Brandserie in Kirchseeon:"Ich gehe mit Klamotten ins Bett, damit ich bereit bin, wenn wieder was passiert"

Brandserie in Kirchseeon: Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres brannte es in einem Wohnblock im Kirchseeoner Ortsteil Eglharting. Immer brannten Gegenstände, die im Flur standen: zwei Mal ein Kinderwagen, ein Mal eine Couch.

Zum dritten Mal innerhalb eines Jahres brannte es in einem Wohnblock im Kirchseeoner Ortsteil Eglharting. Immer brannten Gegenstände, die im Flur standen: zwei Mal ein Kinderwagen, ein Mal eine Couch.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach dem dritten Brand in Folge werfen die Mieter eines Wohnblocks in Kirchseeon der Hausverwaltung Sicherheitsmängel vor. Bislang wurden im Haus nach wie vor keine Rauchmelder installiert.

Von Anselm Schindler, Kirchseeon

Es liegt ein beißender Geruch in der Luft, und das auch noch mehr als eine Woche nach dem Brand. Im fünften Stock eines Wohnblocks im Kirchseeoner Ortsteil Eglharting ist im Hausflur ein Teil der Fensterscheiben kaputt, die angerückte Feuerwehr zerschlug die Scheibe damit der Rauch austreten konnte. Das Treppengeländer und die Decke sind verrußt. "Normalität...", sagt eine Bewohnerin des fünften Stocks und hält kurz inne, "nein, mit Normalität hat das hier schon lang nichts zu tun".

Ruhe ist in dem Block auch mehr als eine Woche nach dem letzten Feuer noch nicht eingekehrt, "dafür ist schon zu viel passiert", sagt die Frau aus dem Fünften und schüttelt den Kopf. Dreimal hat es in dem Haus bereits gebrannt - in weniger als einem Jahr - wieder ermittelt die Erdinger Kriminalpolizei wegen Brandstiftung. "Vielleicht haben die ja dieses Mal Erfolg" sagt sie, wirklich hoffnungsvoll klingt das nicht.

Einer ihrer Nachbarn hat inzwischen einen Feuermelder neben seiner Haustüre angebracht, auf eigene Faust, "der Vermieter tut ja nichts!", schimpft die Bewohnerin aus dem Fünften, ihren Namen will sie in der Zeitung lieber nicht lesen. Es war dieser Rauchmelder, der auch beim letzten Brand anschlug, eine Couch im Treppenhaus des vierten Stocks stand in Flammen, das Treppenhaus war voller Rauch.

Ein Stockwerk tiefer, in der Wohnung von Lisa Krämer: "Alles verrußt", sagt die Seniorin und deutet im Wohnungsflur auf die Decke. Über den schwarz verfärbten Teppich geht sie ins Wohnzimmer. Hündin Jenny sitzt auf der Couch, Krämer hat die Hündin unter den Arm geklemmt, als es das letzte Mal brannte, dann ist sie die Treppe hinunter gehastet. Beim vorletzten Brand stürzte die Seniorin und musste ins Krankenhaus - ihr Blutdruck war gefährlich hoch. Auch Krämer ist wütend auf die Eigentümergesellschaft, anrufen will sie bei der Hausverwaltung inzwischen aber nicht mehr, "da würde ich nur ausflippen", sagt die Seniorin.

Bis Ende des Jahres sollen Rauchmelder installiert werden

Schon nach dem ersten Brand habe die Hausverwaltung versprochen, Rauchmelder in dem Gebäude zu installieren. Auch von Video-Überwachung sei die Rede gewesen, berichtet die Bewohnerin aus dem Fünften. Passiert sei aber bislang nichts. Rauchmelder finden sich auch in den bei den baugleichen Nachbarhäusern nicht, die drei Blocks im Kirchseeoner Weg werden von derselben Eigentümergesellschaft verwaltet, der BGP GmbH.

Ein Anruf bei der BGP: Ans Telefon geht Heidi Denkhaus, sie ist im Nürnberger Büro des Konzerns für die Verwaltung zuständig. "Das wird noch gemacht", sagt Denkhaus in Bezug auf die Installation von Rauchmeldern in den Wohnblocks. Spätestens bis Ende dieses Jahres wolle man alle Wohnungen ausrüsten. Denn von 2018 an tritt eine neue Brandschutzbestimmung in Kraft, die Vermieter zur Installation von Rauchmeldern verpflichtet.

