Corona und Bildung:"Ich habe immer sechs Kurse parallel"

Wie Homeschooling und Vor-Ort-Beschulung in der Privatschule Isargymnasium zusammengeführt werden. Englischunterricht einer 11. Klasse.

Der Unterricht via Bildschirm hat Lehrer und Schüler gleichermaßen vor Herausforderungen gestellt.

(Foto: Florian Peljak)

Neue Onlinetools, zusätzliche Server: Wie die Schulen im Kreis Ebersberg mit den Anforderungen des Distanzunterrichts umgehen.

Von Alexandra Leuthner

In der Früh klingelt wieder der Wecker. Nicht ganz so zeitig wie im normalen Schulrhythmus, aber immerhin. Der Weg vom Bett zur Englischstunde ist nicht weit, es genügt, 20 Minuten davor die Augen aufzumachen. Dann sitzt der Lehrer am anderen Ende der Leitung und wartet darauf, dass sich der Bildschirm mit den Kacheln und Gesichtern seiner Schüler füllt. Wer verschläft, wird registriert, und geht alles gut, klingelt einmal die Woche das Telefon und ein Lehrer fragt nach, wie es seinen Schützlingen gerade geht.

So oder so ähnlich läuft das im zweiten Lockdown, der, mindestens bis 14. Februar verlängert, den größten Teil der Kinder und Jugendlichen im Distanzunterricht belässt, allen Forderungen von Seiten der Eltern und auch Schülern zum Trotz. Wie es in Bayern dann weitergeht, ist noch nicht klar, eine Rückkehr der Abschluss- und Grundschulklassen in ein Wechselunterrichtsmodel gehört zu den Überlegungen. Eine Entscheidung aber scheint nicht mehr in Frage gestellt zu werden: Die Faschingsferien fallen aus.

Für Schulleiter, Lehrer und Schüler keine motivierende Aussicht, und die Kritik am Alleingang von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist überall spürbar: Niemand arbeite im Distanzunterricht weniger als zu normalen Zeiten, argumentieren die Schulleiter im Landkreis, zumal die Situation im zweiten Lockdown nicht mit der im Frühjahr zu vergleichen sei, und der Distanzunterricht weitgehend gut funktioniere. Vom Zusammenbruch der Online-Systeme, darunter die Lernplattform Mebis, gleich nach den Weihnachtsferien mal abgesehen.

Das sei mehr als ärgerlich gewesen, sagt die Direktorin des Grafinger Max-Mannheimer-Gymnasiums, Nicole Storz, zumal man "eigentlich für den Distanzunterricht gut vorgesorgt habe". Auf drei Säulen stütze man sich in Grafing, auf Mebis, auf Videokonferenzen über "Teams for education" sowie auf das Schülerportal und die Software Jitsi Meet. Um ein stabiles Streamen ermöglichen zu können - Grafing hat als relativ alte Schule mit einem schlechten Netz zu kämpfen - habe man über die Firma, die auch die Web-Page des Gymnasiums hostet, zwei zusätzliche Server aufstellen lassen, alles in Eigeninitiative.

Mittels einer Schülerumfrage hat das Gymnasium nun auch die Meinung seiner Schützlinge eingeholt, und die scheinen, abgesehen von der Kritik an drei verschiedenen Kommunikationskanälen, weitgehend zufrieden zu sein. Getrennt nach Unter-, Mittel- und Oberstufe wurden die Schüler gefragt, wie viele Videokonferenzen sie sich wünschen, ob sie das Lernpensum als eher hoch oder niedrig einstufen, und ob sie das Gefühl haben, wenn nötig, ihre Lehrer kontaktieren zu können. Im Vergleich zum Präsenzunterricht eher mehr als weniger hätten sie zu tun, antworteten fast alle Gymnasiasten, in der Oberstufe sogar deutlich mehr. Und was ein durchgängiges Unterrichten per Videokonferenz angeht: Das lehnten die meisten von ihnen ab, zwischen zwei und vier Stunden täglich seien gerade recht.

