Die Schaufenster sind freigeräumt und ermöglichen den Blick ins großzügige Innere des Geschäfts. Und der zeigt: Es gibt wieder Bücher am Marktplatz in Markt Schwaben, nachdem der Vorgängerladen vor einiger Zeit geschlossen worden war. In grün gestrichenen Regalen sind sie aufgereiht. Entlang der hinteren Wand des Geschäfts warten Sebastian Fitzek und Jo Nesbø, Elena Ferrante und Donna Leon, Saša Stanišić und Robert Seethaler auf Menschen, die sich in ihren Geschichten verlieren mögen. Im Vordergrund bleibt auf 180 Quadratmetern viel Raum für Kunden und Gespräche, für Fachsimpeleien oder den einen oder anderen Plausch. Und genauso ist es gewollt von der neuen Inhaberin, Barbara Kiefl.

Abgesehen vom Lesestoff soll das am Montag dieser Woche neu eröffnete Geschäft also auch Gesprächsstoff bieten, in seinem Innern genauso wie draußen in Markt Schwaben. Die offensive Offenheit ist Programm, wer hier vorbeischlendert, ist eingeladen, hereinzukommen und sich aufgehoben zu fühlen. „Das hier soll eine Keimzelle für Markt Schwaben sein, für Gemeinschaft und Gemeinsamkeit“, erklärt Adeline Klinge, die als Teil des Helferteams ihrer Freundin Barbara Kiefl am Eröffnungstag mit Rat und Tat zur Seite steht – und dann fast ein wenig philosophisch hinzufügt: „Gemeinschaft ist das, was unsere Gesellschaft braucht. Jeder für sich allein, das wird auf Dauer nicht mehr funktionieren.“
Und so ist auch der neue Buchladen mehr und ein bisschen anders als ein typisches Buchgeschäft, er ist Teamwork, und Kiefl, die der Kopf des Ganzen ist, freut sich über jeden, der sich hier einbringen will und kann – so wie schon die Trödlerei in der Färbergasse, ihr erstes Standbein, nur funktioniert, weil dort so viele mithelfen, Freunde, Bekannte, Kiefls Mutter. „Allein sein, allein arbeiten, das mag ich nicht“, sagt sie.
Viel Bewegung und eine Menge Dynamik stecken in solch einem Konzept, das ist klar, und so steht auch noch nicht ganz fest, wie sich das Team des „Kapitel zwei“, so heißt der Laden nun, in Zukunft zusammensetzen wird. Eigentlich hätte es für die Buchhandlung eine Leiterin geben sollen, berichtet die Inhaberin, doch eine entsprechende Vereinbarung habe sie nach Unstimmigkeiten über das Geschäftskonzept kurzfristig aufkündigen müssen. So werde sie fürs Erste, also bis Weihnachten, selbst hinter der Kasse stehen. Über die Ferien wird der Laden dann noch einmal geschlossen, bis er im neuen Jahr dann auch mit einem modernen Kassensystem und dem Anschluss an das Online-Buchbestellsystem „genialokal“ endgültig öffnet.

Bücher bestellen können die Kunden aber auch jetzt schon, nur eben direkt im Geschäft, das genau an der Ecke Marktplatz und Ebersberger Straße liegt. Einer der vielen Neugierigen, die am Eröffnungstag durch die Tür treten, ist es ganz wichtig, nicht nur das zu bekommen, was in den Regalen steht. „Das freut mich, dass das jetzt hier weitergeht“, erklärt sie, „und dann noch die vielen schönen Sachen, die man hier bei Ihnen entdecken kann“, schwärmt sie, „wunderbar.“
Die „schönen“ Sachen, die ebenso als Deko dienen, wie sie zum Verkauf stehen, stammen aus der Trödlerei. Egal, ob Ledersofa oder Korbstühle, Bilder oder Tische – gekauft werden kann alles, was im Laden ist. Einzig fester Bestandteil seien die Regale, „das wär ein bisschen blöd, wenn wir die hergeben würden“, sagt Kiefl mit einem Schmunzeln.

Trödlerei Markt Schwaben:Neuigkeiten aus dem alten Gemäuer
Barbara Kiefl will neben ihrer Trödlerei den Buchladen am Marktplatz übernehmen. Außerdem gibt es im ehemaligen Getreidespeicher neben einem Café nun auch eine offene Schreinerwerkstatt.
Die umtriebige Barbara Kiefl kennt man schon in Markt Schwaben. Seit vier Jahren betreibt sie die Trödlerei in einem früheren Getreidespeicher in der Färbergasse, gar nicht weit vom Marktplatz entfernt, wo sie Gebrauchtes verkauft, überwiegend aus Haushaltsauflösungen. Eine treue Stammkundschaft hat sie sich dort inzwischen aufgebaut und einen Teil davon wird sie sicher auch an ihrem neuen Standort wieder begrüßen können - zumal die heimelige Atmosphäre, welche die beiden Stockwerke in der Trödlerei kennzeichnet, auch im Kapitel zwei spürbar ist. Wie Patina klebt sie wohl an den Möbeln und Gerätschaften, die zwar nicht mehr fabrikneu sind, dafür aber jedes für sich Geschichte haben.

Weshalb Kapitel zwei sich nicht nur auf ihr zweites Standbein beziehe, sondern auch auf vieles von dem, was hier den Weg über den Kassentisch finden soll, erklärt Kiefl. Auch ein Teil der Bücher im Regal und auf den Tischen ist gebraucht – und um den Unterschied klarzumachen, sind die oberen, hellgrün gestrichenen Bereiche der Regale für die neuen Bücher bestimmt, die unteren, in dunkelgrünem Farbton, für die gebrauchten. Letztere sind zusätzlich mit einem blauen Punkt auf der Rückseite versehen. Wer mag, kann hier auch Bücher vorbeibringen und gegen andere austauschen.
Gebrauchte Bücher hatten sich in der Trödlerei in der Vergangenheit in Mengen angesammelt und die Bretter eines riesigen Regals im ersten Stock sich unter ihrer Last gebogen. Viele von ihnen hatte Kiefl von ihren Streifzügen in verwaiste Häuser mitgebracht, andere waren ihr in Kisten vor die Tür gestellt worden und hatten ihr Argumente genug geliefert, sich um den Buchladen zu bewerben, dessen Vorbesitzer das Geschäft hatte aufgeben müssen.
Und so bietet Kapitel zwei Bücherfreunden also nicht nur Geschichten über Liebe und Leben, Krimis und Kinderbücher, Reiseführer und Romance, sondern auch einen Anlaufpunkt, wo sie eine Tasse Kaffee trinken oder in Ruhe erst mal schmökern können. In die Fenster haben Kiefl und ihr Team gemütliche Holzbänke gebaut, auch in der Ecke mit den Kinderbüchern bietet eine Bank mit Blick nach draußen den möglichen Ausgangspunkt für manch fantastische Reise.

Eine Ecke mit kunstgewerblichen Dingen vervollständigt das Angebot, „Mammalade“ von einer Organisation für gerettete Lebensmittel in Ottobrunn, handgefertigte Webtaschen aus Kolumbien, Schmuck von einer Freundin, Filzsachen von Kiefls Mutter. Eine kleine Fundgrube – nicht nur für Weihnachtsgeschenke.