Brenner-Nordzulauf:Trassenkritiker machen ihrem Ärger Luft

Demos gegen Brenner-Nordzulauf Bahntrassen

Am Wochenende nach der ersten Vorstellung der Neubautrassen gab es Proteste entlang deren möglichen Verlauf bei Aßling und Bruck.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Bahn informiert online über die umstrittenen Neubaugleise im südlichen Landkreis Ebersberg. Das Interesse ist groß - die Reaktionen sind deutlich.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Dass man es bei der Bahn mit der Pünktlichkeit nicht immer übertreibt, ist ein Klischee - auf dem natürlich munter herumgeritten wird, wenn eine Veranstaltung der Bahn mit einiger Verspätung startet. So wie nun beim virtuellen Infoabend des Schienenkonzerns zu den möglichen Neubau-Trassen im südlichen Landkreis Ebersberg. Die sind umstritten, entsprechend gereizt waren die Kommentare der verhinderten Zuschauer, als statt des angekündigten Live-Stream fast eine halbe Stunde lang eine Fehlermeldung zu sehen war. Danach allerdings folgte eine durchaus informative und weitgehend sachliche Frage- und Antwortrunde. Was indes nicht heißt, dass die Anwohner mit dem Projekt versöhnt sind, weiterer Widerstand scheint sicher.

Knackpunkt ist die Frage, ob es wirklich neue Gleise braucht, und wenn ja, ob diese wirklich abseits der bestehenden Strecke gebaut werden müssen. Genau dies plant die Bahn, wie Projektleiter Christian Tradler, der Abschnittsplaner Dieter Müller und der Experte für Eisenbahnbau Richard Bodner-Pernlochner erläuterten. Vorgestellt wurden erneut die vier Grobtrassen, welche in unterschiedlich weitem Abstand westlich der bestehenden Bahnstrecke im Bereich zwischen Grafing-Bahnhof und der Landkreisgrenze verlaufen sollen.

Grundlage der Planungen ist - kurz gesagt - das Ausschlussprinzip. Östlich von Aßling gibt es Konflikte mit dem Wasserschutz, zudem macht die Bebauung dort einen geradlinigen Streckenverlauf schwierig. Mangelnde Geradlinigkeit sei es auch, die einen Ausbau entlang der bestehenden Strecke unmöglich mache. Denn, laut den Vorgaben, welche der Bund als Auftraggeber an die Bahn stelle, müsse für Zuggeschwindigkeiten bis 230 Kilometer pro Stunde geplant werden.

Brenner-Nordzulauf: Das Mega-Projekt Brenner-Basistunnel hat unmittelbare Auswirkungen für den Landkreis Ebersberg, denn durch diesen soll die geplante Zugstrecke nach München.

Das Mega-Projekt Brenner-Basistunnel hat unmittelbare Auswirkungen für den Landkreis Ebersberg, denn durch diesen soll die geplante Zugstrecke nach München.

(Foto: Matthias Arnold/dpa)

Was nicht alle im virtuellen Publikum überzeugte. Man könne die Kurven doch umbauen, forderten einige. Andere bezweifelten, dass auf der Strecke überhaupt Tempo 230 gefahren werden könne, schließlich soll laut Bahn dort zu 80 Prozent Güterverkehr vom und zum Brenner-Basistunnel unterwegs sein. Auch kam die Frage auf, ob nicht eine Taktverdichtung auf der Bestandsstrecke schon ausreiche, um den zusätzlich erwarteten Verkehr aufnehmen zu können.

Der Untergrund sei schwierig, so die Planer

Allen drei Punkten erteilten die Bahnvertreter indes eine Absage: Die Bestandsstrecke sei schon heute weitgehend ausgelastet. Künftig soll diese zudem ausschließlich für den Nahverkehr genutzt werden, der Fernverkehr müsse dazu eben auf neue Gleise ausgelagert werden. Dass diese für eine Höchstgeschwindigkeit von 230 Kilometer pro Stunde ausgelegt werden soll, sei vom Auftraggeber - dem Bundesverkehrsministerium - vorgegeben, da habe man keinen Spielraum. Ebenso wenig bei den sich daraus ergebenden Kurvenradien. Diese könne man auch nicht entlang oder wenigstens in der Nähe der bestehenden Strecke erreichen, sagte Bodner-Pernlochner, "das gibt die Geologie nicht her". Es seien entsprechende Untersuchungen vorgenommen worden, demnach sei der Untergrund ungünstig. Ausgleichen könne man dies allenfalls mit Rampen, die laut dem Planer aber "riesig" werden müssten - "die haben keinen Platz in der Umgebung".

