Demenzkranke:Im Krankenhaus schlecht aufgehoben

Pflege

Demenzkranke brauchen im Krankenhaus besonders viel Betreuung, denn sie können sich in der ungewohnten Umgebung schlecht orientieren.

(Foto: Sven Hoppe/DPA)

Menschen mit einer Demenz reagieren auf Klinikaufenthalte besonders verwirrt und bringen die Abläufe durcheinander. In Ebersberg sollen bald bessere Netzwerke und eine spezielle Station helfen

Von Jessica Morof, Ebersberg

- Schmerzen, Desinfektionsgeruch - und keinerlei Privatsphäre: Ein Aufenthalt im Krankenhaus ist kein angenehmes Erlebnis. Für manche Personen ist er allerdings noch schwerer zu ertragen als für andere. Denn bei Menschen mit einer Demenzerkrankung kommen zu dem allgemeinen Unbehagen noch das Gefühl der Unsicherheit und die Orientierungslosigkeit hinzu: Sie kennen sich plötzlich gar nicht mehr aus und werden noch unruhiger als sie ohnehin schon sind. Die Folge: Sie beginnen zu schreien, orientierungslos umherzuwandern oder versuchen gar zu flüchten.

Auch in der Kreisklinik Ebersberg ist das ein Problem - nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für andere Patienten, die Ärzte und das Pflegepersonal. Verbesserung soll eine verstärkte Kommunikation mit anderen Einrichtungen bringen - und auf lange Sicht eine akutgeriatrische Station. "Das Grundproblem ist, dass ein Mensch mit Demenz völlig verwirrt reagiert, wenn er seine gewohnte Umgebung verlässt", erklärt Hans Schneider, Chefarzt der Onkologie und Palliativmedizin an der Kreisklinik sowie Vorsitzender des Christophorus-Hospizvereins. "Auf der normalen Station mischt er dann alles auf - ganz besonders nachts." Deshalb bräuchte ein Patient im Krankenhaus eigentlich eine Betreuung rund um die Uhr.

Doch dafür fehlt dem Krankenhaus das Personal - noch dazu steigt die Zahl der dementen Patienten stetig. Das Pflegepersonal versucht deshalb, die Betroffenen so gut es geht im Blick zu halten - beispielsweise, indem sie sie in den Gang vor den Stationsstützpunkt setzen. "Da ziehen sie sich aber oft aus", sagt Schneider. "Es sind auch schon Patienten entwischt, und die Polizei musste sie suchen." Eine andere Gefahr besteht darin, dass die Demenzkranken stürzen und sich verletzen. Dafür setzt das Krankenhaus unter anderem Betten auf Bodenhöhe ein. Doch trotz allem gilt laut Schneider bei dementen Personen: "Sie sind bei uns schlecht aufgehoben."

Aus diesem Grund soll in einigen Jahren eine akutgeriatrische Station in der Kreisklinik entstehen, auf der alle dementen Patienten - unabhängig von der Art ihrer Erkrankung - behandelt werden. Der Vorteil: Das Personal auf der Station wird speziell für die Bedürfnisse dementer Menschen geschult; außerdem können die Patienten in Gemeinschaftsräumen beaufsichtigt werden, statt in Einzelzimmern; und auch die Möglichkeit, die Station abzusperren, soll gegeben sein. Ein Datum für die Einführung gibt es allerdings noch nicht. Schneider hofft, dass es nach dem Umbau in den kommenden zwei bis drei Jahren soweit sein wird.

Bis dahin sollte die schwierige Situation allerdings nicht einfach hingenommen, sondern das Netzwerk an Ärzten, Pflegekräften und Einrichtungen gestärkt werden. Das ist nicht nur der Wunsch von Schneider, sondern auch von anderen Akteuren der Pflegebranche. Schließlich könne ein Krankenhausaufenthalt eine Demenz sogar noch verstärken, erklärt Katja Goudinoudis, Leiterin des Zentrums für Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung München Land, Stadtrand und Ebersberg. Sie hat 2014 die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) in Ebersberg etabliert. "Man sollte schon sehr früh sehr sorgfältig überlegen, ob die Behandlung im Krankenhaus überhaupt notwendig und sinnvoll ist." Besser sei in vielen Fällen eine Versorgung in gewohnter Umgebung - auch wenn dies zum Todesfall führen kann.

Das bedeute natürlich nicht, dass Demenzkranke generell keine Klinikbehandlung bekommen sollten, betont Goudinoudis deutlich. Doch die Entscheidung müsse auf anderen Kriterien beruhen als bei anderen Personen. Beispielsweise führe eine Demenz im fortgeschrittenen Stadium zu Schluckbeschwerden und damit immer wieder zu Lungenentzündungen. Ein solcher Infekt könne im Krankenhaus zwar geheilt werden; die Demenz schreite gegebenenfalls aber schneller voran - und die nächste Lungenentzündung komme bald wieder auf den Betroffenen zu.

Zusätzlich besteht die Gefahr, dass er im Krankenhaus beim Umherwandern stürzt und sich andere Verletzungen zufügt. Aus diesen Gründen müsse eine Lungenentzündung bei Demenzkranken als "Krise" bewertet werden. "Dann darf man in den ethischen Diskurs mit den Angehörigen treten, ob nicht im Rahmen der nächsten Krise auch der Verzicht auf eine Behandlung im Krankenhaus sinnvoll und im Sinne des Patienten ist", erklärt Goudinoudis. Denn: "Eine Krise darf auch dazu führen, dass man daran stirbt."

Dieses Vorgehen müssten allerdings der behandelnde Arzt oder die Pflegekräfte im Heim frühzeitig mit den Angehörigen besprechen. Oder besser mit dem Betroffenen selbst, solange die Demenz noch im Anfangsstadium ist. Das, so die Erfahrung der Palliative Care Pflegefachkraft, tun sie aber häufig nicht, sodass der Patient bei einer akuten Erkrankung zwangsläufig ins Krankenhaus gebracht wird.

Dass dies in vielen Fällen besser vermieden werden sollte, betont auch Hans Gnahn, der Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft Ebersberg. "Es sollte das Ziel sein, dass der mutmaßliche Patientenwille auf jeden Fall berücksichtigt wird." Und zwar von Ärzten, Pflegekräften und Angehörigen. Es sollte ein stärkeres Netzwerk geben für die Behandlung demenzkranker Personen - und eine Öffnung der Palliativmedizin.

Ein positives Beispiel dafür, dass die Zusammenarbeit gelingen kann, ist laut dem Neurologen das Awo-Seniorenzentrum Kirchseeon. Seitdem das Pflegeheim vor einigen Jahren das Projekt "Sterbekultur" in Gang gesetzt hat, ist dort die Auseinandersetzung mit einer Palliativversorgung der Bewohner fest etabliert: Die Einrichtung bildet gerontopsychiatrische Fachkräfte aus, führt neben normalen Fallbesprechungen auch ethische mit den Angehörigen durch und arbeitet in extremen Fällen eng mit dem SAPV-Team zusammen.

Die Gründe für das zögerliche Vorgehen anderer Akteure sieht Werner Benningsfeld, Pflegedienstleiter im Seniorenzentrum, in der fehlenden Spezialisierung: "Es geht nur über eine Schulung." Dieser Meinung ist auch Hans Schneider. Laut ihm könnten in neun von zehn Fällen demenzkranke Patienten statt im Krankenhaus auch von einem geschulten Hausarzt behandelt werden. Dafür benötigten sie Grundwissen in der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV). Dieses soll interessierten Ärzten im Landkreis möglichst noch in diesem Jahr in Kursen vermittelt werden.

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