Musikalische Lesung:Zwischen Vergänglichkeit und Zuversicht

Bina Schröer und Emanuel Dürr

Setzen die Pandemie literarisch und musikalisch in Szene: Bina Schröer und Emanuel Dürr aus Kleinrohrsdorf bei Baiern.

(Foto: Harald Mayerthaler/oh)

"Von Seuchen und Menschen": Bina Schröer und Emanuel Dürr zeigen, wie dereinst literarisch und musikalisch mit Krisen umgegangen wurde.

Interview von Michaela Pelz

Schon zum dritten Mal bieten Bina Schröer und Emanuel Dürr in Zusammenarbeit mit der VHS und der Musikschule Vaterstetten nun eine musikalische Lesung an. Diesmal leider ohne Livepublikum, per kostenfreiem Stream jedoch für alle zugänglich. Und das Thema ist brandaktuell: "Von Seuchen und Menschen". Am Telefon erzählt die Schauspielerin und Regisseurin, wie sie die Pandemie erlebt und auf welche Highlights man sich am Mittwoch, 24. Februar, freuen darf.

SZ: Frau Schröer, wann und wie ist die Pandemie in Ihr Leben getreten?

Bina Schröer: Im März 2020, mit der abrupten Schließung der Schauspielschule in München, an der ich unterrichte.

Wie ging es Ihnen mit der Situation?

Anfangs habe ich mich gefreut: Sieben Wochen am Stück frei! Das gab es seit dem Ende meiner Ausbildung noch nie. Deswegen habe ich diese Auszeit sogar fast genossen: Nun musste ich gar kein schlechtes Gewissen haben, nichts zu unternehmen.

Bei der Freude blieb es vermutlich nicht...

Natürlich nicht. Ein Theaterseminar entfiel, meine Arbeit als Regisseurin ruhte. Das hieß auch: Einnahmestopp. Ganz abgesehen davon, dass der Verlust für meine Schüler ein immenser ist. Die Abschlussklasse spielt normalerweise sieben Abende lang vor Publikum ihr Stück - nun ersatzlos gestrichen.

Ist der Unterricht generell lahmgelegt?

Ich versuche, aus der Not eine Tugend zu machen, trainiere zum Beispiel mit den Schülern E-Castings. Aber via Bildschirm bleibt es doch immer nur ein Abklatsch. Man sieht den Körper nicht, die Chemie kommt nicht an, wenn Präsenz und Ausstrahlung sich nicht spüren lassen. Mir fehlt da wahnsinnig viel.

Auch das Ebersberger Theater "Zwischenton", bei dem Sie Regie führen, hat die Pandemie schmerzlich zu spüren bekommen.

Ja, wir mussten die Premiere von "After Work" im Alten Kino absagen. Nach über einem Jahr Arbeit. Wir waren ausverkauft, sogar der Autor wäre aus München gekommen. Jetzt bereiten wir gerade einen Livestream vor. Alle lesen aus einem Text, der sie beschäftigt, wir singen auch was.

Haben Sie denn auch irgendeinen positiven Nebeneffekt wahrgenommen?

Ich denke, es gab auch Gutes: Man hat sich auf das Wesentliche besonnen, mehr zusammengehalten, öfter telefoniert, sich häufiger Post geschickt. Doch was mir immens fehlt, ist der direkte Austausch. Dadurch habe ich auch gemerkt, wie sehr ich meinen Beruf liebe. Das hat sich in mehr als 30 Jahren nicht geändert.

Wie kam es zu "Von Seuchen und Menschen"? War das eine Art Notlösung, weil ohnehin nichts mehr ging?

Umgekehrt: Zu Anfang des Lockdowns erhielt ich einen Anruf von VHS-Geschäftsführer Helmut Ertel, der mich nach meinem Befinden fragte. Und ob die Situation nicht auch für mich absolut irreal und merkwürdig sei. "Daraus muss man unbedingt etwas machen!", sagte er.

Sie fanden die Idee gleich gut?

Witzigerweise hatte ich vorher schon angefangen, für mich selbst kleine Impressionen von den Veränderungen aufzuschreiben. Ich erinnerte mich zudem an die Schullektüre von Camus' "Pest". "Maske des Roten Todes" (E. A. Poe) war für mich schon als Kind eine Lieblingslektüre, das stand im Schrank.

Wie kamen Sie auf die anderen Texte?

Durch Zufall, beim Rumschmökern im guten alten Hugendubel. Ich habe mittlerweile einen guten Riecher, recherchiere gern und war froh, etwas zu tun zu haben.

Die Auswahl reicht nun von Mittelalter-Schauergeschichten über Schiller bis zu von Schirach. Was steht im Vordergrund: Das Publikum an die Vergänglichkeit zu erinnern oder ihm die Zuversicht zu vermitteln, dass auch das vorbeigehen wird?

Eigentlich beides. Der Vorteil dieser weltweiten Krise, die alle betrifft, ist doch: Man konzentriert sich auf das, was wirklich wichtig ist. Gleichzeitig bin ich ein Genussmensch, sage mir: Du lebst, also mach das Beste draus, jammer' nicht rum!

Hat Sie das durch diese Zeit getragen?

Ja, wobei ich denke, es war eine Mischung aus Humor und Zuversicht. Der Mensch lässt sich nicht unterkriegen.

Zurück zu den Texten: Welcher ist Ihr ganz persönlicher Favorit?

Für meine Lesungen suche ich immer Texte aus, die mich ansprechen, also mag ich alle. Am meisten Paolo Giordanos "In Zeiten der Ansteckung". Sehr witzig und sehr auf den Punkt gebracht, betrachtet er die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln. Im Grunde könnte man nur mit diesem Buch eine Lesung machen. Aber es soll ja ausgewogen und unterhaltsam sein.

Was ja auch durch die Musik erreicht wird. Was war Ihrem Partner Emanuel Dürr bei seiner Auswahl wichtig?

Er mag gern mittelalterliche Sachen. Meine Lieblingsband Poets of the Fall habe ich beigesteuert. Wir sind beide totale Musikfans, aber nicht auf einen Stil festgelegt. Im Grunde hat er die Musik passend zu den Geschichten ausgesucht.

Überraschenderweise ist auch ein Stück dabei, das viele als Kinderlied kennen.

Mein Mann ist durch Recherche draufgekommen - und fand es viel besser als die Pestchoräle, die es so gibt. Außerdem wird man einen Mittelaltertanz mit Schellenbegleitung hören. Der sollte die Leute aufheitern. Ähnlich wie das oben erwähnte Lied, das jeder kennt und mitsingen kann.

Ein Grund mehr, sich auf den Mittwoch zu freuen. Was macht Sie selbst beim Gedanken an diesen Abend am meisten froh?

Gemeinsam mit dem Publikum den Moment erleben und es mitnehmen zu dürfen - etwa nach London im 17. Jahrhundert. Und dass sich wahrscheinlich meine Schwester aus Berlin und eventuell sogar Freunde aus Wales zuschalten werden.

Das wäre bei einer normalen Lesung eher schlecht möglich...

Genau. Und so hat auch diese Einschränkung eine gute Seite.

"Von Seuchen und Menschen", am Mittwoch, 24. Februar, 19 Uhr, Eintritt frei. Zugang und Infos unter https://www.vhs-vaterstetten.de/

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