Debatte im Vaterstettener Gemeinderat:Am siebten Tage sollst du shoppen

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Auch in diesem Jahr kann man an vier Sonntagen bei Segmüller in Parsdorf die Füße hochlegen - es sei denn, man arbeitet in dem Möbelhaus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch heuer darf das Möbelgeschäft Segmüller in Parsdorf an vier Sonntagen öffnen. Ob es dazu kommt, ist indes unklar, möglicherweise wird die Gewerkschaft Verdi dagegen klagen

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Wer an einem Sonntag die Lust verspürt, spontan eine Schrankwand zu kaufen, hat meist Pech. Außer in der Großgemeinde, da ist traditionell an vier Sonntagen im Jahr das Möbelgeschäft Segmüller in Parsdorf geöffnet, zusammen mit einigen anderen Geschäften im Umkreis. Auch heuer wird es die "Marktsonntage", so genannt nach dem Budenzauber und Unterhaltungsprogramm rund um den Möbelladen, wieder geben. Mit großer Mehrheit hat der Vaterstettener Gemeinderat die vier Sonntagsöffnungen genehmigt - ob sie indes wie geplant stattfinden können, ist noch nicht sicher, möglicherweise geht die Sache vor Gericht.

Grundsätzlich hat Bayern das restriktivste Ladenschlussgesetz aller Bundesländer. Mit wenigen Ausnahmen, etwa Bäckereien, Bahnhofskioske und Gastronomie bleibt sonntags der Laden zu. Allerdings gibt es die Möglichkeit, gewissermaßen als Zugabe zu einer größeren Veranstaltung, wie einer Messe oder eben einem Jahrmarkt, auch in umliegenden Geschäften Handel zu treiben, vorausgesetzt, die Veranstaltung ist die Hauptattraktion und hat bereits Tradition. Was im Falle von Segmüller in den vergangenen bald zwei Jahrzehnten immer mal wieder bezweifelt wurde. Das 1998 eröffnete Möbelkaufhaus veranstaltete ein Jahr später seinen ersten Markt. Weitere drei Jahre später diente dieser bereits als Begründung für sonntäglichen Möbelkauf, der seitdem jedes Jahr viermal möglich ist.

Dass dies rechtmäßig sei, hat besonders Gemeinderat Manfred Schmidt (FBU/AfD) seitdem kategorisch ausgeschlossen. Er klagte beim bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen die Marktsonntage, was allerdings genauso erfolglos blieb, wie eine Rechtsaufsichtsbeschwerde beim Landratsamt. Auch in der aktuellen Debatte sprach sich Schmidt gegen die Sonntagsöffnungen aus: "Möbel muss niemand am Sonntag kaufen." Er kritisierte besonders die CSU - die jedes Jahr, wie auch diesmal, geschlossen für die Marktsonntage votierte. Schließlich sei die Sonntagsruhe christliches Gebot, "aber wenn es um den schnöden Mammon geht, da tritt das Christliche schnell in den Hintergrund".

Auch Axel Weingärtner (Grüne) verwies auf die Sonntagsruhe, die immerhin schon der römische Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert eingeführt habe und bis heute im Gesetz stehe. Mit der Sonntagsöffnung würden also "Menschen um ihre Rechte gebracht", nämlich jene, die dann arbeiten müssten. Dies kritisierte auch Dritter Bürgermeister Günter Lenz (SPD), als Gewerkschaftsmitglied sei er absolut gegen Ausnahmen vom Ladenschluss: "Ohne Sonntage gibt es nur noch Werktage."

Weingärtner verwies noch auf einen anderen Aspekt: Nachdem sich die Gemeinde im vergangenen Herbst zur Klimaschutzregion erklärt habe, sei es für diese Ziele kontraproduktiv, einen Anreiz zu schaffen, sonntags mit dem Auto zu einer Konsumveranstaltung zu fahren. Auch Maria Wirnitzer (SPD) kritisierte die schlechte Anbindung, bevor es keinen regulären öffentlichen Nahverkehr am Wochenende nach Parsdorf gebe, könne sie den Marktsonntagen nicht zustimmen.

Dass die Autos ohne Sonntagsöffnung in Parsdorf in der Garage blieben, bezweifelte Bürgermeister Georg Reitsberger (FW): "Die Märkte halten unsere Bürger davon ab, dass sie in den Süden fahren." CSU-Fraktionschef Michael Niebler kritisierte Weingärtners Interpretation der Klimaschutzvorgaben. Wenn dies bedeute, die Bürger sollten besser zuhause bleiben, "dann ist das Bevormundung", außerdem müsste man dann auch andere Wochenendveranstaltungen absagen, etwa Fußballspiele. Renate Will (FDP) erklärte, zwar verstehe sie nicht unbedingt, warum man sonntags Möbel kaufen sollte, "aber als Liberale sage ich, wer da hinfahren will, soll es auch tun dürfen".

Roland Meier (FW) bemängelte, dass von der Sonntagsregelung nicht alle Gewerbetreibenden in der Gemeinde profitierten. In anderen Gemeinden sei dies an verkaufsoffenen Sonntagen möglich, "ich bin für Chancengleichheit". Was indes aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, wie Wirtschaftsförderer Georg Kast sagte. Denn laut Ladenschlussgesetz muss der Markt das Hauptereignis sein, weshalb nur Läden in unmittelbarer Nachbarschaft dazu öffnen dürfen. Aus diesem Grund wurde der Umgriff der Ladenöffnungen in den vergangenen Jahren sogar reduziert.

Die Parsdorfer selbst seien in der Frage, was man von den Marktsonntagen halten soll, im Übrigen geteilter Meinung, wie die beiden CSU-Gemeinderäte aus dem Ort, Leonhard Spitzauer und Albert Wirth, berichteten. Einige beschwerten sich über den Trubel, andere gingen selber gerne hin. Positiv sei, dass es, anders als in den Anfangsjahren, kaum mehr zu Chaos auf den Straßen komme, dank eines mit Feuerwehr und Polizei erarbeiteten Verkehrskonzepts. "Es sollte schon vier Mal im Jahr möglich sein", so Spitzauers Fazit, dem sich in der Abstimmung die Mehrzahl der Gemeinderäte anschloss. Neben Schmidt, Weingärtner, Lenz und Wirnitzer, stimmte auch Eva Maria Hemauer (SPD) und Friederike Michael, Ingrid Otto und Stefan Ruoff (alle Grüne) gegen die Sonntagsöffnungen.

Ob sie stattfinden können, hängt aber noch davon ab, ob die Gewerkschaft Verdi ihre Drohung wahr macht, und gegen die Marktsonntage klagt. In einer Stellungnahme an die Gemeinde, hatte Verdi bereits angekündigt, man ziehe "rechtliche Schritte in Erwägung". Wie Dominik Datz von Verdi München auf Nachfrage erklärt, sei eine Klage durchaus nicht ausgeschlossen, denn nach Ansicht der Gewerkschaft, sei eine Sonntagsöffnung, wie in Parsdorf, eindeutig illegal. Dies hätten Urteile in ähnlich gelagerten Fällen ergeben, so Datz: "Wo wir geklagt haben, haben wir auch gewonnen." Allerdings sei eine solche Klage teuer, "wir haben nicht das Budget um gegen jede illegale Sonntagsöffnung vorzugehen", sagt Datz. Einige Klagen werde man aber heuer auf jeden Fall anstrengen - ob Parsdorf dabei ist, entscheide sich wohl im Laufe der kommenden Wochen.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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