Caterer aus Zorneding:Bloß keine Canapés

Matthias Kowalsky hat lange in der Sterne-Gastronomie gekocht. Dann gründet er einen Cateringservice und verwöhnt nun Stars - und mittags Kleinkinder

Von Carolin Fries

Er hat für Kylie Minogue gekocht, für Katy Perry und Heidi Klum. Er versorgte im vergangenen Jahr die Besucher der Bauma-Messe in Riem mit 78 000 Essen, verwöhnte die Herrschaften im Reichstag und im Adlon mit Speis und Trank. Jetzt hat Matthias Kowalsky sich einen Catering- und Partyservice in Zorneding aufgebaut und will vor allem eines: Kindergärten das Mittagessen liefern. Die Verträge mit der ersten Kita hat er bereits unterschrieben - und die nächsten werden folgen, da ist Kowalsky sicher. Obwohl er preislich nicht mit anderen Caterern mithalten kann. "Deswegen", meint der 36-Jährige. Er halte schließlich auch nicht mit deren Qualität mit. Er überbiete.

Caterer aus Zorneding: Matthias Kowalsky und René Fischer in der Küche der ´Food Artists`.

Matthias Kowalsky und René Fischer in der Küche der ´Food Artists`.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Morgens um 8.30 Uhr wird die Küche der Food Artists, wie Kowalsky seine Firma getauft hat, schon wieder aufgeräumt. René Fischer schaufelt das Gulasch in zwei große Töpfe, schneidet das Brot auf, packt alles in den Sprinter. Mittagessen für 120 Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens, das an der A 8 in Richtung Stuttgart seinen Sitz hat. Fischer wird heute ausliefern, Kowalsky setzt derweil einen Grundfonds für ein Curry-Putengeschnetzeltes auf, das es am kommenden Tag geben soll. "Wenn es heute Gulasch gibt, dann gibt es für bestimmt vier Wochen kein Gulasch mehr", sagt er. Nein, da lässt sich Kowalsky andere feine Dinge einfallen, die einen Job in der Pharmaindustrie unwiderstehlich attraktiv erscheinen lassen: kross gebratener Zander mit Berglinsengemüse und Rosmarin-Polenta-Türmchen oder gesottene Ochsenbrust auf Karotten-Rahm-Wirsing mit Butterkartoffeln und Meerrettich-Sahnesoße. Kowalsky und sein Team verwenden ausschließlich saisonale und frische Produkte, keinerlei Geschmacksverstärker oder gar industrielle Brühen. Die wichtigste Zutat? "Leidenschaft." Und Zeit. "Eine gute Soße krieg' ich auch nicht in zwei Minuten hin." Im Kühlraum lagern in großen Gläsern selbst hergestellte Fonds, aus Gemüse, Wild, Kalb. 42 verschiedene Gewürzmischungen und Salze stehen im Regal, "damit mein Blaukraut immer gleich schmeckt". Den Schinken räuchert Kowalsky selbst, er zerlegt das bestellte Reh in seiner Küche, beizt das Lachsfilet. Wieso auch nicht, das ist sein Job, das hat er gelernt, "diese Arbeit erdet mich", sagt er. Man kann sich das gut vorstellen mit dem erden, denn Kowalsky ist ein Unruhegeist, permanent in Bewegung. Er wird sich an diesem Vormittag nicht einmal hinsetzen.

Wenn er nicht in der Küche steht, läuft er unter dem Kreuzgewölbe der ehemaligen Posthalterei in Zorneding von einem Nebenraum in den anderen. Zuerst hinüber zum Showroom, wo seine und Fischers Flyer und Visitenkarten auf einem Couchtisch liegen. "Wir machen auch Leckerlis für Pferde", sagt er und zeigt edel verpackte Knabbereien. Dann hinüber in die Küche, wo er sich ein Teewasser heiß macht, das er anschließend vergisst. Obwohl er die Wände extra in einem erdigen Ton gestrichen hat. Wie einer wie er abschalten kann: Rennradfahren

Caterer aus Zorneding: Auch so können Vorspeisen aussehen.

Auch so können Vorspeisen aussehen.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Kowalsky lernte erst Bäcker, dann Konditor und später Koch. Nach den branchenüblichen Wanderjahren, in denen "man auf keinen Fall länger als ein Jahr irgendwo bleibt", machte er den Küchenmeister und begann ein Studium zum Hotel-Betriebswirt an der Steigenberger-Akademie. Damals hatte er bereits in Heinz Winklers "Residenz" am Chiemsee gearbeitet und bei Peter Kinner im Münchner "Conviva". "Er hat mir gezeigt, wie man ein Messer in die Hand nimmt", sagt Kowalsky. Zwei Jahre lang pendelte er zwischen Reichenhall und diversen Jobs, dann stieg er als Freiberufler für Gerd Käfer, Lukas Hackbarth, Alfons Schuhbeck und andere namhafte Adressen ins Catering-Geschäft ein. Von seiner damaligen Freundin und dem gemeinsamen Sohn hat er sich längst getrennt. "Diese beiden Welten passen nicht zusammen."

