Brenner-Nordzulauf:"Warum muss ein Zug nach Rostock über München fahren?"

Brenner-Nordzulauf: Die zweigleisige Bestandsstrecke im Bereich Atteltal zwischen Grafing-Bahnhof und Aßling.

Die zweigleisige Bestandsstrecke im Bereich Atteltal zwischen Grafing-Bahnhof und Aßling.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wo werden die neuen Bahngleise durch die Region verlegt? Um Einfluss zu nehmen, vereinen sich die Fraktionen in Ebersberg zu einer Allianz. Es gibt eine Kernforderung und Umleitungsideen.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Der Vorteil von neuen Eisenbahnschienen ist, dass dann weniger Fracht in Lastwagen mit Auspuffen transportiert werden muss. Nachteil ist, dass Gleise, auf denen Zügen fahren, störende Nebenwirkungen haben können: Etwa Lärm und Flächenverbrauch. Wegen dieser Unannehmlichkeiten ist nun ein überparteiliches Bündnis im Landkreis Ebersberg gegründet worden. Denn genau dort sollen solche Gleise verlegt werden.

Die für nicht wenige Menschen recht wichtige Frage lautet, wo genau Züge auf neuen Gleisen fahren sollen. Je näher zur eigenen Behausung, desto höher der Drang, die Pläne zu durchkreuzen. Die Menschen im Südosten von München unterscheiden sich hier nicht wesentlich von anderen Menschen in Bayern. Tausende gingen deswegen protestierend auf die Straße. Eisenbahnschienen rangieren auf der oberbayerischen Beliebtheitsskala in ähnlichen Gefilden wie Windkraftanlagen.

Im Kreis Ebersberg geht es um ein grobes Gebiet von Kirchseeon über Grafing bis Aßling. Hier sollen Gleise Richtung Ostermünchen (Kreis Rosenheim) verlegt werden. Vier Varianten hat die Bahn vorgestellt, entschieden ist nichts. Kritikern der Pläne ist dem Vernehmen nach keine der Wahlmöglichkeiten recht, Favorit ist Variante null: Gar keine oberirdischen Gleise in diesem Areal. Den Mitgliedern des Ebersberger Kreistags ist dieses Stimmungsbild offenbar zugetragen worden. So kommt es nun zu einem kommunalpolitischen Versuch, die Dinge so zu beeinflussen, wie es den Menschen vor Ort behagt.

Am späten Montagnachmittag hat sich in Ebersberg eine überparteiliche Allianz aus Kommunalpolitikern gebildet. CSU, Grüne, SPD, Freie Wähler, FDP und AfD stimmten in der Sitzung des Kreis- und Strategieausschusses für eine Resolution, die Interessen von möglicherweise betroffenen Anwohnern bekräftigen soll. Selten war sich dieses Gremium so einig.

Das Bündnis fordert die Bahn auf, die neuen Gleise neben den bestehenden Schienen zu verlegen

Kernforderung der Resolution: Die Bahn soll "gemeinsam mit der Region eine technisch machbare und genehmigungsfähige Trassenvariante an der Bestandsstrecke" ausarbeiten. Demnach sollen die neuen Gleise neben der Bahnlinie Richtung München verlaufen. Dem folgt im Resolutionspapier keine Forderung, eher die Empfehlung einer "unterirdischen Führung".

Weitere Anregungen des Ebersberger Polit-Bündnisses: Die beiden S-Bahn-Gleise zwischen Grafing-Bahnhof und Trudering bleiben S-Bahnen und Nahverkehrszügen vorbehalten. Und: Auf der Bestandsstrecke und "einer möglichen Neubaustrecke ist schnellstmöglich Lärmschutz entsprechend Neubaustandard erforderlich". Die bisherigen Lärmschutzpläne seien hier nicht ausreichend. Weiter heißt es, der sogenannte Ostkorridor im Bereich Mühldorf-Rosenheim müsse weitergeplant werden, um den Knotenpunkt München zu entlasten.

Fazit der Resolution: "Anzustreben ist eine Trasse, die den kleinsten Eingriff in unsere Landschaft, den Erhalt unserer Siedlungsstruktur und somit maximale Schonung von Mensch und Natur als Ziel hat und dabei alle Möglichkeiten untersucht."

Welche Chance haben Kommunalpolitiker gegen ein europäisches Großprojekt?

Der Bau des Brennerbasistunnels ist einer der bedeutendsten europäischen Bahnprojekte, insbesondere für den alpenüberquerenden Güterverkehr. Der Bau der Strecke befindet sich europaweit in fortgeschrittenen Stadien, in Deutschland verzögert sich das Projekt. Planmäßige Eröffnung des Brennerbasistunnels wäre im Jahr 2032.

Inwiefern vermag ein Landkreisgremium bei so einem Großprojekt mitzubestimmen? Die Ebersberger Ausschuss-Mitglieder im Sitzungssaal machten einen optimistischen Eindruck. "Wir lassen uns nicht mit einfachen Argumenten abspeisen", erklärte Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Sein Parteikollege Thomas Huber, der auch im Landtag ein Mandat hat, empfahl eine Umleitung: Demnach sei zu prüfen, wie Güterverkehr vom Norden in den Süden Europas - der nicht München als Ziel hat - über Landshut oder Mühldorf umgeleitet werden könne. Freie-Wähler-Kreisrat Wilfried Seidelmann drückte es in seinem Redebeitrag so aus: "Warum muss ein Zug nach Rostock über München fahren?"

Waltraut Gruber von den Grünen, Alexander Müller von der FDP und Manfred Schmidt von der AfD sagten auch noch zustimmende Worte. Ehe als letzter Redner SPD-Fraktionssprecher Albert Hingerl aus Poing ans Mikro trat und einordnende Sätze folgen ließ. "Wir sind nicht zuständig, fühlen uns aber trotzdem mitverantwortlich."

Die nun verabschiedete Resolution im Kreis- und Strategieausschuss dient als Grundlage für eine anstehende Anhörung des Ausschusses. Mit dabei: Vertreter der Deutschen Bahn, die betroffenen Gemeinden und die dort aktiven Bürgerinitiativen, deren Entstehung eher selten auf die Vorteile von Eisenbahnschienen zurückzuführen ist.

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