Corona-Krise"Wir sitzen permanent auf dem Trockenen"

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Eigentlich sollte es jetzt genügend Impfstoff geben. Wie dieser verteilt wird, kann aber nicht jeder nachvollziehen

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Wenn der Kirchseeoner Allgemeinarzt Rainer Kraus mal wieder davon hört oder liest, dass es mit dem Impfstoffnachschub jetzt bestens klappt, kann er sich nur wundern. Oder ärgern. Denn Woche für Woche hat er für seine Praxis die Maximalmenge von 60 Impfdosen bestellt. Und Woche für Woche bekam er meist nur zehn Stück geliefert, diese Woche vielleicht ausnahmsweise mal 20. "Wir sitzen permanent auf dem Trockenen", sagt er. Ständig klingle das Telefon, man komme zu fast nichts anderem mehr, seine Patienten hofften auf eine Impfung bei ihm, dem Arzt, zu dem sie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Etliche von ihnen leben oder arbeiten in Pflegeheimen. Doch meistens müssen Kraus und sein Mitarbeiterinnen nur Absagen erteilen.

Dabei ist jetzt häufig die Rede davon, dass keine Impfstoffknappheit mehr herrscht. Im Ebersberger Impfzentrum gibt es freie Termine, die Menschen im Landkreis werden nachdrücklich dazu aufgefordert, sich im Impfportal zu registrieren, denn dann könne sehr zeitnah ein Termin vergeben werden. An diesem Montag ist eine Impfung sogar ganz ohne Anmeldung möglich. Auch groß angelegte Impfaktionen durch niedergelassene Ärzte im Landkreis gibt es. "Und ich muss meine Patienten ständig vertrösten", sagt Kraus.

Impfzentren versorgen die Länder, alle anderen der Bund

Doch wie funktioniert der Impfstoffnachschub im Freistaat? Und wer bestimmt, welcher Arzt wie viele Dosen bekommt? Das ist tatsächlich kompliziert. "Der Impfstoff, den der Bund an die Länder gibt, ist für die Impfzentren vorgesehen. Die Zuteilung der Impfdosen an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte erfolgt ausschließlich vom Bund aus. Haus-, Privat- und Betriebsärzte bestellen ihren Impfstoff eigenständig über die Apotheken und beziehen diesen über den pharmazeutischen Großhandel. Auf die Verteilung - und damit die Impfgeschwindigkeit in Arztpraxen - hat die Staatsregierung daher keinen direkten Einfluss", informiert ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage.

Rein theoretisch sollte die Menge an Impfstoff inzwischen ausreichen, allerdings kann es bei der Verteilung gelegentlich noch zu Verzögerungen kommen.
Rein theoretisch sollte die Menge an Impfstoff inzwischen ausreichen, allerdings kann es bei der Verteilung gelegentlich noch zu Verzögerungen kommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der vom Bundesgesundheitsministerium zugeteilte Impfstoff wird im Zusammenspiel mit dem Großhandel auf die Apotheken verteilt, die die Vakzine wiederum an die Ärzte weitergeben. Tatsächlich sei in den vergangenen Wochen nicht so viel Impfstoff erhältlich gewesen wie dies wünschenswert gewesen wäre, sagt Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband. Warum es aber sein kann, dass ein Arzt deutlich schlechter bedient wird als ein anderer, das lasse sich nur sehr schwer einordnen. Was vor allem daran liege, dass sich die Lage auch ständig ändere - nicht nur wöchentlich oder täglich, manchmal sogar stündlich. "Manchmal informieren wir unsere Apotheken mit zwei Aussendungen pro Tag", so Metz. Man müsste also genau betrachten, wer wann welche Bestellung abgegeben habe. Dass weiterhin Ärzte nicht so viel Impfstoff erhalten wie sie wollen, damit rechnet der Apotheker-Sprecher aber nicht. "Jetzt gibt es eine deutliche Entspannung", sagt er. Inzwischen könnten in der Regel mehr Impfstoffe geliefert werden als nachgefragt werde. Auch eine empfohlene Höchstbestellmenge gebe es inzwischen nicht mehr: "Jeder kann bestellen, so viel er mag."

Ähnlich beurteilt man mittlerweile die Lage beim Bayerischen Hausärzteverband, wo man lange den schlechten Impfstoffnachschub kritisiert hatte. Tatsächlich habe lange Zeit eine Impfstoffknappheit geherrscht, sagt eine Sprecherin. Jetzt könne man aber dem Bedarf entsprechend ordern: "Das Problem hat sich mittlerweile erledigt."

© SZ vom 12.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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