Unattraktive Arbeitszeiten, geringer Verdienst und anstrengende Tätigkeiten: Berufe in der Gastronomie werden immer unattraktiver. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Bayern schätzt, dass in diesem Jahr alleine im Münchner Stadtgebiet mindestens 100 Lehrstellen unbesetzt bleiben. Kowalsky kennt die Opfer, die die Branche fordert. Erst vor wenigen Wochen, im Weihnachtsgeschäft, hatte sein längster Tag 42 Stunden, weil "die Arbeit wird gemacht, wenn sie da ist". Nur ein paar Stunden kann er sich in diesen Wochen ausruhen. "Aber daran gewöhnt man sich", sagt er. Er versteht nicht, dass das für junge Menschen ein Problem ist. Kowalsky nimmt Messertasche, Topf und Induktionsplatte sogar mit in den Urlaub. 36 Schulabgänger und Jungköche haben sich bei ihm im vergangenen dreiviertel Jahr beworben, keinen hat er eingestellt. "Ich sage ja nichts dagegen, dass die mit ihrer Mama kommen. Aber wenn es dann heißt, da kann ich nicht und da auch nicht - dann halt nicht." René Fischer sagt: "Die Leute gehen nun mal in ihrer Freizeit essen. Das heißt, da arbeiten wir." Kowalsky und Fischer sind ein eingespieltes Team. Beide haben Erfahrungen in der Sterne-Gastronomie gesammelt, beide würden sie noch heute demütig den Kopf senken vor ihren namhaften Wegbegleitern. Doch viel lieber stehen sie pfeifend am Herd, im Hintergrund dudelt das Radio. Sieht alles ziemlich locker aus. "Ich habe schon gestandene Köche weinen sehen", erzählt Kowalsky und schüttelt den Kopf. Nein, das wolle er nicht haben. "Aber wenn ich einen Auftrag in die Küche rufe, dann will ich eine klare Bestätigung hören." Kowalsky vergleicht sich mit einem Dirigenten, der zusehen muss, dass alle in der Küche die richtigen Noten spielen.

Je nach Auftrag beschäftigt er ein bis vier Köche - oder ein Dutzend. Nur Männer. Eine Frau in der Küche? Niemals. "Bei einer schwänzeln alle um die rum, sind es zwei, gibt es Stutenbissigkeit." Frauen gehören bei Kowalsky in den Service. Oder in seine Küche zu Hause. Als Dankeschön für die gute Zusammenarbeit mit einem Auftraggeber hat er erstmals vor sieben Jahren nicht die Chefs mit Rotwein oder Kräutersalz beschenkt, sondern ihre Assistentinnen zum Essen eingeladen. "Die, die die ganze Arbeit hatten", wie er erklärt. Aber auch, "weil ich einfach mal 26 Frauen bei mir zu Hause haben wollte". Kowalsky grinst und man sieht seine kleine Lücke zwischen den Schneidezähnen, die ihn wie einen Schuljungen wirken lässt. Inzwischen ist er verheiratet und hat einen bald dreijährigen Sohn. Der besucht eine Krippe in Zorneding - und würde mittags am liebsten von Papa bekocht werden. Doch bislang beliefert "Food Artists" nur eine Kita in Zorneding und eine in Baldham. "Es wird aber nicht mehr lange dauern, bis auch die anderen mein Essen wollen." Das mag ein bisschen überheblich klingen, doch Kowalsky macht diese Erfahrungen nun einmal. Von September an wird er eine weitere Pharmafirma beliefern und zwei weitere Kitas in Zorneding. Knapp 800 Essen werden dann täglich ausgeliefert. Hinzu kommen die Events. Prominente Hochzeiten wie die von Michael Ballack damals, Familienfeiern und seit zwei Jahren auch der Neujahrsempfang der Gemeinde Zorneding. Kowalsky macht alles, bloß keine Canapés und Wurstplatten, "die gibt's beim Metzger". Das meiste hat Kowalsky im Kopf, an der Wand und der Tür zum Kühlraum kleben nur ein paar Zettel mit Namen und Zahlen. Das ist insofern beeindruckend, weil sich die Termine und Lokalitäten der Veranstaltungen mitunter überschneiden. Um einen Eindruck des Umfangs zu geben: Im Dezember hat Kowalsky 1,2 Tonnen Rindfleisch verarbeitet, eine halbe Tonne Schweinefleisch, etwa 800 Kilogramm Wild und ebenso viele Kartoffeln. "Vor Großveranstaltungen kann ich immer schlecht schlafen", sagt er. Gäbe es doch so viele Kleinigkeiten zu beachten. Zwar stehen bereist vorgepackte und ladefertige "Powerboxen" in der Küche, doch: Sind ausreichend Kaffeelöffel eingeplant, das Servicepersonal zur rechten Zeit bestellt? "Neben meinem Bett liegen immer Stift und Zettel." Den Papierkram, der darüber hinaus geht, kann er nicht leiden: "Ich spüle lieber alleine eine 200er-Veranstaltung ab, als ins Büro zu gehen."

Freilich hat Kowalsky auch die Improvisation gelernt. In Cappella Maggiore kochte er vor zwei Jahren zusammen mit Fischer für etwa 5000 Italiener bayerische Spezialitäten. Weil Kylie Minogue die ayurvedische Küche schätzte, als sie für eine Werbeproduktion in München weilte, vertiefte er sich in ihr 21 Seiten langes PDF - um nach fünftägiger Verköstigung eine persönliche Dankes-Mail zu bekommen. Wie man ayurvedisch kocht? Farben spielen eine große Rolle, am Abend etwa verzichtet man auf energiegeladene rote Speisen. Der Superstar genoss dazu hawaiianisches Mondwasser, "also hab' ich das besorgt", erzählt Kowalsky. Er spürt die Kraft der Farben seither übrigens auch. Ein rotes T-Shirt könne er nicht tragen, "auch nicht drunter", da drehe er durch. "Ich muss immer etwas Grünes anhaben", sagt er und man blickt suchend an der strahlend weißen Kochjacke herunter. Die Socken? Nein: Die Sohle der Turnschuhe ist hellgrün, als laufe er auf Salatblättern.

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