Vorabeiten für Brennerbasistunnel im Inntal in Tirol, 2011

Bohrkerne neben der Bahnstrecke bei Aßling. Im vergangenen Frühling hatte die Bahn den Untergrund hier beproben lassen.

(Foto: Christian Endt)

Zu den Rampen und anderen für die Neubaustrecke nötigen Bauten gab es ebenfalls zahlreiche Fragen. Die meisten davon drehten sich darum, warum nicht größere Teile der Strecke unterirdisch gebaut werden. Ein Zuschauer schlug vor, die Bahn solle wenigstens eine Einhausung errichten, die könne man dann mit Solarzellen bestücken und gleich noch Ökostrom produzieren. Diese Idee nannte Müller zwar "interessant", musste aber zugeben: "Das ist nicht unser Geschäftsmodell."

Was die grundsätzliche Frage nach mehr unterirdischen Streckenabschnitten angeht, gilt laut Tradler: "Wir planen Tunnel, wo es erforderlich ist." Die Erfordernis ergibt sich allerdings nicht aus der Ungestörtheit von Land- und Anwohnerschaft, sondern aus den Erfordernissen der geplanten Flachbahnstrecke. Den gesamten Abschnitt zu untertunneln sei nicht vorgesehen - und würde bei der Kosten-Nutzen-Berechnung wohl auch durchfallen. Tradler gab - in Bezug auf eine Frage nach dem CO2-Ausstoß durch den Neubau - auch zu bedenken, dass dieser um so höher ausfalle, je mehr Beton verbaut und je mehr Material und Ausrüstung transportiert werden müsse - etwa zum Tunnelbau.

Vieles lässt sich noch nicht beantworten

Ebenfalls gefragt wurde nach der Art der Bauwerke: Dämme oder Brücken, Einschnitte oder Tunnel, in welchem Verfahren und in welchem Zeitraum. Dazu konnten die Bahnvertreter indes noch wenig Konkretes beitragen, dies ergebe sich erst in der nächsten Phase, der "vertieften Planung", in der dann ermittelt wird, welche der vier Trassen umgesetzt werden soll. Ganz grundsätzlich sei aber davon auszugehen, dass für alles, was tiefer als 20 Meter unter die Erde geht, ein Tunnel und für alles, was mehr als zehn Meter über Terrain verläuft, eine Brücke gebaut werden würde.

Viele Fragen mussten die Bahnvertreter auch auf kommende Veranstaltungen verweisen, etwa zu konkreten Lärmschutzmaßnahmen, zur Breite der Neubaustrecke und ihrem genauen Verlauf sowie zu den Preisen, welche die Bahn für die benötigten Grundstücke zahlt. Diese, so Tradler, würden von einem unabhängigen Gutachter auf Basis der örtlichen Landpreise ermittelt - aber eben erst, wenn klar sei, welche Trasse gebaut wird. Was im Übrigen nicht die Bahn entscheide, betonte Müller. Man sei an einen Kriterienkatalog gebunden, der sich wiederum aus den Vorgaben des Bundes ergebe.

Trotz des etwas holperigen Starts und der Tatsache, dass bei weitem nicht alle Fragen in den knapp zwei Stunden zu beantworten waren, schien das Publikum zumindest nicht unzufrieden. Mehrere Zuschauer lobten das Format und die Bereitschaft der Bahn, mit den Betroffenen den Austausch zu suchen.

Demos gegen Brenner-Nordzulauf Bahntrassen

Eindrücke von Protesten entlang der möglichen Trassen bei Aßling und Bruck.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Akzeptiert ist die geplante Neubaustrecke indes noch lange nicht. Bereits am Tag nach der ersten Präsentation der Trassen vor zwei Wochen hatte es Kritik von Politikern aus dem Landkreis gegeben, verbunden mit dem Appell, beim Ausbau der Strecke mehr Rücksicht auf Anwohner und Landschaft zu nehmen. Diese Forderung stellten am vorvergangenen Wochenende auch zahlreiche Einwohner der betroffenen Ortschaften auf mehreren Kundgebungen entlang der möglichen Neubaustrecke. Anfang dieser Woche hat sich der Bauernverband in der Sache zu Wort gemeldet, auch er fordert, die Strecke so weit wie möglich unterirdisch zu verlegen, um den Flächenverbrauch gering zu halten: "Wir fordern, dass dabei Kosten in keinem Fall dem Bürgerschutz entgegenstehen dürfen." Zudem solle die Bahn jeden einzelnen der betroffenen Landwirte in ihre Planungen einbeziehen.

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