Süddeutsche Zeitung

CD-Präsentation:Schlichter Schmetterling

Lesezeit: 3 min

Das Hamburger Duo "Fjarill" spielt auf Gut Sonnenhausen

Von Daniel Fritz, Glonn

"Kom Hem", komm heim! Mit dieser schönen Aufforderung betitelt ist das Album, das das Duo Fjarill am Sonntag auf Gut Sonnenhausen vorstellt. Der dortige "Freiraum" ist mit gut zwei Dutzend Besuchern kaum gefüllt, doch zwei lange, halbrunde Stuhlreihen schaffen eine behagliche Atmosphäre. Niemand sitzt mehr als drei Meter entfernt von den beiden Künstlerinnen. Diese musizieren ohne Noten, Notizen oder Setliste, präsentieren sich greifbar und unverfälscht mit minimaler Tontechnik. Das Hamburger Duo Fjarill, zu deutsch Schmetterling, gibt es seit 15 Jahren, der Auftakt der aktuellen Tour ging Ende April in der Elbphilharmonie über die Bühne. Die Schwedin Aino Löwenmark singt am Klavier, ihre südafrikanische Kollegin Hanmari Spiegel spielt meist Geige, ergänzt den Gesang und löst ihre Kollegin zuweilen an den Tasten ab.

Ein nahendes Gewitter mit erstem Donnergrollen und atmosphärischem Regenklang mischt sich gut mit den ersten Tönen der Damen. Der Rahmen ihrer Klanggemälde reicht von zarten Geigentönen bis zum gemeinsamen Fortissimo. Man genießt diese Musik am besten so, wie sie den Großteil des Konzerts vorgetragen wird: mit geschlossenen Augen. Das Programm der zwei Musikerinnen konzentriert sich neben wenigen Liedern in Afrikaans hauptsächlich auf schwedische Texte in Form schnörkelloser Songs irgendwo im Grenzgebiet von Pop, Folk und filmtauglicher Stimmungsmusik. Dass man die Texte in fremden Sprachen nicht versteht, ist schade, ermöglicht aber auch ein Wegträumen und individuelles Kopfkino: Man möchte Worte erahnen, anmoderierte Inhalte und Stimmungen wiederfinden.

Weniger die Kompositionen an sich, vielmehr der Sprachklang Löwenmarks und ihre Art, gesanglich zu erzählen, erzeugen eine zarte, elegisch-nordische Stimmung. Dramaturgisch geschickt ist, dass fast jedes Stück in einer anderen Tonart steht und so stets einen neuen Klangraum öffnet. Die Harmonik ist fast ausnahmslos reibungslos und bewegt sich ohne Überraschungen im diatonischen Rahmen. Die Begleitmuster am Klavier folgen Popklischees: einfache Arpeggios, glatte Rhythmik, triviale Liedbegleitung. Spannend und fast schon erlösend wirken daher ein teils walzerndes 6/8-Stück und die wenigen Parts, in denen Fjarill mit dem geraden Metrum durch verkürzte oder ungerade Takte bricht. Doch die beiden musizieren auf hohem Niveau, so präzise wie gefühlvoll, insofern ist die Bescheidenheit ihrer Arrangements wohl bewusst gewählt. Bei einem Stück passt es aber so gar nicht mit der Schlichtheit: Unter dem Titel "Monster" wird ein Lied über Ängste angekündigt, hässlich und grob soll es laut Warnung werden - doch nach einigen wilden Geigentakten schrumpft das Monster zwar laut, aber völlig harmlos und gefällig zu einem simplen Popsong in a-Moll zusammen. Mehr Mut bitte, ein Kulturpublikum genießt auch mehr Komplexität!

Vor allem Aino Löwenmark gibt sich sehr nah, natürlich und sympathisch. Sie scheint alterslos: zwei Zöpfe, freches Lächeln. Ihr Gesang ist klar und leicht, ohne Vibrato und mit wenig Verzierungen. Nicht markant, aber den volkstümlichen Geschichten angemessen gestaltet sie warme, den Raum füllende Linien. Informative, lockere Ansagen nehmen die Zuhörer mit in die Welt von Fjarill. Ein unterhaltsamer Indikator des musikalischen Ausdrucks ist neben einer starken Mimik auch Löwenmarks linker Fuß, mit dem sie - wie viele Pianisten - den Takt spürt, der sich aber auch selbständig windet und tanzt, der samt Bein abhebt und wahre Kunststücke vollführt. Lebendig und authentisch, wenn die Musik einen Künstler so bewegt.

Das Besondere am Geigenspiel ihrer Kollegin Hanmari sind ihre flirrenden, mutigen Klänge. Sie lebt angstlos die Quietscher, Kratzer und weinerlichen Flageoletttöne, erzeugt spannende Sounddesigns für die Stücke. Die Begleitlinien sind geschmackvoll gewählt und umspielen den Hauptgesang geschickt und auch das Solospiel fügt sich stimmig ein. Hier wird songdienlich musiziert statt virtuos vorgegeigt, mit einer guten Dosis Folk und zum Glück nicht zu klassisch und überkultiviert.

Mit gut 15 Stücken ermöglicht das Duo einen Einblick in seine Welt. Besonders "Mein Weg" zeigt, was Fjarill ausmacht: Man agiert gleichberechtigt miteinander, wechselt sich in musikalischer Funktion ab und das polyfone Stimmarrangement verschmilzt mindestens so schön wie bei Simon & Garfunkel. Das beste Stück des Abends, "Stark", beginnt mit einem brodelnden Tremolo und entwickelt sich mit belebenden Taktwechseln und bunten, lydischen Akkorden zu einem Werk mit genau jenen kleinen Farbtupfern, die Musik lebendig und abwechslungsreich gestalten. Mehr davon!

Aus dem Publikum hört man hin und wieder "Ach-wie-schön"-Seufzer. Fjarill kommt an, weil man diesen beiden Musikerinnen abkauft, was sie anbieten: geradliniges, unkomplexes Drama. Stimmen, Gesamtklang und Spieltechnik sind toll und bieten in dieser Stilistik viele Möglichkeiten - kompositorisch farbloser sollte der Schmetterling allerdings nicht umherflattern.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2019
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