Zum Vorwurf, die Verwaltung habe die Installation bereits nach dem ersten Brand versprochen und dann nichts getan, will Denkhaus sich nicht äußern.

Dirk Gottschalk fährt für die BGP regelmäßig nach Eglharting, er ist im Konzern für die "Pflege der Mieterschaft und Objekte" zuständig, wie er selbst sagt. Er bekommt es ab, wenn die Mieter sich beschweren. Derzeit müsse er oft "den Kopf hinhalten", sagt Gottschalk. Momentan ist er damit beschäftigt, sich um die Beseitigung der Brandschäden zu kümmern, was auch viel Papierkram bedeute, der Versicherung wegen. Bis spätestens Anfang März sollen die Sanierungsarbeiten fertig sein, einige verrußte Wände und Decken müssen gereinigt und neu gestrichen werden. Und die Rauchmelder? "Die kommen", verspricht Gottschalk.

Keine Rauchmelder? Für die Feuerwehr ist das nicht nachvollziehbar

Dass der Wohnblock nach wie vor nicht mit Rauchmeldern ausgestattet sei, finde er "überhaupt nicht nachvollziehbar", sagt Stefan Klotz, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Eglharting. Er leitete den letzten Einsatz und sorgte auch dafür, dass der dritte, vierte und fünfte Stocks evakuiert wurde - die 54 Bewohner kamen über die Nacht im örtlichen Feuerwehrhaus unter. "In der Nacht sind die Sinnesorgane ausgeschaltet, man wacht also nicht automatisch auf, wenn es brennt", sagt Kommandant Klotz. Ein Rauchmelder könne deshalb Leben retten.

Auch die Gesichter waren schwarz, alles war schwarz", erinnert sich Lisa Krämer an die Minuten, in denen die Freiwillige Feuerwehr die Bewohner beim letzten Brand aus dem Haus holte. Vor allem seit dem letzten Brand leben viele der Bewohner in Angst. "Feuerteufel", immer wieder taucht dieses Wort in den Gesprächen der Mieter auf. Gerüchte gebe es viele, sagt ein jüngerer Mann, während er die Treppe hinunter steigt. "Wie ist denn der Täter hier nachts immer rein gekommen?", fragt er. Unten an der Haustür angekommen blickt der junge Mann auf den Zettel, der dort hängt: "Bitte alle abgestellten Gegenstände im Treppenhaus entfernen", steht auf dem Blatt.

Gebrannt haben jedes Mal Gegenstände in den Gängen des Hauses. Im Februar und Mai vergangenen Jahres waren es zwei Kinderwagen, beim jüngsten Brand eine Couch. Bevor er aus der Tür geht, blickt der junge Bewohner noch einmal zurück, "ein paar von den Nachbarn glauben auch, dass der Täter hier im Haus wohnt", sagt er. Lisa Krämer hält nichts von dieser Mutmaßung, "die Leute sind ja alle in Ordnung hier", sagt sie. Nach dem letzten Brand haben die Ermittler der Erdinger Kriminalpolizei an jeder Tür des fünfstöckigen Blocks geklingelt. Eine heiße Spur aber gebe es noch nicht, erklärt Reinhold Buchner, der auch für die Pressearbeit der Erdinger Kripo zuständig ist.

Einer der Bewohner aus dem ersten Stock hatte bereits nach dem Brand im Februar 2016 eine Kamera neben seiner Wohnungstür installiert. Es handelt sich um die Wohnung, vor welcher der erste Kinderwagen in Flammen aufging. Auch die Hausverwaltung denke über eine Videoüberwachung nach, erklärt Dirk Gottschalk, doch überstürzen dürfe man so etwas nicht. Schließlich seien bei einer Videoüberwachung auch juristische Richtlinien zu beachten. Und nicht zuletzt stiegen durch die Verwaltungskosten der Kameras auch die Mieten.

In Lisa Krämers Stimme liegt Verbitterung. "Ich gehe mit Klamotten ins Bett, damit ich bereit bin, wenn wieder was passiert". Jede Nacht wache sie zur selben Uhrzeit auf, "dann gehe ich zur Tür und lausche". Sie wünsche sich nichts mehr, als endlich wieder ruhig schlafen zu können sagt Krämer und seufzt.

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