Süddeutsche Zeitung

Müllberge:Ebersberger nutzen Corona-Stillstand zum Entrümpeln

In den Wertstoffhöfen ist so viel zu tun wie selten. Außer Sperrmüll fällt auch viel mehr Papier an

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Von kristallklarem Wasser aus Venedig wird berichtet, von verbesserter Luftqualität und Tieren, die sich die Natur zurückerobern. Wer aber wissen will, ob die Coronakrise wirklich zu mehr Nachhaltigkeit geführt hat, sollte sich bei den örtlichen Wertstoffhöfen umschauen. Denn dort landet derzeit mehr Abfall denn je.

Von Rekordumsätzen am Wertstoffhof etwa berichtet Agnes Gehrer von der Stadt Ebersberg. Vor allem die vergangenen beiden Monate scheinen viele Ebersberger dazu genutzt zu haben, Keller, Dachböden und Garagen zu entrümpeln. Im April 2019 wurden etwa 135 Kubikmeter Sperrmüll verzeichnet, dieses Jahr brachten es die Kreisstädter auf 241 Kubikmeter. Noch massiver sei der Zuwachs im Mai gewesen, so Gehrer: Hier lag die Steigerung bei Sperrmüll und Holz bei mehr als hundert Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Zu einem kleinen Teil liegt das auch an der genaueren Erfassung von Kleinmengen, die im März dieses Jahres - übrigens vollkommen unabhängig von Corona - eingeführt wurde", so Gehrer. Diese Regelung führe dazu, dass auch Mengen bis zu 90 Liter, die bisher aus Kulanz kostenlos angenommen wurden, erfasst und abgerechnet würden. Gehrer vermutet, dass auch einige Nicht-Ebersberger im März und April den Wertstoffhof an der B304 zur Entsorgung genutzt haben, da er als einer der wenigen uneingeschränkt geöffnet hatte. "Da die Stadt Ebersberg bei der Kalkulation der Annahmegebühren aber Wert auf Kostendeckung legt, stellt dieses im Übrigen vorübergehende Phänomen eigentlich kein großes Problem dar", sagt Agnes Gehrer. Inzwischen seien auch weitestgehend alle anderen Wertstoffhöfe in der Region wieder geöffnet.

Pizzakartons verstopften die Mülleimer

Generell sei ein anderes Abfallverhalten während der Coronazeiten zu beobachten, so Gehrer: "Gerade die Papier- und Kartonagencontainer an den Wertstoffinseln sind in den letzten Wochen geradezu übergequollen." Auch der Papiercontainer am Wertstoffhof habe deutlich häufiger geleert werden müssen. Als Erklärung führt Gehrer vor allem das geänderte Einkaufsverhalten der Ebersberger heran: So hätten viele ihre Einkäufe über das Internet getätigt. Jedoch der Trend, vermehrt zuhause zur Flasche zu greifen, weil dies in Kneipen und Restaurants nicht möglich gewesen ist, lässt sich in der Kreisstadt nicht nachzeichnen. "Ein manchmal in den Medien thematisierter erhöhter Konsum von Alkoholika zur Dämpfung des Corona-Frustes ließ sich nicht bestätigen", lässt Gehrer wissen.

Problematisch seien allerdings mancherorts die öffentlichen Mülleimer, vor allem in der Innenstadt von Ebersberg: Durch Pizzakartons und andere Mitnahmeverpackungen für Speisen seien diese noch häufiger überfüllt als vorher. "Wir hoffen aber auch hier", so Agnes Gehrer, "dass sich das mit der Öffnung der Gaststätten wieder langsam normalisiert." Ansonsten müsse an der ein oder anderen Stelle mit einem weiteren Abfalleimer aufgerüstet werden.

Mit deutlich mehr Müll hat auch die Gemeinde Steinhöring zu tun. Wegen der Enge im Wertstoffhof habe man während des Lockdowns keinen Sperrmüll angenommen, erzählt Bürgermeisterin Martina Lietsch (Freie Liste Steinhöring). "Dafür bekommen wir jetzt deutlich mehr", sagt sie. Viele Bürger hätten während der Ausgangsbeschränkung ihren Keller ausgeräumt. Auch wenn einige Steinhöringer direkt zum Entsorgungszentrum An der Schafweide fahren würden, seien die Container derzeit relativ schnell voll.

Seit zwei Wochen hat der Wertstoffhof in Steinhöring wieder normal geöffnet, allerdings mit einer Einbahnregelung. Diese habe sich so gut bewährt, dass man sie auch jenseits von Corona beibehalten will, so Lietsch: "Vorher haben die Leute immer kreuz und quer angeliefert. Jetzt läuft es optimal." Sie schätzt, dass sich auch in Sachen Abfall bald alles wieder normalisieren werde.

Die Schlange der Autos reicht bis auf die Straße

Nicht signifikant mehr Sperrmüll, aber einen Ansturm auf den Wertstoffhof hat die Gemeinde Vaterstetten zu verzeichnen. "Es kommen gerade wahnsinnig viele Leute", sagt Simone Herzig vom Umweltamt Vaterstetten. Weil derzeit nur eine bestimmte Anzahl an Fahrzeugen auf das Gelände des Wertstoffhofs fahren dürfen, stehen manchmal viele Autos in einer Schlange davor und blockieren teilweise auch die Hauptstraße. Vor allem Papier und Leichtverpackungen werden in Massen gebracht, aber auch Altglas. "Der Gewerbemüll fällt größtenteils weg, aber der private Müll ist mehr geworden", fasst Herzig zusammen. Vor allem die Rückstände von To-Go-Mahlzeiten und -Getränken würden viel von den Müllbergen ausmachen.

Auch die Wertstoffinseln in Vaterstetten sind hoch frequentiert und müssen momentan bis zu fünf Mal wöchentlich geleert werden. "Das ist immer ein Problem", sagt Herzig, "aber momentan ist es uferlos." Der Entsorger habe auch in Haar und München damit zu kämpfen. Zwar würde das Volumen der Container immer wieder aufgestockt. Doch vor allem die großen Kartonagen, die oft unzerkleinert entsorgt würden, nehmen viel Platz weg. Verschärfend komme hinzu, erzählt Herzig, dass nun schon zum dritten Mal in Folge die Altpapiersammlung entfalle. Normalerweise organisieren diese einmal im Monat verschiedene Vereine, die mit einem gemieteten Lieferwagen das Altpapier abholen. Weil jedoch aber auf der Lieferfläche die Sammler nicht den nötigen Abstand halten können, muss derzeit darauf verzichtet werden.

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SZ vom 08.06.2020
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