Nach dem Bürgerentscheid:"Lieber ein Windrad 100 Meter neben meinem Haus"

Brucker Windrad MIT WALD

Bisher einziges seiner Art im Kreis Ebersberg: Das Windrad auf dem Weiler Hamberg in der Gemeinde Bruck am Montagmittag.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Gegner des Windparks im Ebersberger Forst rüsten sich bereits für die nächste Runde gegen das Vorhaben. Die Planer äußern sich zu möglichen Standortänderungen - falls eine Regel kippt.

Von Korbinian Eisenberger

Benedikt Sommer hat bis zum Schluss gekämpft - und doch knapp verloren. Am Tag nach dem denkwürdig knappen Ausgang des Bürgerentscheids zugunsten des Windkraftprojekts im Ebersberger Forst ist der Forstinninger bedient. Sommer sitzt seit zwei Jahren dem Ebersberger Landesbund für Vogelschutz (LBV) vor und ist ein erklärter Gegner des Projekts. Nicht aber Gegner der Technik - solange sich die Rotoren nicht über dem Wald drehen. Sommer sagt: "Ich hätte kein Problem damit, wenn hundert Meter neben meinem Haus ein Windrad gebaut würde."

52,74 Prozent sind eine Mehrheit, doch die Minderheit der Menschen, die mit Nein stimmten, ist groß. Und die Gegenwehr offenbar ungebremst, wie am Montag zu erfahren ist. Der LBV, der Verein Landschaftsschutz Ebersberger Land, die Bürgerinitiative St 2080 Schwaberwegen und die Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst kündigen keine 24 Stunden nach dem Wahlausgang mögliche rechtliche Schritte an. "Wir prüfen, welche Klagemöglichkeiten wir haben", erklärt Kerstin Mertens von der Schutzgemeinschaft. Ziel sei nun, zu verhindern, dass dem betroffenen Waldgebiet sein Status als Landschaftsschutzgebiet aberkannt wird. Mertens Befürchtung: "Damit wäre Tür und Tor offen für alles weitere."

Windrad Hamberg - Baufortschritt

Oktober 2016: Der Bau des Hamberger Windrads ist zu diesem Zeitpunkt knapp 16 Meter hoch, mehr als 200 Meter werden es am Ende sein.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Vierer-Allianz dreier Vereine und einer Initiative stellt sich damit weiter all jenen entgegen, die am Sonntag beim Bürgerentscheid einen Teilerfolg eingefahren haben: etwa weite Teile des Ebersberger Kreistags, der Bund Naturschutz, die Kreis-SPD, die Grünen - oder zuletzt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Nicht zu vergessen: das Münchner Unternehmen Green City, welches das Projekt im Forst seit zehn Jahren in Planung hat.

Entsprechend groß war bei Green City am Sonntag die Anspannung, die Mitarbeiter verfolgten den Wahltag digital per Liveticker. "Wir haben uns alle gefreut, dass so viele Bürger abgestimmt haben, und dass die Planungen weitergehen können", sagt Projektplanerin Sabine Müller am Telefon. In den kommenden Jahren stehen nun umfangreiche Gutachten und Genehmigungsverfahren an. Häufig wird bei Windkraftprojekten geklagt, was sie nicht notwendigerweise verhindert - aber fast immer verzögert. "Nach unseren Planungen ist Baubeginn frühestens Ende 2024", so die Projektplanerin. "Aber mit einem großen Fragezeichen dahinter."

Die vielleicht längste Abstimmungsfrage aller Zeiten ist von gut 61 Prozent der Stimmberechtigten im Landkreis Ebersberg beantwortet worden. Viele andere Unklarheiten aber bleiben offen. Etwa, ob die CSU-Staatsregierung an der Abstandsregelung 10 H festhält - und wenn ja, wie lange noch? Diese Frage treibt auch LBV-Vorstand Benedikt Sommer um, der sich am Montag nach wie vor schwer tut mit dem Votum vom Vorabend. Er sei weiter davon überzeugt, dass es "deutlich sauberere Wege" gebe, als den nun eingeschlagenen.

Sein Appell richtet sich nach München: 4 H statt 10 H, also die vierfache Windradhöhe als neue Mindestdistanz zur nächsten Siedlung. "Damit könnte ich mich total anfreunden", sagt er. Sommer nimmt aber auch die Städte und Gemeinde im Landkreis Ebersberg in die Pflicht, denen es per Ratsbeschluss möglich ist, die 10-H-Regel eigenmächtig auszusetzen - was jedoch so gut wie nie passiert. "Wenn BMW in Parsdorf auf die Wiese bauen will, ist ein Bebauungsplan schnell geändert", so Sommer. "Aber für die Windkraft passiert das nicht."

Falls 10 H gekippt wird? "Wir würden die fünf Standorte auf jeden Fall prüfen"

Auch wenn sie sich im Wahlkampf monatelang duellierten, in diesem Punkt sind sich dem Vernehmen nach alle relevanten Umweltschutzgruppen - beider Lager - einig: 10 H habe vieles von dem provoziert, was in den vergangenen Monaten zu Streitigkeiten unter Menschen in der Region führte, die einst für gleiche Werte einstanden.

Green City äußert sich am Montagnachmittag ebenfalls zu 10 H: Würde das Unternehmen die Windräder weiter im Ebersberger Forst platzieren, wenn Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die umstrittene Regel kippt? Oder könnte das die Bäume retten? "Wir würden die fünf Standorte auf jeden Fall prüfen", erklärt Projektleiterin Sabine Müller. Aufgrund der veränderten Ausgangslage sei dann aber eine neue Analyse notwendig. Ob der Ebersberger Forst dann angesichts anderer Freiflächen im Landkreis so wie jetzt einer der favorisierten Standorte wäre, sei - so Müller - alles andere als gewiss.

Zurück in Forstinning bei Benedikt Sommer, der seine Familie in Kürze nahezu mit Energie selbstversorgt, wie er erzählt. "Unsere Wärme produzieren wir seit fünf Jahren komplett regenerativ mit Solaranlage und Scheitholzkessel", sagt er. Per Fotovoltaikanlage werden die Sommers auch weitestgehend Strom-Selbstversorger. "Energiewende ist für mich ein persönliches Hobby", sagt Sommer. "Umso mehr tat es mir weh, wenn ich gelesen habe, wir seien die Windkraftgegner". In den Wochen vor dem Bürgerentscheid mussten sich die Ehrenamtlichen vom Ebersberger LBV so manches anhören. "Wir sind sogar als Trumpisten bezeichnet worden", sagt Sommer. So sehe er im sonntäglichen Ende des wochenlangen Briefwahlkampfs trotz Niederlage einen Vorteil: "Ich hoffe, dass es nun wieder friedlicher wird."

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