Bundestagswahl in Ebersberg:Die Stunde der Schmierfinken

Beschädigte, bemalte und beklebte Plakate ärgern die Wahlkämpfer bei fast jedem Urnengang. Doch diesmal scheint zumindest bei einigen Fällen des Vandalismus eine politische Agenda möglich

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Angemalte Schnurrbärte und Zahnlücken, vielleicht ein mehr oder oftmals auch eher weniger origineller Spruch hingekritzelt - Wahlplakate scheinen bei einigen Leuten eine besondere Form der Kreativität auszulösen. Dies ist auch bei dieser Bundestagswahl wieder zu beobachten, allerdings gehen diesmal, zumindest in manchen Gemeinden, die Sachbeschädigungen offenbar über den üblichen Vandalismus hinaus.

Grundsätzlich seien die Verluste durch beschmierte oder abgerissene Plakate im Rahmen dessen, was auch bei vergangenen Wahlen zu beobachten war, sagt Diana Thalhammer. In Kirchseeon etwa, wo die Geschäftsführerin des SPD-Kreisverbandes wohnt, sei heuer sogar sehr wenig Vandalismus zu beklagen. Etwas mehr Plakate müssten die Genossen in der Kreisstadt ersetzen, von den dortigen Plakatwänden würde öfter mal etwas heruntergerissen, aber auch nicht mehr, als in vergangenen Jahren.

"Nur in Poing ist es besonders schlimm", sagt Thalhammer. Hier würden heuer deutlich mehr Plakate beschädigt, als in den Vorjahren. Auch seien die Beschädigungen anders, als bisher, laut Thalhammer würde gezielter vorgegangen. So seien Plakate der SPD großflächig abgerissen worden, jene der Querdenker-Partei "Die Basis" direkt daneben aber nicht. Thalhammer glaubt eher nicht an einen Zufall: "Poing ist die Querdenker-Hochburg im Landkreis", sagt sie mit Verweis auf die dort regelmäßig stattfindenden Protest-Veranstaltungen.

Auch bei den Grünen hat man diese Erfahrung gemacht, sagt Kreisrat Niklas Fent. Der Aßlinger managt den Wahlkampf im Landkreis, Poing sei heuer tatsächlich ein besonderer Schwerpunkt beim Vandalismus. Der habe zwar auch insgesamt zugenommen, sagt Fent und es gebe in allen Kommunen Sachbeschädigungen: "In Aßling am Bahnhof gibt es ein Plakat, das hängen wir fast jeden Tag wieder hin" - eine klare politische Agenda beim Plakat-Vandalismus sehe man aber besonders in Poing. Dort würden Grünen-Plakate regelmäßig mit Querdenker-Aufklebern versehen, und zwar mit solchen, die sich nicht ohne Beschädigung wieder entfernen ließen. Man müsse also jedes Mal neu plakatieren.

Diese Aufkleber kennt man auch bei der CSU, allerdings ist hier nicht Poing sondern die Nachbargemeinde Vaterstetten der Sticker-Schwerpunkt. Zuständig für die dortige Wahlwerbung ist Gemeinderat und JU-Ortsvorsitzender Florian Pöhlmann. Sein Eindruck: "Heuer ist es extrem und anders als sonst." Natürlich gebe es auch den "normalen" Vandalismus, die abgerissenen oder bemalten Plakate, manchmal würden Aufsteller umgedreht oder versetzt. Aber es gebe eben zusätzlich noch bestimmte Schwerpunkte, die klar der Querdenker-Szene zuzurechnen seien. Erkennbar daran, dass etwa die Plakatwände in der Karl-Böhm-Straße seit Wochen immer wieder großflächig mit entsprechenden Aufklebern versehen würden. Inzwischen hat die Firma, welche die CSU mit der Plakatierung hier beauftragt hat, ein Hinweisschild angebracht, dass wer auch immer hinter den Aufkleber-Aktionen stehen, nicht der Partei, sondern eben dieser Firma schaden.

Mit Vandalismus an Plakaten hat auch die AfD zu kämpfen, wie der Ebersberger Kreisvorsitzende Christoph Birghan bestätigt: "Es gab massive Zerstörungen beziehungsweise Beschädigungen und Diebstähle unserer Plakate." Diese seien teilweise abgerissen aber auch in Brand gesteckt, beklebt oder besprüht worden: "In mindestens einem Fall wurde ein großes Hakenkreuz auf ein Plakat geschmiert", so Birghan. Als Schwerpunkte macht er "die stärker bevölkerten Gemeinden zum Beispiel Grafing, Markt Schwaben, Vaterstetten" aus. Hier würden "regelmäßig praktisch alle AfD-Plakate abgerissen oder beschädigt", man plakatiere darum "im Rahmen unserer Möglichkeiten" ständig nach.

Darüber hinaus zeige die Partei die Sachbeschädigungen auch bei der Polizei an, ermittelt worden sei nach Birghans Wissen indes noch kein des Vandalismus Verdächtiger. Für Hinweise an die zuständige Polizeiinspektion, welche dies ändern, hat der Ebersberger Kreisverband der AfD mittlerweile eine Belohnung von 500 Euro ausgesetzt.

Bei den übrigen Parteien geht man nicht ganz so weit und "wir zeigen auch nicht jeden Vorfall an", sagt Pöhlmann. Man habe sich aber wegen des extremen Ausmaßes mit der Polizei ausgetauscht auch mit dem Hinweis, "dass wir uns das langsam nicht mehr gefallen lassen können" und wohl doch Anzeigen stellen werden. Dies habe man bei größeren Schäden an Plakaten auch in der Vergangenheit gelegentlich gemacht, sagt CSU-Kreisgeschäftsführerin Stefanie Ederer: "Aber ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwo mal einer erwischt worden ist." Zumal man die Täter ja auf frischer Tat ertappen müsste. Während des Zerstörungs-Akts also.

Auf die mangelnden Erfolgsaussichten verweist auch Thalhammer, die einzige Folge einer solchen Anzeige sei meist, dass die Polizei mehr Arbeit habe. Schwerere Fälle von Vandalismus zeige man aber trotzdem an, etwa wenn Schaukästen zerstört werden. Ähnlich ist das Vorgehen bei den Grünen, sagt Fent, ob ein Fall von Sachbeschädigung angezeigt werde, entscheiden die entsprechenden Ortsverbände: "Aber die wenigsten machen es, weil es wenig aussichtsreich ist."

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