Ein weit verbreiteter Traum:Dann mach ich es eben selbst!

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Selfpublishing, Kleinverlag oder Crowdfunding - viele Wege führen zum eigenen Buch, wie allerhand Experten und Beispiele aus dem Landkreis nahelegen

Von Michaela Pelz

Eine Frau zwischen 35 und 50, die an einem Krimi, einem historischen oder Fantasy-Roman schreibt - so charakterisiert Günther Fetzer das Durchschnittsklientel seiner Kurse "Wie veröffentliche ich mein Buch?". Seit 2004 ist der Verlagsexperte damit fast jedes Wochenende in und um München unterwegs - von Augsburg bis Landshut oder Starnberg. Auch in Ebersberg war er schon. "Die meisten Leute versuchen, bei einem klassischen Verlag unterzukommen, um dann festzustellen, dass die keine Erstautoren wollen," sagt er. Alternativen seien der Selbstverlag im engeren Sinn (Herstellung durch die "Druckerei um die Ecke"), das Publizieren im Internet ("da wird man nicht gefunden") und, als klare Empfehlung, Print on Demand.

Das kostet eine einmalige Gebühr für das Einstellen der Daten, die Bücher bezahlen die Käufer durch ihre Bestellung. Um Lagerkosten zu sparen, wird nur auf Zuruf gedruckt, und zwar digital. Auf das Produkt hat das praktisch keinen Einfluss: Wie der Buchreport weiß, merken "Leser, Buchhändler und die meisten Verlagsmitarbeiter keinen Qualitätsunterschied zwischen Offset- und Digitaldruck".

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(Foto: Privat)

Felix Steffan hat seine Heimatstadt Rosenheim...

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(Foto: Privat)

...in einem "Wimmelbuch" verewigt.

Wie sich dieser Sektor in den vergangenen Jahren entwickelt hat, erlebte Dietmar Gschrey hautnah mit. Nach seiner Pensionierung begann der Zornedinger mit seiner Krimi-Trilogie, gedacht als Vermächtnis an die Tochter. 2007 kam sein 379-Seiten-Debüt auf den Markt - war aber mit den vom Anbieter festgelegten 23 Euro Ladenpreis "viel zu teuer. Außerdem musste ich jedes Jahr für die Vorhaltung der Daten bezahlen", erzählt der 78-Jährige. Doch 2016 änderte sich die Situation bei seinem Dienstleister "BoD" gründlich: Einmalig 19 Euro verlangte er nun pro Titel, um "Rabenkrähe die letzte" sowie die beiden ersten Gschrey-Bände wieder in sein Angebot aufzunehmen. Weitere Kosten gab es für den Autor nicht. Auch die Käufer freuten sich: Der Ladenpreis hatte sich mehr als halbiert.

Dabei beherzigte der frühere Lehrer das, was auch Fetzer seinen Kursteilnehmern einbläut: "Jedes Manuskript braucht ein Lektorat!" - allerdings musste Gschrey es nicht zukaufen, etwa von einem Mitglied des höchst seriösen Verbands VFFL, sondern ließ sein Werk von einer "ganzen Schar" ehemaliger Kollegen überarbeiten. Cover und Layout übernahm ein befreundeter Grafiker.

Der Zornedinger Dietmar Gschrey hat eine Krimi-Trilogie veröffentlicht. (Foto: Christian Endt)

Solche Leistungen aus Profihand lohnen sich aber: "Die Qualität des Buches ist entscheidend!" sagt Hedwig Wobken, in deren Kirchseeoner Buchladen immer wieder Autoren ihre Werke persönlich vorbeibringen. Sie bekommen durchaus einen prominenten Platz, sofern das Erscheinungsbild ansprechend ist. Dazu gehört auch eine lesefreundliche Schriftgröße.

Kein Problem mit zu vielen Buchstaben auf zu wenig Platz hat Jannik Richter, denn "Ungestüme Dreistigkeiten" ist ein Lyrikband. 2017 beschloss der Vaterstettener, seine über Jahre gesammelten Texte mit Illustrationen der früheren Schulkameradin Lea Weil als Buch herauszubringen. Um nicht in die Fänge von "Abzockern" zu geraten, informierte sich der Mittzwanziger bei "Fairlag". Diese Initiative diverser Autorenverbände klärt künftige Kollegen über den Unterschied zwischen seriösen und Bezahlverlagen auf, die ihre Kunden geschickt ködern, bevor sie sie dann ordentlich zur Kasse bitten.

