Im Jahr 2032 soll der Brenner-Basistunnel eröffnet werden, gerade erst wurde ein wichtiger Teil der Bergmannsarbeiten auf italienischer Seite abgeschlossen. Bis freilich auch die Zulaufstrecke durch Bayern fertiggestellt ist, wird es noch acht Jahre länger dauern – wenn denn alles nach Plan läuft. Auf welcher Trasse die Züge dann von 2040 an zum Brenner unterwegs sein werden, wird sich voraussichtlich noch in diesem Jahr entscheiden. Der Verkehrsausschuss des Bundestags, der sich nach der Regierungsbildung gerade erst neu formiert hat, wird das Thema 2025 auf die Agenda bekommen, so sieht es jedenfalls der bisherige Zeitplan vor.
Menschen im Landkreis Ebersberg verbinden mit diesem Termin recht unterschiedlichen Erwartungen und Hoffnungen – denn was für Mensch und Natur am schonendsten ist, dazu gehen die Ansichten je nach Wohnort stark auseinander. Während bisher die Befürworter der bestandsnahen Trasse „Türkis“ die öffentliche Diskussion dominiert haben, könnte sich das nun ändern. Die Bürgerinitiative „Schützt Aßling und das Atteltal“ will nun energischer für die eigene Position und die Trasse „Limone“ werben und hat dazu auch eine Petition gestartet.
„Bürgertrasse“ – allein an dem Namen stören sich etliche
Aus Sicht der Planer von der Bahn gibt es freilich schon seit Jahren keine Frage, welche Trasse es letztlich sein wird: die Trasse „Limone“, so benannt nach der Farbe, die diese Variante im Auswahlprozess bekommen hatte. Sie verläuft von Ostermünchen im Landkreis Rosenheim kommend direkt an den kleinen Orten Niclasreuth und Dorfen in der Gemeinde Aßling vorbei bis Hamberg, von wo aus die Trasse über Schammach und Taglaching bei Kirchseeon wieder mit der Bestandsstrecke zusammengeführt wird. Dabei verläuft ein Teil der Stecke unterirdisch: 3,7 Kilometer ist der Salachtunnel lang. Doch seit der Bekanntgabe der Entscheidung vor fast drei Jahren gibt es massive Proteste – und Andreas Brandmaier, ein Projektcontroller aus Aßling, entwarf zusätzlich zu den Planungen der Bahn die Variante „Türkis“, die seitdem meist „Bürgertrasse“ genannt wird. Sie führt nahe an der bisherigen Bestandsstrecke entlang und direkt durch Aßling.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie unter sz.de/datenschutz.
Dort stören sich schon viele Bürgerinnen und Bürger allein am Namen „Bürgertrasse“. „Diese Trasse wurde von einem Bürger ins Spiel gebracht, der Name impliziert aber, dass alle Bürger für Türkis sind, was definitiv nicht stimmt“, sagt Nils Niederstebruch von der Bürgerinitiative „Schützt Aßling und das Atteltal“, gewissermaßen das Gegenstück zu der Bürgerinitiative „Brennernordzulauf Landkreis Ebersberg“.
In der öffentlichen Wahrnehmung hat Team Türkis – das mit laut- und bildstarken Aktionen wie Traktordemos und Mahnfeuern auf sich aufmerksam gemacht hat – bisher die besseren Karten. Von Landrat Robert Niedergesäß über Landtagsabgeordneten Thomas Huber und Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz haben die Befürworter des bestandsnahen Ausbaus alle CSU-Mandatsträger auf ihrer Seite. Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher hat sich immer wieder für Türkis ausgesprochen. Der Kreistag hat ebenfalls seine Präferenz für den bestandsnahen Ausbau deutlich gemacht, sogar der Verkehrsausschuss des Landtags hat mit Stimmen von CSU und Freien Wählern für diese Variante votiert. Damit stellen sie sich hinter die Landwirte und Anwohner der kleinen Ortsteile Aßlings, die eine Zerschneidung ihrer Flächen und eine Insellage mancher Gebäude befürchten und auch damit argumentieren, dass viele Anwohner neu mit Bahnlärm belastet würden.

Brennernordzulauf im Landkreis Ebersberg:Uneinig in fast allen Fragen
Zwei Bürgerinitiativen, zwei unterschiedliche Ansätze: Die einen wehren sich gegen Trasse Limone, die anderen haben Angst vor Trasse Türkis. Ein Gespräch.
Im Hauptort Aßling sehen hingegen viele Anwohner die Tatsache sehr kritisch, dass das zweite Gleispaar nahe am Ortsrand verlaufen würde, eng an bestehenden Häusern vorbei, auch der Bahnhof müsste komplett umgebaut werden. Sie fürchten eigenen Angaben zufolge eine „jahrelange Megabaustelle mit Lärm, Staub, Erschütterungen, Straßensperrungen und Baustellenverkehr genau dort, wo die meisten Aßlinger Bürger und Bürgerinnen leben“ – so steht es auch in einer Petition, die die Bürgerinitiative gerade gestartet hat und die Stand Sonntagvormittag bereits allein online mehr als 280 Unterstützer gefunden hat. Zudem würde während der Jahre dauernden Bauphase Aßling wohl komplett vom Zugverkehr abgeschnitten, nicht einmal Nahverkehrszüge könnten noch verkehren, das habe die Bahn deutlich gemacht, so Nils Niederstebruch.
Auf dem Wochenmarkt diskutieren beide Parteien miteinander – friedlich, aber intensiv
Auch er selbst wäre als Bewohner von Hochreit von den Bauarbeiten der Trasse Türkis stark betroffen. Das sei aber nicht der Grund für sein Engagement, betont er: Wäre beispielsweise die Wahl auf die Trasse Orange gefallen, die ebenfalls direkt an seinem Haus vorbeiführen würde, hätte er das akzeptiert, wie er sagt. „Für mich persönlich ist das Schlimmste, dass die Trasse Türkis mitten durch das Landschaftsschutzgebiet im Atteltal führen würde“, sagt er, ein wertvolles Naherholungsgebiet würde durchschnitten. An einer anderen Stelle würde sie nah an durch Europarecht geschützte FFH-Gebieten vorbeiführen.

Bei einem Infostand am Samstagvormittag in Aßling nutzten etliche Besucher des Wochenmarkts auch die Möglichkeit, sich über die Positionen der Bürgerinitiative zu informieren – und auch einige Mitglieder der anderen Bürgerinitiative „Brenner Nordzulauf Landkreis Ebersberg“ kamen vorbei. Auf Instagram hatte die BI auf den Infostand hingewiesen und dass „mit großer Wahrscheinlichkeit nicht faktenbasiert argumentiert“ werde. Man möge daher doch vorbeischauen und „ruhig, sachlich, nüchtern“ die eigenen Argumente vortragen, so der Appell.
So sei der Dialog mit der Konkurrenz auch tatsächlich abgelaufen, sagt Niederstebruch, es habe weder Streit noch Ärger gegeben, dafür intensive Diskussionen und die Einsicht, dass man in manchen Dingen gar nicht so weit auseinander liege, in anderen jedoch schon. In nächster Zeit will die BI stärker in die Diskussion mit politischen Entscheidungsträgern treten – das wiederum verbindet sie mit der Konkurrenz. „Natürlich versuchen wir, weiter auf die Politik einzuwirken, wie wir es ja seit drei Jahren schon machen“, sagt Susanna Koller von der Bürgerinitiative „Brennernordzulauf Landkreis Ebersberg“, denn man sei der Überzeugung, dass die Trasse Türkis in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht einfach die Bessere sei.