Süddeutsche Zeitung

Brucker Trinkwasser:Vergiftetes Klima

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Im Brucker Trinkwasser sollen überhöhte Glyphosat-Rückstände gemessen worden sein. Das verärgert sowohl viele Bürger als auch den Bürgermeister und die Landwirte. Die Schuld weist man sich gegenseitig zu.

Von Carolin Fries, Bruck

Für Johann Auberger ist es ein Skandal. Als die Verwaltungsangestellte in der Juni-Sitzung des Brucker Gemeinderats verlas, dass die Gemeinde die Sommermessung des Trinkwassers ohne Glyphosatmessung durchführen werde, wurde er skeptisch. Erst im Herbst sollte das Wasser wieder auf Rückstände des Pflanzengifts geprüft werden. Das umstrittene Herbizid, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als wahrscheinlich krebserregend einstuft, wird vor allem im Frühsommer stark verwendet, nach Aubergers Wissen auch in Bruck.

"Eine Messung unseres Trinkwassers erst dann vorzunehmen, wenn die Werte bereits wieder gesunken sind, wir also den ganzen Sommer schon, ohne es zu wissen, stark belastetes Wasser getrunken haben, ist nicht akzeptabel und erfüllt uns mit Angst und Wut", sagt er. Der Familienvater und eine befreundete Familie aus Bruck beschlossen deshalb kurzerhand, eine solche Messung, die lediglich 80 Euro koste, selbst zu beauftragen und entnahmen an einem Wasserhahn im Gemeindegebiet - nicht am eigenen - eine Probe.

Nun liegen die Ergebnisse des Testlabors "BioCheck" aus Leipzig vor, das der Bund Naturschutz den Familien empfohlen hatte. Demnach liegt der Glyphosat-Wert bei 0,12 Mikrogramm/Liter und damit über dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 0,10 Mikrogramm/Liter.

Johann Auberger hat am Sonntag 450 Flugzettel an die Haushalte in der Gemeinde verteilt, um seine Mitbürger über die Trinkwasserbelastung zu informieren. Bei der reinen Information beließ er es allerdings nicht, hat er für sich doch längst den Schuldigen ausgemacht: Bürgermeister Josef Schwäbl (CSU).

Per Flugblatt warnt Auberger vor Unruhen

Auf Aubergers Flugblatt heißt es: "Wenn eine Glyphosatmessung für den Herbst angesagt wird, ist der Gemeindeführung klar, dass dieses Problem existiert." Er spekuliert weiter, dass es dafür nur zwei Gründe geben könne: "Unwissenheit", welche er auf den Flyern mit den Worten "schwer zu glauben" kommentiert und "Angst vor (berechtigter) Unruhe in der Bevölkerung".

Letztere hat Auberger zweifellos ausgelöst. Eine Bürgerin habe sich am Montagmorgen bei ihm erkundigt, ob sie denn nun ihr Frühstück noch essen könne, andere kündigten an, künftig nicht mehr das Wasser aus dem Hahn trinken zu wollen. Johann Auberger selbst benutzt zum Kochen und Trinken nur noch stilles Mineralwasser aus dem Supermarkt. "Das kann aber nicht die Lösung sein", sagt der 52-Jährige. Er sieht den Bürgermeister in der Pflicht, auf die Landwirte einzuwirken, Glyphosat nicht mehr zu verwenden.

Josef Schwäbl ist selbst Landwirt, er verwende kein Glyphosat, sagt er. Ebenso wenig die anderen Landwirte in der Gemeinde. Er wisse von keiner Fläche im ganzen Gemeindegebiet, die mit dem Pflanzengift abgespritzt worden wäre. Als Reaktion auf das Flugblatt hätten sich Landwirte aus der Gemeinde bereits bei ihm gemeldet. Sie seien verärgert, als Verschmutzer des Trinkwassers hingestellt zu werden.

Dabei seien sie mehr als kooperativ, was den Landschaftsschutz angehe, wie Schwäbl betont. Rund um den Brunnen in Pullenhofen, welcher in einer Wasserschutzzone der Stufe zwei liegt, hätten sich die Landwirte auf freiwilliger Basis hohen Auflagen verpflichtet. Die Gemeinde zahle hierfür zwar eine Entschädigung, dennoch sei das Entgegenkommen groß, die Flächen würden etwa nicht mehr gedüngt.

Schwäbl selbst zeigte sich "überrascht" angesichts der hohen Glyphosatwerte, deren Herkunft es nun nachzuweisen gelte. "Wenn das Glyphosat nicht in Bruck ins Wasser gelangt, muss es schon drin sein, wenn das Wasser hier ankommt", sagt er. Beim Trinkwasser handele es sich um Schichtenwasser, welches aus Richtung Falkenberg ins Gemeindegebiet fließe. "Ich möchte nichts verniedlichen, wir müssen die Ursache finden", sagt Schwäbl. Zunächst aber gelte es, die Werte Aubergers nachzuprüfen: Schwäbl hat eine Messung auf Pflanzenschutzmittel beauftragt.

Von der Gemeinde heißt es, das Trinkwasser sei sauber

Den Vorwurf, Messungen bewusst verzögert zu haben, weist er von sich. "Wir machen alle Messungen, die vom Gesundheitsamt angeordnet werden", sagt er. Diese bemessen sich nach der Menge des abgegebenen Wassers, im Fall der Brucker Wasserversorgungsganlage müssen pro Jahr vier Routineuntersuchungen gemacht werden und eine umfassende Messung. Lediglich Letztere beinhaltet auch eine Untersuchung auf Pflanzenschutzmittel.

Diese Messung soll in Bruck im Herbst stattfinden. Für Schwäbl ist entscheidend, dass der vom Labor übermittelte Befund die vergangenen Jahre immer ohne Auffälligkeiten gewesen ist, das Trinkwasser also sauber. Die Anschuldigen Aubergers nennt er "Stimmungsmache". Die beiden kennen sich und ihre konträren politischen Positionen bereits von einem Streit um ein in Taglaching geplantes Gewerbegebiet. Auch damals wurden Flugblätter und Handzettel verteilt.

Für die Brucker Bürger besteht laut Hermann Büchner, Leiter des Gesundheitsamtes, akut keine Gefahr. Sollte sich eine Überschreitung der Grenzwerte bestätigen, sieht die Trinkwasserverordnung die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Ausnahmegenehmigung vor, bis der sogenannte Maßnahmewert erreicht ist.

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SZ vom 12.07.2016
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