Richter fand einen Kleinverlag und musste nichts bezahlen, sondern erhielt eine Beteiligung an jedem verkauften Exemplar. Allerdings musste er selbst Sprecher für eine Vertonung engagieren, sowie regelmäßig Facebook und Instagram bespielen. Deswegen sucht er derzeit für sein zweites Buch jemand, "der mehr Marketing macht und auf Lyrik spezialisiert ist".

Die Programmausrichtung eines Verlages vor der Manuskripteinreichung gründlich zu prüfen, rät auch Stefan Liesenfeld vom Verlag Neue Stadt in Glonn. Der Buchprogramm-Verantwortliche des Mittelständlers sieht aber trotz aller Schwierigkeiten im Buchhandel eine solche Zusammenarbeit immer noch als Königsweg. "Unsere Vertreter besuchen zweimal pro Jahr die wichtigen Buchhandlungen. Ein kleiner Autor im Selbstverlag hat keine Chance, dort wahrgenommen zu werden."

Jochen Hoepner aus Baldham hat Erfolg mit Rad- und Wanderbüchern. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Jochen Hoepner ist das gelungen - dank Eigeninitiative ist er in zwanzig Buchläden im Landkreis Ebersberg mit seinen Rad- und Wanderbüchern vertreten. Von diesen verkaufte er innerhalb von vier Jahren 4000 Stück. Drucken ließ der Baldhamer seinen Erstling sowie das zweite Buch mit 24 ausführlichen Routen für das "Wandern durch die Jahreszeiten" bei einem Verlag, den er aus einer früheren Zusammenarbeit kannte.

Aufgrund seiner Expertise in Marketing und Vertrieb entschied sich der Mittsiebziger allerdings dafür, die Finanzierung unter anderem durch Anzeigen komplett alleine zu stemmen. Gleichzeitig gehen so die Verkaufserlöse zu hundert Prozent an ihn. Die Recherche sei zwar viel aufwendiger gewesen als gedacht, andererseits sei nun alles so ausgearbeitet, dass das Buch problemlos über Jahre nachgedruckt werden könne. "Meinen Enkeln, heute zwölf und 15, habe ich schon angekündigt, dass sie das mal von mir erben und weitermachen müssen."

Josef Höhl aus Grafing hat seine Ballonabenteuer festgehalten (Foto: Josef Höhel/oh)

Über einen erfolgreichen Longseller verfügt auch Josef Höhl. Sogar nach Frankreich, Italien und die USA hat sich "Himmel und Höhl" seit seinem Erscheinen Ende 2014 verkauft. Das liegt daran, dass man dort den "Bepperl" so gut kennt und schätzt wie den Sport, über den er reich bebildert schreibt: das Ballonfahren. Absichtlich kein Lehrwerk, sondern eine Sammlung der Abenteuer aus 25 Jahren Erfahrung mit Heißluft- und Gasballons. Bei der Herstellung war ein Ballonkamerad behilflich, einen Verlag hat Höhl nie gesucht. Er wollte selbst "bestimmen, wie es läuft".

Genau wie Felix Steffan. Nach dem Entschluss, nicht nur für seine Neffen und Nichten, sondern für alle kleinen Rosenheimer ein Pappbilderbuch zu schaffen, wollte der studierte Kunsthistoriker die Entscheidungshoheit über Gestaltung und Verarbeitung behalten. Dabei hatte er einen entscheidenden Vorteil: Er kennt die Verlagsbranche und ihre Prozesse. Für die Finanzierung ging der Wahlmünchner den Weg des Crowdfunding via "Startnext". Kurz vor Weihnachten 2019 kam das "Rosenheimer Wimmelbuch" mit 800 Figuren auf neun Doppelseiten heraus, 1000 Stück waren schnell weg, die zweite Auflage kommt im März. Doch Steffan warnt, sich nur auf die Plattform zu verlassen. "Es ist ein reines Werkzeug. Niemand geht dorthin und schaut, welche neuen Kampagnen man finanzieren kann." Er verteilte Flyer und Plakate, und ließ seine stetig wachsende Followerzahl auf Instagram am Entstehungsprozess teilhaben - bis hin zur Abstimmung über die Farbe einer zu zeichnenden Badehose. Dennoch möchte der 31-Jährige Bücher nicht zu seinem Haupterwerb machen ("am Ende ist mir fast die Hand abgefallen").

Güldane Altekrüger schon: In drei Tagen verkaufte die Hausfrau 2018 sage und schreibe 1000 Bücher, auf eigene Faust - mittlerweile sind es rund 200 000, Band zwei ist auch schon auf dem Markt. Die Hamburgerin ist Mitte Vierzig, schreibt aber keine Krimis. "Abnehmen mit Brot und Kuchen 1 & 2" sind Backbücher.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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