Virus:Coronakrise belastet Gemeindekassen im Kreis Ebersberg

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Symbolfoto. (Foto: dpa)

Angesichts absehbarer Einbrüche bei der Gewerbe- und Einkommenssteuer stehen die Kommunen in der Region vor schwierigen Zeiten.

Von Thorsten Rienth

Die Städte und Gemeinden im Landkreis Ebersberg müssen sich wohl auf gewaltige Einschnitte bei der Finanzierung ihrer Haushalte einstellen. "Für manche wird sich ganz klar die Frage stellen, wie sie ihre Liquidität aufrechterhalten", warnt der Vaterstettener Wirtschaftsförderer Georg Kast. Gerade das zweite Halbjahr könnte "echt problematisch" werden.

Hintergrund seiner Warnung sind zunächst einbrechende Einnahmen aus der Gewerbesteuer. "Sehr viele Unternehmen machen gerade von der Möglichkeit Gebrauch, ihre 2020er-Vorauszahlungen auf null zu setzen", berichtet Kast. "Die halten jetzt - verständlicherweise - erstmal ihre Finanzen zusammen." Weil die Gewerbesteuer aber zu den großen Einnahmequellen der Kommunen gehört, schmälert sich der Geldzufluss für laufende Ausgaben.

Das aktuelle Geschäft der Unternehmen wirkt sich dagegen erst zeitversetzt aus. "Wenn den Firmen jetzt die Aufträge wegbrechen, schlägt das bei uns in ein bis zwei Jahren durch", erklärt Grafings Kämmerer und künftiger Bürgermeister Christian Bauer (CSU). Nämlich dann, wenn in den Jahren 2021 oder 2022 die Gewerbesteuererklärungen des Jahres 2020 anstehen.

Seriös quantifizieren lassen sich die Rückgänge nach Ansicht von Bauer noch nicht. Zehn bis 15 Anträge auf Gewerbesteuerstundungen bearbeite die Kämmerei derzeit. Noch handele es sich dabei um eher kleinere Unternehmen. Zudem wisse die Stadt nicht, wer seine Stundungsanträge bereits direkt ans Finanzamt gerichtet hätte. "Was gerade passiert, wird wohl erst der Anfang sein." Dem Kämmerer zufolge sei ein Gewerbesteuer-Rückgang um bis zu 30 Prozent zu befürchten. Bauer steht mit seiner vergleichsweise finsteren Prognose nicht allein da. "Gerade bei den größeren Gemeinden reden wir hier schnell von Millionenbeträgen", ordnet Georg Kast aus Vaterstetten ein.

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Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind jedoch nur der eine Finanzierungspfeiler der Kommunen. Den anderen bildet die Beteiligung an der Einkommensteuer. "Die Kurzarbeit wird also zusätzlich unmittelbar Auswirkungen auf uns haben", erklärt Kast. Gingen die Einkommen zurück, reduzierten sich auch die Zuweisungen an die Kommunen.

Gerade für die Stadt Grafing ist das bitter

Kein Wunder also, dass die Kämmereien längst Gedankenspiele für die kommenden Monate exerzieren. "Um einen Nachtragshaushalt kommen wir nicht herum, so viel ist schon jetzt klar", sagt Bauer. "Man wird ganz klar überlegen müssen, welche beschlossenen, aber noch nicht gestarteten Projekte verzichtbar oder verschiebbar sind."

Gerade für Grafing ist das bitter. Erst vor ein paar Wochen hatte der Stadtrat seinen 2020er Etat beschlossen. Auf knapp 20 Millionen Euro summiert sich der Vermögenshaushalt. Rund drei Viertel davon gelten als besonders konjunkturabhängig: 5,5 Millionen Euro sollen aus der Gewerbesteuer kommen, fast elf Millionen Euro aus der Einkommenssteuerbeteiligung.

In Vaterstetten, immerhin der größten Landkreisgemeinde, führt der befürchtete Cashflow-Einbruch zu einer geradezu grotesken Situation: "Das alles kommt alles so schnell, dass wir gerade einen Haushalt finalisieren, von dem wir wissen, dass wir ihn - Stand jetzt - so nie und nimmer werden stemmen können", sagt Kast. Ähnlich wie in Grafing dürfte gelten: Nach dem Haushalt ist vor dem Nachtragshaushalt.

Sorge macht Kast auch der abrupte Einbruch der Wirtschaft. "Wir alle haben schon schlimme Jahre erlebt. Aber verglichen mit dem Bild der vergangenen Wochen waren das immer eher sanfte Abschwünge." Wie brenzlig die Situation für die Kommunen tatsächlich wird, hänge davon ab, wie schnell die Wirtschaft nach dem ersten Schock wieder in Gang kommt.

Und davon, wie das örtliche Gewerbe strukturiert ist. Der Brucker Bürgermeister Josef Schwäbl (CSU) reagiert auf Nachfrage vergleichsweise gelassen: "Wir sind noch eine sehr landwirtschaftlich strukturierte Gemeinde." Schwankungen in der Wirtschaftsleistung wirkten sich in Bruck zuletzt weniger stark aus. "Aber natürlich: Auch wir werden irgendwo Abstriche machen müssen." Zumindest aktuell sei ein Nachtragshaushalt aber noch kein Thema.

Klar ist derweil, dass dem Landkreis zeitversetzt eine weitere Diskussion ins Haus steht. Und zwar jene um die Höhe der Kreisumlage, mit denen Städte und Gemeinden den Haushalt des Landkreises mitfinanzieren. Je höher bei den Kommunen nun die Ausfälle bei Gewerbe- und Einkommenssteuer steigen, desto vehementer treten sie erfahrungsgemäß für eine Senkung des Umlagesatzes ein.

Der Landkreis wiederum kann kaum anders, als von den Kommunen tendenziell eine höhere Beteiligung einzufordern. Erst zum vergangenen Jahresende hatte der Kreistag ein umfangreiches Investitionsprogramm beschlossen: In Poing soll das fünfte Landkreis-Gymnasium entstehen, in Grafing Bahnhof seine erste Berufsschule. Nach ersten Schätzungen sollen die beiden Projekte zusammen mehr als 100 Millionen Euro kosten. Die Comenius-Schule in Grafing wird erweitert, das Vaterstettener Gymnasium und die Ebersberger Realschule saniert. Und das ist erst die Liste aus dem Bildungsbereich.

© SZ vom 15.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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