Die Poinger Anni-Pickert Grund- und Mittelschule geht indes, was die Onlineintensität angeht, noch einen Schritt weiter, mit Videounterricht auf Basis des Stundenplans. Die Gemeinde Poing hat den Zugang zum Microsoft-Konferenzprogramm MS Teams finanziert. Alles in enger Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten des Landkreises.

Das Programm, erklärt Schulleiterin Eva Guerin, stelle den Lehrern Tools zur Verfügung, die ein Arbeiten fast wie im analogen Unterricht ermögliche. "Sie können sogar Gruppenarbeit machen lassen, und mit einem Knopfdruck sind alle wieder da." Sie habe sich bewusst gegen die vom Kultusministerium geförderte Lernplattform "Teams for education" entschieden, so Guerin, weil die Lizenz dafür zunächst am 31. Dezember auslaufen sollte. Jetzt ist sie zwar bis April verlängert, aber wie es danach weitergeht, ist ungeklärt. "Ich wollte etwas, das wir länger nutzen können."

Was nicht heißt, dass in Poing alles digital läuft. "In der ersten Klasse lernen die Kinder gerade schreiben, "das geht nur in Papierform". Über Kisten, welche die Lehrer vor der Schule deponieren und zu denen die Schüler Zugang haben, werden Materialien ausgetauscht. Viele frisch geschriebene Buchstaben wechseln so zwischen Schülern und Lehrern hin und her, ohne dass die sich dabei begegnen.

Dass das mit dem Nicht-Begegnen im Distanzunterricht das größte Problem ist, haben alle Schulen im ersten Lockdown erfahren und daraus ihre Konsequenzen gezogen, auch die Realschule Vaterstetten. Schulleiter Stefan Gasior berichtet: "Wir haben jeden Tag Anwesenheitskontrollen." Die Lehrer könnten mit den Möglichkeiten im Distanzunterricht nun besser umgehen, "sie wissen jetzt, ob sie eine Videokonferenz machen oder Material einstellen sollten". Mindestens einmal pro Schultag aber habe jede Klasse Kontakt zu einem Lehrer, an manchen Tagen auch zweimal. Möglich sei das aber nur wegen der guten Infrastruktur der Schule und einem W-Lan-Netz, das stabil läuft. "Wir können aus jedem Klassenzimmer streamen", was auch möglich sei, weil überall ein PC und eine Dokumentenkamera stehe.

"Was wir aber noch nicht hatten, ist ein kompletter Wechselbetrieb, wenn wir aus allen 42 Klassen gleichzeitig streamen müssen." Der Gedanke an ein so genanntes Hybridmodell, wie es ab 14. Februar greifen könnte, belastet die Verantwortlichen aller Schularten, auch wenn es für sie, wie Schulamtsleiterin Sigrid Binder sagt, mittlerweile selbstverständlich geworden sei, sich auf veränderte Szenarien einstellen zu müssen. Den Grund- und Mittelschulen versuche das Schulamt zumindest mit zusätzlichem Personal zu helfen - Lehramtsstudenten mit erstem Staatsexamen -, was alleine schon zur Aufrechterhaltung des Notbetriebs dringend notwendig sei.

Gymnasien und Realschulen müssen anders zurecht kommen. "Klar, wir lassen uns auch im Hybridunterricht wieder was einfallen", sagt die Grafinger Direktorin Storz, aber wie sie bei der schlechten Netzanbindung des Schulhauses gleichzeitig eine Hälfte der Gymnasiasten vor Ort und die andere zu Hause unterrichten lassen soll, weiß sie noch nicht. Schon wenn nur die Abiturienten in die Schule zurückkehren, wird es schwierig. "Ich habe immer sechs Kurse parallel, da muss ich zwölf mal streamen, das geht nicht."

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