"Das kann man nicht üben":Mit Kopf und Kraft

Einen Maibaum ausschließlich mit Schwaiberln in die Senkrechte zu bringen, erfordert viel Geschick, vor allem aber Disziplin. Doch was, wenn zu viele gschaftln? Ein Streifzug durch die Gemeinden im Brauchtumsfieber.

Von Carolin Fries

Die letzten Maibaumwachen wurden morgens um vier Uhr abgelöst, "damit sich auch die Wachen noch ein paar Stunden Schlaf abholen konnten", erzählt der Oberpframmerner Sepp Baumann am Donnerstagvormittag. Nicht nur dort begannen bereits frühmorgens die Vorbereitungen für das Aufstellen des Maibaums. In acht Gemeinden im Landkreis wurden Maibäume aufgestellt. Überall wurden die Mühen der Beteiligten mit Sonnenschein zur Mittagszeit belohnt.

Purfing

"Das kann man nicht üben", sagt Bernhard Bichler. In Tracht steht er neben dem weiß-blau gestrichenen Stamm, der in den nächsten zweieinhalb Stunden senkrecht vor dem Feuerwehrhaus stehen soll. Bichler wird das Kommando haben, wie bereits bei den drei vorausgegangenen Maibäumen. "Der ist ganz glatt und darf keinesfalls abrutschen", erklärt er. Noch sitzen die Kinder des Dorfes breit grinsend auf dem frischen Stamm, doch dann wird es ernst. Zentimeter für Zentimeter schieben die Männer das breite Stammende in die Stahlschiene. Vier Meter tief ist das Gerüst im Erdreich verankert, "das war damals eine große Investition", sagt Michael Pfürmann, der zu den Gründungsmitgliedern der "Maibaumfreunde" gehört. Zehn Kubikmeter Beton füllen das Fundament - und in einem Hohlraum eine Bierflasche, auf der die Namen der Gründungsmitglieder von 1987 stehen.

Zorneding

Bürgermeister Piet Mayr steht mittendrin in der großzügig abgesperrten Gefahrenzone rund um das König Ludwig II-Denkmal. An den Absperrbändern sind die guten Plätze längst belegt, Mayr lacht und spricht von "gewissen Privilegien". "Wenn der Maibaum mir auf den Kopf schlägt, wäre es ein Dienstunfall." Doch der Maibaum liegt sicher in den dicken Seilen der Schwaiberl, an deren Enden insgesamt etwa 60 Männer stehen. Martin Strobl gibt das Kommando, wann und wie geschoben wird. "Das ist unsere Erfolgsstrategie", sagt Michael Jörg, Vorsitzender der IG Maibaum. Müsse er eine möglichst kurze Anleitung des Spektakels geben, dann würde er nur ein Wort wählen: Disziplin. Die Raiffeisenbank hat der Gemeinde den Baum gestiftet, es ist der längste, der in diesem Jahr im Landkreis aufgestellt wird. Bürgermeister Mayr fühlt sich an die 1200-Jahr-Feier vom vergangenen Sommer erinnert, "man sieht wieder, wie die Leute zusammenkommen". Für das überraschend gute Wetter hat er auch eine Erklärung: "Unsere Wetterkerze in Altötting wirkt noch nach."

Oberpframmern

"A bissl weida unten - wunderbar." " Hauuuuuu ruck - ganz guad." Stephan Glas lobt seine Mannschaft nach jeder gelungenen Aktion an den Schwaiberln. Er gibt am Mikrofon genaue Anweisungen ("Nummer drei mehr Kontakt halten") und verordnet auch Trinkpausen ("eine Minute"). Die Burschen trinken Spezi, Apfelschorle und Limo. Bier und Schnaps fließen derweil jenseits der Absperrungen, was gewiss auch an den jungen Damen liegt, die die Abzeichen verkaufen. "Ein Abzeichen zwei Euro, mit Schnaps drei Euro." 37,4 Meter misst der 32. Maibaum, den der Burschenverein aufstellt. Die Burschen aus Poing und Landsham, denen ein Diebstahl gelungen ist, helfen mit. Zähe Zentimeterarbeit. Auf dem Wagen des Burschenvereins aus Grasbrunn sitzen derweil grölende junge Männer mit Bierflaschen in den Händen und singen von halb bedeckten schneeweißen Busen. In so manchen Blick am Baum mischt sich Sehnsucht.

Ilching

"Des werd nix." In zehn Minuten wird es zwölf Uhr schlagen, "des schaffan die nie". Ein junger Mann aus Eglharting kann es kaum aushalten, wie die Ilchinger ihren Maibaum aufstellen ("da gschaftln alle"). Doch die Ilchinger selber wirken ziemlich entspannt. Martin Höher und Andreas Scherer kommandieren die Truppe. Aus Pöring, Buch und Eglharting sind Helfer gekommen, um den siebten Maibaum in dem kleinen Dorf aufzustellen. Für viele eine Geduldsprobe. "Normalerweise muss man Pausen machen, damit der Baum um zwölf steht", schimpft der Eglhartinger. Die Ilchinger haben die Ruhe weg. Rund um die blühende Kastanie in der Hofmitte füllen sich Bänke und Tische. Zeit für Grillteller und Schmalznudeln.

Ebersberg

"Ziehst Du auch deine Strumpfhose aus?" will ein kleines Mädchen von ihrer Freundin wissen. Sommerlich warm ist es mittags am Marienplatz geworden. Der Maibaum steht seit kurzem, jetzt werden die Zunfttaferl befestigt, fehlt noch die weiß-blaue Fahne. Die meisten Besucher haben jetzt Hunger - lange Schlangen, egal wohin man schaut. Nur am Kuchenbuffet hält sich der Andrang noch in Grenzen. Doch auch hier ist man gerüstet: "Hundert Kuchen werden wir schon da haben", sagt eine Dame.

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