Corona in Ebersberg:"Man sollte hier verdammt nochmal geduldig sein"

Coronavirus: Ein 13 Jähriges Schulmädchen bekommt eine Corona-Impfung

Ausreichend Vakzin ist im Kreis Ebersberg vorhanden, der große Andrang auf Impfstoff für Kinder und Jugendliche nicht.

(Foto: imago images/MiS)

Dass die Politik nun trotz fehlender Empfehlung Impfungen für Kinder fordert, stößt bei Ärzten im Kreis Ebersberg auf Unverständnis.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Mäßig. Das beschreibt den Andrang für eine Corona-Schutzimpfung unter den Zwölf- bis 17-Jährigen im Landkreis Ebersberg wohl am besten. Ob die zu Beginn der Woche beschlossene Impfkampagne für Kinder und Jugendliche der Gesundheitsminister von Bund und Ländern daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten - die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt weiterhin lediglich denjenigen aus dieser Altersgruppe eine Impfung, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben.

Das ist beispielsweise bei Trisomie 21 oder chronischen Lungen- oder Nierenleiden der Fall. Laut Liam Klages, Leiter vom Ebersberger Impfzentrum, machen Kinder und Jugendliche bislang nur einen "sehr sehr kleinen Teil" der täglichen neuen Impflinge aus.

In der Kinderarztpraxis von Lampros Kampouridis in Baldham haben bis einschließlich Dienstag um die 70 Kinder und Jugendliche eine Corona-Impfung erhalten. Gut 80 Prozent davon waren 15 Jahre oder älter. Bei den Jüngeren war und ist die Nachfrage sehr gering. Verwundert ist Kampouridis darüber aber nicht, schließlich gibt es keine pauschale Stiko-Empfehlung für die Impfung. Ihn ärgert es, dass sich die Politik nun für einen Alleingang entschieden hat.

"Wir haben in Deutschland gelernt, uns nach den Empfehlungen der Stiko zu richten - und das wird jetzt von Politikern mit Füßen getreten." Eltern seien zurecht verunsichert, würden sich oft an den Kinderarzt oder die Kinderärztin wenden und es folgten zum Teil lange Beratungsgespräche, in denen individuell abgewogen werde: Impfung ja oder nein.

Das ist zeitintensiv für Praxen und verwirrend für Eltern - in Kampouridis' Augen aber nicht das eigentliche Problem. Denn dieses ist seiner Ansicht nach ein viel größeres: Was ist mit den übrigen Empfehlungen der Stiko? Masern, Polio, Tetanus, Keuchhusten, Windpocken, Tetanus - alles Impfungen, die von der Kommission für Kinder und Jugendliche empfohlen werden. Da sich nun die Politik bei der Corona-Schutzimpfung von der Stiko abwendet, befürchtet Kampouridis auch Auswirkungen auf diese Richtlinien, ganz nach dem Motto: "Ach, was die Stiko sagt, ist doch eh egal."Aus einer strukturellen Empfehlung könne so schnell eine anarchische werden: Geimpft wird dann nur noch nach Gutdünken.

Auch beim großen Kinderimpftag Ende Juli in Ebersberg ist der große Run ausgeblieben. 263 Impftermine wurden gebucht, 370 waren angeboten - es wären also gut 100 Spritzen mehr möglich gewesen. Dennoch hätten im Ebersberger Impfzentrum bislang etwas mehr Kinder und Jugendliche eine Impfung erhalten als in so manch anderen Landkreisen, wie Liam Klages sagt: 775 minderjährige Impflinge gibt es, davon 160 mit erhöhter Priorität - also mit einem der von der Stiko genannten Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf aufgrund einer Corona-Infektion.

Einen möglichen anderen Grund für die momentan recht moderate Impf-Nachfrage sieht der stellvertretende Leiter des Impfzentrums Maximilian Ziegler in der Jahreszeit: Gerade noch standen für Schülerinnen und Schüler die letzten Prüfungen des Schuljahres an, nun sind Ferien und Urlaub angesagt. "Da möchte niemand mit Impfreaktionen krank im Bett liegen." Regelmäßig klappere ein Team des Impfzentrums Schnellteststellen in Ebersberg ab und spreche dort die Menschen auf Impfungen an.

"Nicht jetzt so kurz vor dem Urlaub", würden viele Ungeimpfte antworten. Ziegler könnte sich deshalb gut vorstellen, dass die Quote im Herbst wieder steigen wird - sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen. Dann herrscht bei den Arztpraxen auch keine Urlaubszeit mehr, denn auch das wird vermutlich mit dazu beitragen, dass derzeit die Nachfrage im Bereich der Unter-18-Jährigen so niedrig ist.

Auch Marc Block hat in seiner Funktion als Ärztlicher Koordinator der niedergelassenen Praxen im Landkreis Ebersberg bis dato von keinem Kollegen und keiner Kollegin gehört, dass eine Praxis der Nachfrage nicht Herr würde - kein Vergleich zu dem Ansturm im Frühjahr, als die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen in die Impfkampagne für Erwachsenen mit einbezogen wurden. In Blocks eigener Hausarztpraxis in Zorneding wurden bislang ungefähr 25 Kinder und Jugendliche geimpft. Er hält es wie sein Kollege Kampouridis aus Baldham: Was die Stiko sagt, zählt. Deshalb möchte er alle Erwachsenen, die noch ungeimpft sind, dazu animieren, sich ihren Corona-Schutz abzuholen. Für diese Altersgruppe sei die Datenlage bislang anders als die für Kinder - nämlich deutlich aussagekräftiger.

Auf die Über-17-Jährigen verweist auch Kinderarzt Kampouridis: Angesichts der derzeit sinkenden Impfnachfrage habe die Politik versagt, die Mehrheit der Erwachsenen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen. Gleichzeitig habe man es nicht geschafft, die Schulen sicherer zu machen - als Konsequenz sollten sich nun möglichst viele Kinder impfen lassen. Und damit werde eine nationale Impfkommission einfach mal so ausgehebelt. "Dort sitzen aber die Profis", so Kampouridis weiter. "Dann sollte man hier verdammt nochmal auch geduldig sein."

Kinder ab zwölf Jahren können sich ohne vorherige Anmeldung täglich zwischen 9 und 17 Uhr im Ebersberger Impfzentrum nach einer ärztlichen Aufklärung und der notwendigen Zustimmung der Sorgeberechtigten impfen lassen. Weitere Infos gibt es unter lra-ebe.de/aktuelles/informationen-zum-corona-virus/impfzentrum.

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