Brennerzulauf:Synthese gesucht

Bei der Frage, wo die neue Bahntrasse im Landkreissüden verlaufen soll, scheiden sich die Geister. Sicher scheint nur: Allen wird man es am Ende nicht recht machen können.

Kommentar von Wieland Bögel, Aßling

Was Du auch tust, Du wirst es bereuen. Dieser Satz wird Sokrates zugeschrieben und soll sich laut Überlieferung auf die Frage beziehen, ob man denn heiraten solle oder nicht. Doch auch gut 24 Jahrhunderte später und zu einem anderen Thema scheint er zu passen: Ob man denn eine neue Bahnstrecke zwischen Grafing und der Landkreisgrenze bauen soll - und vor allem: wo?

Dass die von der Bahn im vergangenen Herbst vorgestellten möglichen Neubautrassen auf wenig Gegenliebe stießen, machten die potenziellen neuen Nachbarn des Schienenstranges bereits damals mehr als deutlich. Was auch ganz objektiv wenig verwunderlich ist, wären die Eingriffe in die Landschaft doch durchaus nicht klein. Bei einigen kommt neben der Sorge um das Landschaftsbild auch noch ganz handfeste Existenzangst dazu, sollte eine Bahnstrecke ihre Wiesen und Felder zerschneiden, ja vielleicht sogar mitten durch den Hof führen, dessen Zukunftsfähigkeit dadurch wohl nicht mehr gegeben wäre. Schnell wurde daher die Forderung laut, die Bahn solle doch, wenn die neuen Gleise denn wirklich unbedingt nötig seien, keine neue Strecke bauen, sondern die bestehende einfach gewissermaßen "aufbohren". Tatsächlich gibt es im Landkreis sogar eine Art Präzedenzfall für dieses Vorgehen: Ende der 1980er Jahre wurde genau dies zwischen Haar und Grafing-Bahnhof gemacht, die zuvor zweigleisige Strecke erhielt zwei weitere Schienen, auf denen seitdem die S-Bahn verkehrt.

Nur: Übertragbar auf die Strecke Grafing-Ostermünchen ist diese Ausbauvariante nicht unbedingt. Denn erstens geht es nicht um neue Gleise für den "Nebenverkehr", also vergleichsweise leise S-Bahn-Züge, sondern um schienengebundenen Schwerlastverkehr. Schon beim Bau der Nahverkehrsgleise gab es Einwände von Anwohnern, dass die Bahn nun sehr viel näher an ihren Grundstücken vorbeifährt, verständlich also, wenn die Anwohner in Aßling nicht jubeln, bei der Aussicht auf noch mehr und noch nähere Güterzüge neben ihren Häusern. Zweitens war der Ausbau der Hauptstrecke bis Grafing-Bahnhof schon länger in den Plänen gestanden und verlief über deutlich weniger wertvolles und auch weniger schwieriges Gelände. Der Bestandsausbau südlich von Grafing indes müsste auch durch oder zumindest nahe an geschützten Gebieten vorbei erfolgen, eine Tatsache, auf welche die Bahnvertreter seit der ersten Forderung nach einer Paralleltrasse stets hingewiesen haben.

Und nun? Sowohl Befürworter des weiträumigen wie des ortsnahen Ausbaus haben erklärt, am besten sei doch die U-Bahn-Variante, also möglichst viele Tunnelabschnitte - was die Strecke dann aber wieder extrem teuer und ihre Umsetzung unwahrscheinlicher machen dürfte. Die neue Ideal-Trasse gleicht damit einem Überraschungsei - gleich drei Wünsche auf einmal? Nicht zu nahe an der Wohnbebauung, nicht zu viel Landschaftsverbrauch und obendrein noch bezahlbar. Die spannende Frage der kommenden Monate dürfte es also sein, ob es gelingt, aus diesen drei Anliegen eine Synthese zu finden, bei der möglichst wenige Leute das Gefühl haben, das Ergebnis bereuen zu müssen.

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