Braune Parolen in Grafing:Hinweise auf rechtsextreme Täter

Fachleute vermuten hinter den Nazi-Schmierereien an zwei Grafinger Schulen keine dummen Jungenstreiche

Thorsten Rienth

Nach den Nazi-Schmierereien an Grafinger Schulen beginnt besonders im südlichen Landkreis die Einordnung der Tat. Nach Ansicht von Experten ist sie kein Jugendstreich, sondern lässt auf eine Verwurzelung der Täter in der rechtsextremen Szene schließen. In der Nacht zum Mittwoch hatten Unbekannte zahlreiche Nazi-Parolen, SS-Zeichen und Hakenkreuze an die Schulen gemalt. 1400 Gymnasiasten starteten daraufhin eine spontane Demonstration und wurden dafür mit Lob nur so überschüttet.

Braune Parolen in Grafing: Sie wollen keine schweigende, sondern eine Stellung beziehende Mehrheit sein: die Grafinger Schüler, die am Mittwoch demonstriert haben.

Sie wollen keine schweigende, sondern eine Stellung beziehende Mehrheit sein: die Grafinger Schüler, die am Mittwoch demonstriert haben.

(Foto: privat)

Wenn jemand mitten in der Nacht zwei in verschiedenen Stadtteilen stehende Gebäude von Bildungseinrichtungen, also Orte von Bedeutung, mit solchen Parolen beschmiert, dann ist das gezielt und eine geplante Sache", sagte Stephan Neidhardt am Donnerstag zur SZ. Der Leiter der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus für die Regionen Oberbayern und Schwaben, die beim Kreisjugendring (KJR) in Ebersberg sitzt, ist sich sehr sicher: "Ein Dummer-Jungen-Streich ist so was nicht." Ein wichtiges Zeichen dafür ist für Neidhardt - im wahrsten Sinne des Wortes - die Wolfsangel, die ans Gymnasium gesprüht worden war. Zwischen 1933 und 1945 verwendete unter anderem eine SA-Standarte dieses Zeichen, das auf eine zur Wolfsjagd genutzte Waffe zurückgeht. Später wurde es zum Symbol der 1982 verbotenen Jungen Front. "Wer so etwas verwendet, der steckt mit den Gedanken tief in der Sache", sagt Neidhardt. Er habe "wirklich viel" zu dieser Thematik auf dem Schreibtisch, "aber davon habe ich vielleicht zwei Mal am Rande etwas gehört."

Der Aßlinger Jugendpfleger Erwin Mehl, der unter den Landkreisjugendpflegern zu denjenigen gehört, die sich am meisten mit der Thematik Neonazismus beschäftigen mussten, schätzt die Grafinger Vorfälle ähnlich ein. Zusammen mit seinem Kollegen Himo Al-Kass betreut er gerade das Grafinger und Aßlinger Toleranzprojekt "GRASS21". Auch für ihn sind die Wolfsangel und die augenscheinlich geplante Aktion wichtige Anhaltspunkte zur Interpretation.

Die Rechtschreibfehler, die in einigen der Sprayereien aufgefallen waren, will Mehl nicht überbewerten. "Man muss sich doch mal in die Lage dieser Leute versetzen: Die wissen, dass sie hier etwas ordentlich Illegales machen, und dass empfindliche Strafen drohen, wenn sie erwischt werden." Eine "gewisse Nervosität", die in manchen Fällen eben zu Flüchtigkeitsfehlern führe, sei da anzunehmen. Ganz abgesehen davon sei alleine schon die Schärfe der Parolen - "Dem Deutschen Volke - vergast alle Juden", stand beispielsweise bei der Mittelschule geschrieben - und die schiere Anzahl der Nazi-Symbole ein Indiz dagegen, dass es sich um einen Streich handele.

Aus dem Polizeipräsidium Oberbayern hieß es dagegen gestern: "Was das Motiv und die Täterschaft angeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch alles möglich - von der Mutprobe einiger Jugendlicher bis zur geplanten Aktion von Leuten, die in der Szene ordentlich verwurzelt sind." Laut Polizei beläuft sich der Sachschaden auf 5000 Euro. Nach neuen Erkenntnissen der Kripo Erding haben vermutlich dieselben Täter in den Straßen "Am Feld", "Schlosserbreite" und "Am Schönblick" Briefkästen beschädigt und mit derselben grünen Farbe besprüht.

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