Corona-Krise in Ebersberg:Landkreis wird wohl zum Hotspot

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Der Personalnotstand an Krankenhäusern hat sich in der Pandemie noch verschärft, weil viele Pflegerinnen und Pfleger ihren Beruf aufgegeben haben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In der Kreisklinik Ebersberg sind alle Intensivbetten belegt, die Inzidenz liegt über 300. Bleibt das so, greifen bald strengere Regeln.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Neulich war die Kreisklinik Ebersberg für eine Patientin auf der Suche nach einem freien Intensivbett in der Umgebung. Doch keine Chance - alles belegt. "Das nächstgelegene Krankenhaus, das aufnahmebereit war, war in Ulm", erzählt Stefan Huber, Geschäftsführer der Ebersberger Klinik. Das beschreibt auch schon gut, wie düster die Lage momentan ist. "Oberbayern steht vor einem Kollaps, was die Intensivmedizin betrifft", sagt Huber. Die aktuelle Situation in der Corona-Pandemie als besorgniserregend zu beschreiben, wäre seiner Ansicht nach noch eine Verharmlosung: "Wir saufen komplett ab." Die Entwicklung könnte bald auch Konsequenzen haben: Bleibt die Sieben-Tage-Inzidenz in Ebersberg über 300, gilt der Landkreis als Hotspot - und die Bürgerinnen und Bürger müssen sich wieder an strengere Regeln halten.

Tatsächlich hat sich die Lage im Landkreis innerhalb weniger Wochen massiv verschärft. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt jetzt seit zwei Tagen über 300 - solche Werte waren im Landkreis noch nie zuvor registriert worden. In Frauenneuharting liegt der Wert sogar bei 1900 - in der kleinen Gemeinde wurden in den vergangenen sieben Tagen 30 Neuinfektionen gemeldet. Insgesamt sind aktuell 714 Menschen im Landkreis infiziert.

Eine Patientin auf der Intensivstation ist erst 47 Jahre alt

Und auch in der Kreisklinik kommen wieder mehr Covid-19-Patienten an. Sechs von ihnen müssen derzeit auf der Intensivstation behandelt werden, "alle in sehr schlechtem Zustand", wie Stefan Huber erläutert. Es zeige sich, dass viele Betroffene sich sehr spät in ärztliche Behandlung begäben: "Die meinen immer noch, das ist wie eine Grippe, die wieder vergeht." Die jüngste Patientin auf Intensiv ist derzeit 47 Jahre alt.

Das Alter der Patienten hat auch Auswirkungen auf die Dauer der Behandlung. Jüngere können länger gegen die Krankheit kämpfen, laut Huber werden sie im Schnitt sechs bis acht Wochen auf Intensiv betreut, während es bei den ersten Corona-Wellen, in denen vor allem Ältere betroffen waren, eher vier bis fünf Wochen waren. Und jetzt beginnt der Winter erst - im vergangenen Jahr habe sich die Situation von diesem Zeitpunkt an Monat für Monat weiter verschärft, sagt Huber, "warum sollte es diesmal anders sein?"

Fast nirgendwo im Umland ist noch ein Intensivbett frei

Dass es in diesem Winter, anders als im vergangenen, eine Impfung gegen das tückische Virus gibt, bremst die Entwicklung zwar ein wenig, aber nicht genug. "Die Impfquote ist miserabel, von einer Herdenimmunität und einer guten Situation sind wir weit weg", sagt Huber. "Viele haben immer noch nicht verstanden, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder sie lassen sich impfen, oder sie infizieren sich - eine dritte Möglichkeit gibt es nicht." Doch nicht nur die schlechte Impfquote bereitet dem Krankenhauschef Sorgen, auch die allgemeine Sorglosigkeit der Menschen. Es werde ja schon so gehandelt, als sei die Pandemie vorbei, sagt er, doch davon sei man nun einmal noch weit entfernt.

Die äußerst angespannte Situation heißt nicht nur, dass die Kreisklinik keine neuen Corona-Patienten mehr auf der Intensivstation aufnehmen kann. Auch sonst wird es eng. Fast im gesamten Münchner Umland ist laut Huber kein Intensivbett mehr frei: Die Unikliniken Rechts der Isar und Großhadern sind ebenso voll wie das Deutsche Herzzentrum, das Bogenhausener, das Schwabinger und das Harlachinger Krankenhaus, die Klinik Agatharied, die Schön-Klinik Bad Aibling sowie die Kliniken in Rosenheim, Freising, Erding und eben auch Ebersberg.

Zwar werden Schwerkranke, beispielsweise nach Unfällen, natürlich dennoch versorgt, dann aber beginnt die Suche nach einem Intensivbett, in dem die optimale Behandlung möglich ist - was immer schwieriger wird. Und was, wenn dennoch ein schwerer Unfall mit vielen Verletzten passiert? "Da mag man gar nicht dran denken", sagt Huber. Seine Freunde und Verwandten hat Huber jedenfalls schon aufgerufen, extrem vorsichtig zu sein, um eine Notfallversorgung im Krankenhaus auf jeden Fall zu vermeiden. Huber geht davon aus, dass die Kreisklinik - wie in den vorangegangenen Corona-Wellen - auch planbare Operationen bald wieder verschieben muss.

Auch das Landratsamt schließt sich deshalb erneut Hubers Appell an, sich impfen zu lassen: "Vor dem Hintergrund des aktuellen Pandemiegeschehens und der zunehmend angespannten Situation in den Kliniken werden alle Landkreisbürgerinnen und -bürger, die sich bis jetzt noch nicht zu einer Impfung entschließen konnten, gebeten das unbedingt nachzuholen. Wer bewusst den schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung in Kauf nimmt, sollte auch ins Kalkül ziehen, dass er oder sie dann einen Platz auf der Intensivstation einer Klinik braucht und beansprucht. Einen Platz, der vielleicht jemanden das Leben retten könnte, der beispielsweise eine Tumor-Operation benötigt", heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung aus dem Landratsamt.

Nächste Woche könnten neue Einschränkungen gelten

Dort muss man sich nun auch wieder mit möglichen neuen Einschränkungen befassen, wie sie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für Hotspots angekündigt hat. Gelten sollen diese von Samstag an, sollte Ebersberg - wie momentan - dann immer noch die Kriterien für einen Hotspot erfüllen, wird in vielen Einrichtungen und Veranstaltungen, in denen bisher die 3G-Regel galt, 2G eingeführt, es haben also nur noch Geimpfte und Genesene, nicht aber Getestete Zutritt. Ausgenommen werden hier die Gastronomie, Beherbergungsunternehmen und körpernahe Dienstleistungen. Hier bleibt es bei 3G plus. Außerdem würde dann in vielen Bereichen auch am Arbeitsplatz die 3G-Regel gelten.

© SZ vom 04.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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