Neue Reihe:Fünf Viertel zum Frühschoppen

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Bassist Christian Schantz, Schlagzeuger Andreas Krieger und Josef Reßle am Piano gehen weit übers simple Covern hinaus. (Foto: Christian Endt)

Das Wirtshaus Taglaching bietet eine einladende musikalische Sonntagmittagskultur mit "20th Century Rocks". Auch in den nächsten Monaten lohnt sich der Besuch für Jazzfreunde.

Von Ulrich Pfaffenberger, Bruck

Die drei wichtigsten Unterschiede zwischen einem Konzert und einem Frühschoppen? In der Regel, erstens, die Tageszeit sowie, zweitens und drittens, dass beim Frühschoppen gegessen und getrunken sowie geplaudert werden darf, während die Musik spielt. Ob daraus ein Genuss wird, hängt also nicht allein von der Kunstfertigkeit der Musizierenden ab, sondern auch von den Gesprächspartnern am Tisch und vom Können der Küche.

Im Wirtshaus in Taglaching, seit einem knappen Jahr unter neuer Regie, hat man sich für einen entsprechenden Menüpunkt entschieden. Einmal im Monat steht nun für den Sonntagmittag ein einschlägiges Angebot auf der Tageskarte. Zusammen mit den Jazzern von 20th Century Rocks kredenzen die Wirtsleute zwei sinnesanregende Stunden, in denen es leicht und heiter zugehen soll, ohne dass die Musik in den Hintergrund rückt, in denen die gespielten Melodien in Einklang mit dem Lebensgefühl der Anwesenden kommen.

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Die übersichtliche Gaststube mit ihrem halben Dutzend Tischen ist wie geschaffen, um eine solche Idee in die Tat umzusetzen. Die Band, an diesem Sonntag zu dritt, platziert sich in der Mitte und somit in ungehinderter Seh-, Hör- und Spürweite des Publikums. Bandleader Christian Schanz aus Ebersberg am Kontrabass, Josef Reßle am Piano und Andi Krieger am Schlagzeug hätten sogar auf den verstärkenden Lautsprecher verzichten können, der den dunklen Tönen etwas Übergewicht verlieh - prägend, aber nicht störend. Im Gegenteil: Der süffige Groove brachte die fröhliche Singstimme des Klaviers umso heller zum Strahlen und verschaffte dem Bassisten bei seinen leidenschaftlich und gekonnt ausgeführten Ausflügen in die höchsten Lagen der G-Saite eine umwerfende Präsenz, macht seinen Sound stilprägend für die ganze Band.

Auch Eigenkompositionen bringt das Trio mit

So brachte schon eingangs die Interpretation des Pink-Floyd-Titels "Brain Damage" eine spannende Mischung von Zutaten ins Spiel. Saftiges, duftendes Filet vom Bass, das Piano so perlend wie der Frühstücks-Sekt und der Sound des Schlagzeugs so knusprig wie die frischgebackenen Croissants, die der Wirt im Vorübergehen auf den Tisch stellte - eine wohlschmeckende Mischung, so ganz und gar nicht im Einklang mit den ungesungenen Worten des Titels. Wer 20th Century Rocks zum ersten Mal begegnete, konnte in diesem Moment schon beruhigt feststellen, dass das Versprechen der "musikalische Reise durch die Jazz-, Rock- und Popgeschichte des vergangenen Jahrhunderts" weit über simples Covern hinausgehen würde.

Was das Trio bei den anschließenden beiden Eigenkompositionen von Schantz eindrucksvoll bestätigte. Formvollendeter Instrumental-Jazz, der seine Themen großzügig zelebriert, sich aber nicht in der Wiederholung verliert, weil's so schön ist, sondern konzentriert Varianten aufgreift und miteinander verbindet. Vorführ-Soli reduzieren sich auf ein Minimum, sind mehr ein Augenzwinkern oder ein Nicken als eine großartige Verbeugung. In ihrer Geradlinigkeit wirken die Melodien dafür umso intensiver, haben die Kraft, immer aufs Neue die Aufmerksamkeit jener (wieder) zu gewinnen, die sich durch einen Teller oder eine Bemerkung haben ablenken lassen.

Es wird durchaus klar, wieso die Jazzband Rock im Namen trägt

Drittes Element im Jazz-Menü an diesem Sonntag sind eine Handvoll Standards aus den 1930er und 1940er Jahren. Sie sind weniger gedacht, das eigene Können nachzuweisen, als den Respekt für das Können anderer. "Beatrix" ist einer davon, in seiner Lebhaftigkeit und Intensität dazu angetan, mit Messer und Gabel im Salatteller den Rhythmus aufzunehmen. Bei "My funny Valentine" beugt sich die Band dem Wunsch einer Zuhörerin, den üblichen Fünf-Viertel-Takt aufzugreifen, statt zwischendrin etwas leichte, weniger komplexe Kost zu kredenzen.

Das für Jazzer etwas irritierende "Rocks" im Bandnamen verifizieren die Drei - die eigentlich ein Duo sind, der Drummer ist nur Gast - nicht nur durch den starken Groove. "Rock it Hedwig", eine witzige Melange aus Harry Potter und Herbie Hancock, gerät zum Vorzeigestück, wie's geht, wenn man's kann, dieses Brückenbauen zwischen den entfernten Anverwandten Jazz und Rock. Später dann, bei einer spannenden, die Ohren kitzelnden Interpretation von "Gauge away", einem Klassiker der Pixies, mündet dies in einen fulminanten Sound, zu dem man sich die E-Gitarre kaum mehr dazudenken muss.

Als der Mittag mit "When you wish upon a star", einem zarten Dessert, ausklingt und der letzte Affogato geleert ist, macht sich jenes wohlige Sonntagmittaggefühl breit, das nach einem Spaziergang oder einem Schläfchen ruft. Musik, Wirtshausatmosphäre, nahrhafte und fein zubereitete Kost liefern den Beweis, dass "100 Prozent Bio" mehr ist als ein Etikett. Es ist, wortwörtlich, ein schönes Stück Lebens mit allen Sinnen zu genießen. Womit auch jene ihre Chance bekommen, die den Frühschoppen allein besuchen wollen: Entweder sie kommen mit Tischgenossen über die Musik ins Gespräch. Oder sie lassen sich von den sinnlichen Eindrücken beim Schreiben oder Lesen eines Buchs begleiten. Die Möglichkeiten scheinen nicht ausgeschöpft, der Ansatz vielversprechend.

"20th Century Rocks": Jazzfrühschoppen im Wirtshaus Taglaching immer sonntags, 16. April, 21. Mai, 18. Juni, 16. Juli, jeweils von 12 bis 14Uhr. Reservierung unter (08092) 33 61 38 oder per Mail an info@wirtshaus-taglaching.de .

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