Demjanjuk nach Glonn?:Pfarrer hilft ehemaligem KZ-Aufseher

John Demjanjuk wäre fast nach Glonn gekommen - Gefängnisseelsorger Kurt Riemhofer suchte für ihn einen Heimplatz.

Anja Blum

Der ehemalige KZ-Aufseher John Demjanjuk ist vergangenen Donnerstag vom Münchner LandgerichtII zu fünf Jahren Haft verurteilt worden - wegen Beihilfe zum Mord an tausenden Juden. Trotzdem setzte sich Kurt Riemhofer, Emmerings Pfarrer und Gefängnisseelsorger in Stadelheim, für Demjanjuk ein: Er versuchte händeringend, "von heute auf morgen" eine Unterkunft für den 91-Jährigen zu organisieren.

Demjanjuk nach Glonn?: Nimmt seine Fürsorgepflicht ernst: Gefängnisseelsorger Kurt Riemhofer aus Emmering.

Nimmt seine Fürsorgepflicht ernst: Gefängnisseelsorger Kurt Riemhofer aus Emmering.

Denn da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und der Richter den Haftbefehl am Ende der Verhandlung aufhob, ist Demjanjuk vorerst ein freier Mann. Sein Anwalt will Revision gegen das Urteil einlegen.

Mit der Entlassung habe niemand gerechnet, so dass man schnell eine Lösung habe finden müssen, berichtet der Pfarrer, der Demjanjuk die vergangenen beiden Jahre betreute. "Ich habe mir die Finger wund telefoniert, um einen Heimplatz für ihn zu bekommen", sagt Riemhofer. Schließlich trage man als Christ eine große Verantwortung, habe eine Fürsorgepflicht gegenüber hilfsbedürftigen Menschen: "Das hätte ich auch für jeden anderen getan." Zudem sei Demjanjuk ein "ganz liebenswürdiger, kooperativer alter Herr", ein sehr gläubiger orthodoxer Christ, der seine Zelle mit Ikonen geschmückt und sich nie über irgendetwas beschwert habe. "Aber er war insgesamt schon so lange in Haft, man hat gespürt: Er wollte jetzt raus", erzählt Riemhofer.

Allerdings habe sich in diesem Fall die Suche nach einer Unterbringung besonders schwierig gestaltet: Seine Anfrage sei überall auf Ablehnung gestoßen, obwohl er den Namen Demjanjuk teils gar nicht genannt habe, erzählt der Emmeringer Pfarrer. "Einen 91-jährigen, pflegebedürftigen Mann wollte keiner haben. Das war frustrierend." Nur ein Heim habe zugesagt, allerdings wäre Demjanjuks Zimmernachbar dort ein Jude gewesen, weswegen sich auch diese Option schnell wieder zerschlagen habe. So kam es, dass Riemhofer auch im Glonner Marienheim anfragte, das er persönlich gut kennt, ob man den Ukrainer nicht übergangsweise dort aufnehmen könne. "Das wäre nur für ein paar Tage gewesen, bis man etwas besseres gefunden hätte."

Doch in Glonn waren alle Plätze bereits belegt - und bei der Caritas scheint man darüber auch nicht gerade unglücklich zu sein. "Es wäre sehr schwierig geworden, einen Menschen wie Demjanjuk im Marienheim unterzubringen, denn unsere Häuser sind auf derartige Herausforderungen nicht eingestellt", erklärt Pressesprecherin Adelheid Utters-Adam. Schließlich würde sich das offene Konzept der Heime nicht mit dem gewaltigen Medieninteresse und den in solchen Fällen notwendigen Sicherheitsvorkehrungen vertragen. Damit meint die Caritas-Sprecherin jedoch nicht, dass man Demjanjuk hätte bewachen müssen, ganz im Gegenteil: "Man müsste eher ihn schützen, denn er hat nicht viele Freunde hier." Da schlügen die Emotionen hoch - und das sei einerseits den Bewohnern schwer zu vermitteln und andererseits eine Zumutung für die Pflegekräfte. "Das kann man ganz schlecht managen", so Adelheid Utters-Adam.

Mittlerweile hat die Stadt München, die für die Unterbringung Haftentlassener, denen Obdachlosigkeit droht, zuständig ist, einen Platz für Demjanjuk gefunden. Und so lange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, muss er auch in Deutschland bleiben. Für Riemhofer jedoch ist das Kapitel bereits abgeschlossen: "Die Revision wird ziemlich lange dauern, und ich glaube nicht, dass Demjanjuk noch einmal zu uns ins Stadel-heim kommt. Da wird Gott ihn schon vorher zu sich holen."

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