Süddeutsche Zeitung

Bürgerversammlung :Antwort auf die Millionen-Frage

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Rathauschef Georg Hohmann gibt erstmals detaillierte Einblicke in die Kostenentwicklung des Schulneubaus - und warum das Projekt innerhalb kurzer Zeit so viel teurer wurde

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Der Zahl "71" wurde in Markt Schwaben nie eine größere Bedeutung oder gar Bedrohlichkeit nachgesagt. Seit die "71" jedoch in einem Atemzug mit dem Wort "Millionen" genannt wird, reagiert so mancher Gemeindebürger fast schon allergisch darauf. 71 Millionen Euro für ein neues Schulzentrum? Statt ursprünglich 45? Auf der Markt Schwabener Bürgerversammlung am Donnerstagabend wurde nun erstmals Ordnung ins Zahlendickicht gebracht.

Auf seiner letzten Bürgerversammlung als Rathauschef präsentierte Georg Hohmann (SPD) konkrete Erklärungen, wie es zu dieser - in der öffentlichen Wahrnehmung - überdeutlichen Preissteigerung kommen konnte. Demnach wurde die erste verbreitete Kostenannahme von 45 Millionen Euro in weiten Teilen missinterpretiert. Wie es dazu kommen konnte, und wie die korrekt eingeordnete Kostenentwicklung zustande kam, erläuterte der Münchner Ingenieur Christoph Wedlich vor 200 Gästen im Markt Schwabener Unterbräu. Ihn hat die Gemeinde als Projektsteuerer für das bis dato größte und teuerste Bauvorhaben im Ort eingesetzt.

Wedlichs Ausführungen nach sind die 45 Millionen Euro aus der ersten Kostenannahme des Büros Kellerer&Kellerer keineswegs falsch, allerdings eine schlechte Vergleichsgröße für die aktuellen Zahlen. Kellerer&Kellerer hatten eine Größe genannt, die mehrere Aspekte ausgespart hatte - was zu diesem Planungszeitpunkt oft so gehandhabt werde: etwa die komplette Inneneinrichtung oder die Entwicklung der Baukosten. 45 Millionen Euro hätte das Schulzentrum lediglich dann gekostet, wenn man es genau zum Zeitpunkt der ersten Schätzung im Oktober 2017 bereits im Rohbau gehabt hätte - zuzüglich von Kosten wie etwa für Möbel.

Die zweite Schätzung folgte dann 18 Monate später, im April 2019, vorgenommen von Ingenieur Wedlich. Seine Schätzung fand unter nun ganz neuen Bedingungen statt - und mit mehr Informationen. Wedlich erklärte im Unterbräu, er habe hierfür die erste Schätzung von 2017 auf das Jahr 2019 hochgerechnet, also die seither gestiegenen Baupreise angepasst, so landet man bei nun 55,7 Millionen Euro (wenn der Rohbau schon stehen würde).

Weil die Planungen jedoch noch bei weitem nicht soweit fortgeschritten sind, kalkuliert Wedlich für die Details der kommenden Planungsphasen eine sogenannte "Reserve" mit ein - also einen Geld-Puffer für jene Kosten, die erfahrungsgemäß hinzukommen, je mehr eine Planung ins Konkrete geht: Etwa, wie teuer die Wandbekleidung wird, oder ob man sich bei den Fenstern für ein Wärmeschutzglas entscheidet, statt eines billigeren Materials. Diese Reserve berechnet das Büro mit zusätzlichen 17,5 Prozent, was die Gesamtsumme um 9,7 Millionen Euro auf dann 65,4 Millionen Euro anwachsen lässt. Hinzu kommt: Da erst im Sommer 2020 mit dem Bau begonnen werden soll, rechnet das Ingenieurbüro per Baustoffindex eine Steigerung des Materialpreises von 8,3 Prozent mit ein. So steigen die Kosten um weitere 5,5 auf dann 70,8 Millionen Euro.

Bei der Bürgerversammlung kamen kritische Nachfragen auf, etwa von Wolfgang Eiba, ein Markt Schwabener, der das Millionenprojekt seit längerem kritisch sieht und stets für eine Sanierung der alten Schulgebäude plädiert hatte. Ihm sei schleierhaft, wie die Abbruchkosten der alten Mittelschule (das Grundschulgebäude soll ja erhalten bleiben) von ursprünglich genannten 400 000 Euro (2014) auf nun 4,2 Millionen Euro anwachsen konnten. Ingenieur Wedlich erklärte dies mit der Preissteigerung der vergangenen fünf Jahre sowie den seit kurzem verschärften Vorschriften. Eiba entgegnete, er vermute vielmehr, dass man mit dem kolportierten Tiefpreis die Gegner des Projekts besänftigen haben wolle.

In der Präsentation der langjährigen Markt Schwabener Kämmerin Martha Biberger ging es um die Frage, wie der Neubau finanziert werden soll. Biberger (die in Markt Schwaben als Kämmerin auf eigenen Wunsch aufhören wird, wie sie und Hohmann bekannt gaben) erklärte, dass Markt Schwaben hier auf eine gehörige Finanzspritze der Regierung hoffe. Markt Schwaben erhält als einzige Kommune im Bezirk Oberbayern eine finanzielle Stabilisierungshilfe - und hat gute Chancen auf gehörige Zuschüsse für den Schulneubau.

Lässt eine Gemeinde eine neue Schule (in dem Fall eine neue Grund- und Mittelschule für insgesamt 1100 Schüler) bauen, sind Teile davon staatlich förderbar. Je nachdem wie sehr die Gemeinde Markt Schwaben mit ihrem jüngst beschlossenen Sparprogramm überzeugt, werden zwischen 50 und 75 Prozent der förderbaren Bereiche vom Freistaat übernommen. Das wären laut einer Prognose des Ingenieurbüros zwischen 18 und 26 Millionen Euro. Dann steht im Idealfall nicht mehr die "71", sondern vielleicht doch die "45".

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SZ vom 18.05.2019
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