Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Einrichtungsverbund Steinhöring: "Unsere Mitarbeiter sind enorm flexibel"

Wie Corona das Leben im Einrichtungsverbund Steinhöring beeinflusst, berichtet Leiterin Gertrud Hanslmeier-Prockl.

Von Karin Kampwerth, Steinhöring

Obwohl Werkstätten, Kitas, Schulen und heilpädagogische Tagesstätten geschlossen sind, haben die Mitarbeiter des Einrichtungsverbundes Steinhöring in diesen Tagen mehr zu tun denn je. Wie das Coronavirus einen sensiblen Bereich herausfordert, in dem die Klienten verlässliche Strukturen brauchen, um ihr Leben meistern zu können, darüber spricht die Leiterin Gertrud Hanslmeier-Prockl am Telefon.

SZ: Schön, dass wir Sie erreichen.

Gertrud Hanslmeier-Prockl: Allerdings. Die Mitarbeiter unserer Fachdienste sind zum Beispiel gerade den ganzen Tag am Telefon. Die Werkstätten sind geschlossen, was bedeutet, dass die Beschäftigten zuhause bleiben müssen. Wir rufen die betroffenen Familien an und fragen nach, wie es ihnen geht. Wir versuchen auch zu spüren, ob jemand vielleicht überfordert ist. Selbstverständlich gilt auch bei uns: Wer in systemrelevanten Berufen arbeitet, kann für seine Angehörigen mit Behinderung unsere Notbetreuung in Anspruch nehmen.

Hat sich Ihre Arbeitsorganisation auch an anderer Stelle so grundlegend geändert?

Wir sind seit vier Wochen rund um die Uhr damit beschäftigt, wie wir den Betrieb am Laufen halten. Glücklicherweise haben wir tolle Mitarbeiter, die enorm flexibel sind. Das muss man sich mal vorstellen: Wir haben etwa 900 Kolleginnen und Kollegen, aber nur noch die Hälfte arbeiten in ihrem angestammten Bereich.

Zum Beispiel?

Unsere Wäscherei in Eglharting ist wie alle anderen Werkstätten geschlossen. Weil wir aber die Kreisklinik, die dort ihre Wäsche waschen lässt, nicht im Stich lassen wollten, waschen jetzt Mitarbeiter von uns und verpacken das Klinikbesteck. Und am Fendsbacher Hof müssen die Aussaaten vorgenommen und die Tiere versorgt werden.

Wie steht es um die Gesundheit im Einrichtungsverbund?

Wir bereiten uns immer noch auf den Krisenfall vor. Noch hatten wir erst drei Fälle mit leichten Verläufen. Unser Schwerbehindertenbereich darf nur mit Schutzmasken betreten werden.

Die wahrscheinlich auch für Sie nur schwer zu bekommen sind?

Ja, aber wir haben ein super Netzwerk. Auch wir haben schon Bestellungen in China getätigt, erhalten Material vom Katastrophenschutz und haben zuletzt eine Firma in Oberding aufgetan, die FFP2-Schutzmasken fertigt. Wir haben auch schon selbst Masken unter Anleitung der Hauswirtschaftslehrerin in der Korbinianschule genäht und so viele Freiwillige, die für uns nähen.

Wie sieht Ihr Weg zurück in einen halbwegs normalen Betrieb aus?

Wir haben uns bereits mit mehreren Szenarien beschäftigt, wie es weitergehen kann. Natürlich werden wir überall auf die Abstandsregeln achten. Die Wohngruppen bleiben unter sich. Wenn unsere Werkstätten wieder aufmachen, werden wir statt in gemischten Gruppen nur noch innerhalb der Wohngruppen zusammenarbeiten und dort nicht mehr Beschäftigte aus verschiedenen Gruppen und Standorten einsetzen.

Fürchten Sie, dass die Corona-Krise Sie Auftraggeber kosten wird?

Viele Auftraggeber warten darauf, dass wir in den Werkstätten die Arbeit wieder aufnehmen können. Wir müssen aber auch damit rechnen, dass wir Auftraggeber verlieren.

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Quelle:
SZ vom 21.04.2020/aju
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