, wie ihn seine Kumpels vom Motorradklub Kuhle Wampe nennen, am Samstag schon um neun Uhr morgens in Augsburg auf seine Maschine geschwungen, um nach Ebersberg zu fahren. Ein bisschen kühl sei es schon gewesen, sagt der Mann mit dem weißen Bart und der schweren Lederjacke, aber die Ereignisse in Thüringen hätten ihn doch "sehr motiviert", dennoch den Weg nach Ebersberg auf sich zu nehmen. Umringt ist er am Marienplatz nicht nur von seinen Motorrad-Freunden aus Ingolstadt und Stuttgart, sondern auch von vielen anderen, die seit Mittwoch um die Demokratie fürchten. Auf etwa 100 Teilnehmer schätzt die Polizei die Teilnehmer der spontan vom Bündnis "Bunt statt Braun" organisierten Kundgebung.

Anfangs sind es noch mehr Polizisten als Demonstranten

Marthe Balzer ist eine der Organisatorinnen. Sie sei "sehr entsetzt" gewesen, als sie am Mittwoch mitbekommen habe, dass sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich in Thüringen mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. "Wir sind der Meinung, dass die Demokratie wirklich in Gefahr ist", sagt sie. Der AfD-Politiker Björn Höcke - Balzer nennt ihn Bernd und outet sich so als Fan der "Heute Show" - habe "Staatsstreich spielen dürfen", solchen Entwicklungen müsse man sofort einen Riegel vorschieben - auch vor Ort.

Nicht einmal 48 Stunden hatten die Organisatorinnen und Organisatoren von "Bunt statt Braun" Zeit, die Demonstration in der Kreisstadt auf die Beine zu stellen; Michaela Mellinger, die so etwas zum ersten Mal in ihrem Leben gemacht hat, gesteht, sie habe durchaus die Befürchtung gehabt, aufgrund der Kurzfristigkeit recht allein dazustehen. Zehn Minuten vor dem Beginn der Demonstration scheint ihre Sorge auch noch sehr berechtigt, außer den Organisatoren stehen nur ein paar Polizistinnen und Polizisten neben der Mariensäule. Dann aber schlendern aus allen Ecken der Stadt doch noch Gleichgesinnte daher, am Ende ist es doch eine beachtliche Gruppe, die sich um das Organisatorenteam versammelt. "Leute, ihr seid so super!", ruft ihnen Michaela Mellinger durch das Megafon zu.

Eine Frau im Straßencafé spendet spontan Applaus

Marthe Balzer kämpft unterdessen mit dem Kostüm, das sie mitgebracht hat und sich als ein wenig sperrig erweist: Es ist ein brauner Haufen zum Aufblasen, er soll zeigen, was die Ebersbergerin von Faschisten hält. "Braune Stimmen stinken! Stärkt den Damm der Demokratie!" skandieren die Demonstranten, als sie vom Marienplatz über die Altstadtpassage zum Landratsamt ziehen. Ein älterer Herr, der auf Krücken angewiesen ist, ist ebenso dabei wie junge Eltern, die ihren Nachwuchs im Kinderwagen mitschieben. Auch etliche Jugendliche schließen sich der Demonstration an, ebenso wie Lokalpolitiker oder solche, die es werden wollen. Die Ebersberger in der Altstadtpassage, die gerade ihre Wochenendeinkäufe erledigen, sehen dem kleinen Demonstrationszug staunend nach. Eine Frau, die im Straßencafé die Sonnenstrahlen genießt, spendet spontan Applaus.

Am Landratsamt und bei der Schlusskundgebung, zu der die Demonstranten sich noch einmal um die Mariensäule versammeln, nutzen einzelne Teilnehmer die Chance, ihre Betroffenheit über die Ereignisse in Thüringen zu formulieren und vor jedweder Zusammenarbeit mit Faschisten zu warnen. "Es ist mehr als höchste Zeit, dass die Mehrheit den Mund aufmacht", sagt eine junge Frau, die sich als Eileen vorstellt. Was da in Thüringen abgelaufen sei, sei ihrer Überzeugung nach ein Test gewesen: "Was wird akzeptiert - und was nicht?" Man müsse antifaschistische Präsenz in der Gesellschaft zeigt, sagt ein junger Mann, denn Probleme mit Neonazis gebe es durchaus auch in Ebersberg. Die Demonstration zeige, "dass viele so denken wir", betont ein anderer, der erzählt, dass er ursprünglich selbst aus Thüringen stamme. Marthe Balzer entlässt die Demonstranten am Ende mit einem Appell: "Habt keine Angst, steht auf, dann können wir etwas bewegen."

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